3D-Illustration Tabletten auf blauem Hintergrund

Umwelt und Medizin

Medikamentenverschmutzung von Flüssen und ihre Folgen

Stand
Autor/in
Elisabeth Theodoropoulos
Onlinefassung
Stephanie Bittner

Bei der bisher umfangreichsten Studie dieser Art wurden Flüsse auf der ganzen Welt auf Medikamenten-Rückstände untersucht. Dafür wurden Proben an über 1.000 Stellen auf allen Kontinenten genommen.

Alle Medikamente, die wir einnehmen, werden letztendlich wieder aus unserem Körper ausgeschieden und gelangen über die Toilette in unser Abwasser.  

Bei einer weltweiten Studie wurden in fast allen Flüssen Kontaminationen mit gängigen Medikamenten gefunden, selbst in der Antarktis wurden Koffein, Reststoffe von Nikotin und Paracetamol nachgewiesen.

Antarktis auf einem Globus
Selbst in der Antarktis wurden in Flüssen Kontaminationen mit Medikamenten gefunden.

Thilo Hofmann von der Universität Wien war an der Studie beteiligt:

"Die Medikamente, die wir am häufigsten finden, sind die klassischen Wohlstands-Medikamente."

Das heißt insbesondere Medikamente, die mit Stoffwechsel oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Diabetes oder erhöhtem Blutdruck zusammenhängen. Laut Hofmann ist die Gruppe, die die größten Sorgen bereitet, die der Antibiotika. Wenn Bakterien in Flüssen mit Antibiotika aus dem Abwasser in Kontakt kommen, können sie Resistenzen ausbilden, welche über die Nahrungskette auch beim Menschen ankommen. Laut Hofmann werden Antibiotikaresistenzen von der UN als eine der größten Gefahren im Gesundheitsbereich angesehen.

In einer groß angelegten Studie wurde an weltweit über 1.000 Stellen die Wasserqualität in Flüssen untersucht.
In einer groß angelegten Studie wurde an weltweit über 1.000 Stellen die Wasserqualität in Flüssen untersucht.

In Europa und Nordamerika gibt es in der Regel eine gut funktionierende Abwasseraufbereitung

Das Abwasser wird in zentralen Kläranlagen in 3 Stufen gereinigt. Seit etwas mehr als 10 Jahren gibt es in einigen Kläranlagen in Deutschland und besonders in der Schweiz auch eine vierte Reinigungsstufe, welche weitere hartnäckige Medikamenten-Rückstände entfernen kann.

Durch den Klimawandel in Europa kommt es jedoch häufiger zu Starkregenereignissen. Die bei solchen Ereignissen anfallenden Wassermengen überforden die Kläranlagen oftmals. Was dann zuviel an Schmutzwasser ankommt, wird ungeklärt in die Flüsse geleitet.

Kläranlage
In der Regel wird das Wasser durch eine Kläranlage gereinigt.

Die Wirkstoffkonzentrationen sind bereits in einem Viertel aller Flüsse weltweit bedenklich hoch

Professor Hofmann beschreibt was getan werden könnte, um die Situation zu verbessern:

"Global gesehen, um die weltweite Fracht in Gewässern zu reduzieren, ist der wichtigste Punkt erst mal eine vernünftige Abwasserreinigung in den Ländern zu ermöglichen, die diese bisher überhaupt nicht haben. In Europa liegt der Fokus sicher auf der vierten Reinigungsstufe und auf dem Rückhalt von Starkregenereignissen."

Und Europa trägt auch die Verantwortung für die Belastung von Flüssen in ganz anderen Teilen der Welt. An manchen Flußläufen, beispielsweise in Pakistan, an deren Ufer auch Medikamente für den europäischen Markt hergestellt werden, sind in den direkten Abflüssen aus der Pharmaindustrie so hohe Konzentrationen an Rückständen zu finden, dass eine korrekte Abwasserreinigung gar nicht möglich ist.

Bei der Produktion von Medikamenten wird in vielen Ländern nicht besonders auf die Umwelt geachtet.
Bei der Produktion von Medikamenten wird in vielen Ländern nicht besonders auf die Umwelt geachtet.

Eine Chance, diese Situation zum Besseren zu verändern, sieht Professor Thilo Hofmann im Lieferkettengesetz:

"Ich möchte das in direkten Bezug setzen zu dem aktuell diskutierten Lieferkettengesetz der EU. Man muss auch aus europäischer Sicht verhindern, dass Medikamente in Drittländern hergestellt werden, wie Indien oder Pakistan und dann aber die Umweltstandards, die in Europa gelten, überhaupt nicht eingehalten werden und hoch kontaminierte Abwässer eingeleitet werden."

Das Lieferkettengesetz besagt, dass entlang globaler Lieferketten Menschenrechte, wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser, geschützt werden müssen. Firmen werden durch dieses Gesetzt verpflichtet, Waren korrekt und unter der Einhaltung von Umweltstandards herzustellen.

Lieferkettengesetz und Globus
Das im letzten Jahr beschlossene Lieferkettengesetz gibt Hoffnung auf Besserung.