Regenwurm-Kot gilt als bester Dünger für den Boden. Für Peter Fischer vom Geographischen Institut der Uni Mainz bedeuten die Ausscheidungen von Regenwürmern noch viel mehr:
Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es gelungen, mit dieser Methode die Temperaturen und Niederschläge im Rheingebiet zu ermitteln. Und das über Jahrtausende hinweg.
Durch ein Substrat bleiben Ausscheidungen erhalten
Schon seit 2018 sammelte das Forschungsteam am Schwalbenberg bei Remagen die Hinterlassenschaften der Würmer und schauten tief in die Vergangenheit.
Meterdick türmt sich der sogenannte Löss: Reste der letzten Eiszeit, uralter Staub und dazwischen Regenwurm-Häufchen, die per Zufall entdeckt wurden. In diesem kalkhaltigen Substrat bleiben die Regenwurm-Ausscheidungen sehr gut erhalten und verwitterten nicht, erklärt Fischer. Dadurch können Proben genommen und später untersucht werden.
Kalk-Kügelchen im Kot – Der Schlüssel zum Blick in die Vergangenheit
Bei dem Kot geht es nicht um den gewöhnlichen Wurm-Kot, sondern um kleine Kalk-Kügelchen, welche die Regenwürmer mit ihrem Kot ausscheiden. Für die Regenwürmer ist der Kalk besonders wichtig, da dadurch zum Beispiel ihr Blut nicht übersäuert.
Die bis zu 2,5 Millimeter kleinen Kügelchen sind für die Mainzer Klimaforschung ein echter Glücksfall, denn nur durch sie können die Forschenden weit in die Vergangenheit schauen:
Das Mineral Calcit, das im Kot der Würmer enthalten ist, wurde fortlaufend ausgeschieden, erklärt Fischer. Selbst in den richtig kalten Phasen hätten die Würmer zwar weniger, aber immer noch ausreichend Ausscheidungen produziert, die nun untersucht werden könnten.
Doch warum sind gerade die Regenwürmer so wichtig? Im Löss sind keine Pflanzenreste erhalten, die ganze Vegetation von damals wurde abgebaut, so Fischer. Abgesehen von Schneckenüberresten, die ebenfalls erhalten sind und von Forschenden untersucht werden können, liefert der Wurm-Kot die wichtigsten Hinweise auf das Klima.
Andere Umweltindikatoren, die man untersuchen könnte, wie sie etwa in Seen oder Flüssen auftreten – das erhält sich hier an Land alles nicht, erklärt Fischer. Bislang wurde zur Klimarekonstruktion eher die Tiefsee erforscht. Das könnte sich durch die neue Methode jetzt ändern.
Weniger Regen und mildere Temperaturen als angenommen
Gemeinsam mit einem französischen Forschungsteam konnten die Mainzer das Klima während der letzten Eiszeit rekonstruieren. Anhand der Ausscheidungen können die Forschenden bestimmen, wie das Sauerstoff- und das Kohlenstoffverhältnis ist.
Diese Werte erlauben dann Rückschlüsse auf die Temperatur und die Niederschläge, die zur Lebzeit der Regenwürmer herrschten. Erste Ergebnisse der Forschung zeigen, dass in der letzten Eiszeit viel weniger Regen fiel, als bislang angenommen. Und auch die Temperaturen waren milder. Über 20.000 Proben wurden untersucht.
Methode auch in anderen Gebieten anwendbar
Die Mainzer Forscher wollen nun mit den Hinterlassenschaften der Regenwürmer ein Klimaarchiv aufbauen.
Die Methode, den Regenwurm-Kot zu untersuchen, ist relativ neu. Sie wurde in den letzten 5 Jahren entwickelt. Angewandt wurde sie bereits zur Rekonstruktion des Klimas am Schwalbenberg bei Remagen und in Nußloch bei Heidelberg.
Dadurch, dass die Standorte miteinander verglichen werden können, können wesentlich genauere Aussagen über das Klima im Rheingebiet getroffen werden, erläutert Fischer.
Die Methode lässt sich aber auch weit über dieses Gebiet hinaus anwenden. „Wir können das natürlich jetzt überall machen. Dort, wo der Regenwurm seine Ausscheidungen hinterlässt, da können wir jetzt mit dieser Methode Klimarekonstruktion vorantreiben", sagt der Forscher.