Vor mehr als 5.000 Jahren, in der Bronzezeit, lebte in der eurasischen Region das Volk der Yamnaya. Sie waren Nomaden. Genauso wie einige mongolische Familien heute noch, zogen sie alle paar Wochen samt Hausrat und Tieren von einem Ort zum nächsten.
Die Yamnaya breiteten sich über die pontisch-kaspische Steppe aus. Diese Steppe liegt im Gebiet verschiedener Länder, unter anderem Kasachstan, Moldawien und Russland. Ihre Wanderungen führten sie immer weiter östlich.
Milch als Migrationsförderer
Wie und warum diese Hirtenvölker in der Bronzezeit so große Entfernungen zurücklegten, war bisher ein Rätsel. Jetzt hat eine neue Studie unter der Leitung von Prof. Nicole Boivin und Dr. Shevan Wilkin des Max-Planck-Instituts für die Erforschung der Menschheitsgeschichte in Jena einen entscheidenden Hinweis geliefert, der vielleicht überraschen wird. Es scheint, dass die bronzezeitlichen Wanderungen mit einer einfachen, aber wichtigen Ernährungsumstellung zusammenfielen - der Einführung des Milchkonsums.
Als Informationsquelle nutzten die Forscherinnen den Zahnstein von 5.000 Jahre alten Skeletten aus der Bronzezeit. Zahnstein eignet sich dazu gut, da sich im Zahnstein anorganische Stoffe aus unserem Speichel ablagern. Im Speichel wiederum finden sich unter anderem Kohlenhydrate und Proteine. Die Proteine wurden dann extrahiert und analysiert. Dabei stellten die Wissenschaftlerinnen fest, welche Menschen Milch tranken und welche nicht.
Überraschende Ergebnisse
Die Forscherinnen haben nicht nur Skelette aus der Bronzezeit untersucht, sondern auch aus dem Äneolithikum, auch Kupfersteinzeit genannt. Die Kupfersteinzeit liegt noch vor der Bronzezeit, nämlich im Zeitraum von 5500 bis 2200 v. Chr. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen haben die Forschenden überrascht. 90 Prozent der Individuen aus der Kupfersteinzeit tranken keine Milch, aber 94 Prozent der frühbronzezeitlichen Menschen konsumierten Milchprodukte.
Die beiden Wissenschaftlerinnen Boivin und Wilkin erkannten, dass sie ein Muster entdeckt hatten. Daraufhin untersuchten sie die Proben weiter, um festzustellen, welche Art von Milch die Hirten konsumierten.
Die meisten Milchpeptide konnten Spezies wie Kühen, Schafe und Ziegen zugeordnet werden. Jedoch enthüllten einige Zahnsteinreste eine weitere unerwartete Spezies: Pferde.
Domestizierte Pferde
Dr. Shevan Wilkin meint, dass die Domestizierung des Pferdes in der eurasischen Archäologie ein stark umstrittenes Thema ist. Deshalb stoßen die weiteren Untersuchungen und Ergebnisse der Forscherinnen nicht unbedingt bei allen Lesenden auf Begeisterung.
Die Wissenschaftlerinnen analysierten weitere Zahnsteinproben, um weitere Thesen über den ersten Milchkonsum zu überprüfen. Diesmal von Menschen, die in einer kupferzeitlichen Siedlung namens Botai in Kasachstan bereits vor 3.500 Jahren Milch getrunken haben sollen. Nach ihren Untersuchungen kamen Dr. Wilkin und Prof. Boivin aber zu dem Ergebnis, dass dort nicht Milch getrunken wurde.
Dieser Fund passt zu der Vorstellung, dass die Przewalskii-Pferde - von denen eine frühe Form an der Siedlungsstelle Botai ausgegraben wurde - nicht die Vorfahren des heutigen Hauspferdes waren. Stattdessen begann die Domestizierung von Pferden - und das Trinken von Stutenmilch - wahrscheinlich etwa 1.500 Kilometer weiter westlich in der pontisch-kaspischen Steppe. Dies bestätigt auch eine weitere neue Studie.
Bei dieser Ausbreitung der Hirtenvölker spielten domestizierte Pferde wahrscheinlich eine Rolle. Die Steppenbevölkerung nutzte die Tiere nicht mehr nur zu Fleischgewinnung, sondern auch zum Beispiel zum Melken und für den Transport.
Welchen entscheidenden Vorteil die Milch genau bot, muss noch untersucht werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die zusätzlichen Nährstoffe, die reichhaltigen Proteine und die Flüssigkeitsquelle entscheidend für das Überleben in der rauen und offenen Steppe waren.