Ein Forscherteam der Universitäten Bonn, Haifa (Israel) und Oldenburg hat herausgefunden, dass Einsamkeit mit einem reduzierten Vertrauensgefühl einhergeht.
Dafür wurden die Teilnehmenden zwischen 18 und 65 Jahren gebeten, einen Online-Fragebogen auszufüllen. Ältere Menschen mit 65+ wurden bewusst nicht angefragt, da in diesem Alter meist zusätzlichen hormonelle Veränderungen auftreten können.
Zusätzlich können bei Menschen über 65 Jahren Veränderungen in der Hirnstruktur und im Hirnvolumen auftreten, so Jana Lieberz. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Sektion medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Bonn und Mitautorin der Studie. Dadurch seien die Daten dieser Altersgruppe weniger vergleichbar gewesen. Zudem hätten Menschen in einem höheren Alter meist auch mehr Verlusterfahrungen im sozialen Umfeld. Dies könne Einsamkeit begünstigen, entspreche jedoch nicht der Fragestellung, die untersucht wurde, erklärt sie weiter.
In der aktuellen wissenschaftlichen Einsamkeitsforschung seien nach der Meinung der Forschenden die „Jüngeren“ etwas unterrepräsentiert. Aus diesem Grund wollten sie den Fokus entsprechend einmal weg von Älteren und hin zu Jüngeren lenken.
Aus fast 3.700 Fragebögen suchten sich die Versuchsleiter 42 Personen heraus, die zwar ständig Einsamkeit empfanden, jedoch weder psychisch erkrankt noch in Therapie waren. Die Hälfte der Teilnehmenden war weiblich, die andere männlich.
So wurde die Versuchsreihe durchgeführt
Als Kontrollgruppe wurden 40 Personen herangezogen, die sich nicht einsam fühlten. Die ausgesuchten Teilnehmer nahmen an einem Vertrauensspiel teil und wurden dabei von einem Hirnscanner überwacht. In dem Spiel ging es darum, wie hoch die Bereitschaft ist, zehn Euro Startkapital mit den anderen Mitspielern zu teilen. Nur, wenn sie selbst teilten, konnte einen Gewinn über zehn Euro erzielt werden. Gleichzeitig mussten die Teilnehmenden darauf vertrauen, dass die anderen ihren Einsatz nicht für sich behielten.
Einsame haben ein geringes Maß an Vertrauen zu ihren Mitmenschen
Auch die Hirnscans zeigten bei den Arealen im Gehirn, die an der Vertrauensbildung beteiligt sind, eindeutig: Die vordere Inselrinde sei bei Einsamen weniger aktiv und vernetze sich weniger mit anderen Hirnarealen, erklärt Jana Lieberz. Die vordere Inselrinde hat die Aufgabe, den eigenen Herzschlag, aber auch die Reaktionen anderer Menschen zu interpretieren, bzw. deren Mimik und Stimmung und eben auch die Vertrauenswürdigkeit.
Im weiteren Versuchsaufbau wurden mit einigen Proband*innen standardisierte Gespräche nachgestellt. Es ging um positive emotionale Fragen, wie „Was sind ihre Hobbies?" Oder: „Was würden sie mit einem Lottogewinn machen?“ Die Teilnehmenden wurden im Anschluss nach ihrer Stimmung gefragt. Der Abstand, den die Probanden zur Versuchsleitung hatten, wurde auch festgehalten.
Einsame Menschen halten mehr Abstand zum Gesprächspartner
Währenddessen entnahmen die Versuchsleiter Blut und Speichelproben. Sie konnten als Reaktion auf das Gespräch u.a. einen Anstieg an Oxytocin, dem Hormon, das vereinfacht als Bindungshormon bekannt ist, nachweisen. Die Konzentration des Oxytocins im Blut schwankte bei Einsamen weniger.
Repräsentativität der Studie
Wie in vielen Bereichen der Psychologie, könnte auch bei dieser Studie die Repräsentativität höher sein. Die Studie ist weder darauf ausgelegt, den Altersdurchschnitt, noch die Bildungsschichten der Gesellschaft abzubilden.
Anhaltspunkte für Therapiemöglichkeiten
Es ist wichtig, ein reduziertes Vertrauen bei einsamen Menschen nicht unter den Tisch zu kehren. Im Gegenteil – indem man den Fokus in der Therapie darauf stärkt und offen darüber spricht, wird es den Betroffenen erst richtig bewusst. Dann könne man daran arbeiten, ihr Vertrauen in andere Menschen zu steigern, meint Lieberz. Außerdem sei die Studie natürlich nicht auf jedes Individuum übertragbar, da sei noch mehr Forschung nötig.
Im Universitätsklinikum Bonn läuft aktuell eine Studie die prüfen soll, ob eine therapeutische Gruppenintervention, also eine Gruppenvermittlung, die gedanklich negative Verzerrung senken kann. Diese praktische Nachfolgestudie könnte erste konkrete Hinweise liefern, welche Interventionsformen wirksam sein könnten, um einsamen Menschen zu helfen. So ließen sich langfristig wissenschaftlich geprüfte Ansätze zur Reduktion von Einsamkeit etablieren. Ziel sei es, so Lieberz, eine Art Handbuch zu entwickeln, das Empfehlungen enthält, an denen sich Einrichtungen orientieren können.
Anlaufstellen für Hilfesuchende (gebührenfrei):
Nummer gegen Kummer: Mo.- Sa von 14-20 Uhr
Kinder- und Jugendtelefon: 0800 116111
Elterntelefon: 0800 1110550
Telefonseelsorge in Deutschland (rund um die Uhr)
0800 1110111/ 0800 1110222 oder 116123
Auch per Mail oder Chat, mehr Infos: online.tefefonseelsorge
Falls sie selbst oder andere in ihrem Umfeld betroffen sein sollten, zögern sie bitte nicht, professionelle Hilfe bei Ärzten , Psychotherapeuten oder in einer Klinik zu suchen.