Die Venus ist nicht jene Art Planet, auf dem man zuallererst nach Aliens suchen würde. Auf ihrer Oberfläche ist es über 400 Grad heiß. Am Boden herrscht ein alles zerquetschender Druck von rund 90 bar. Die Venus-Atmosphäre besteht zu 95 Prozent aus dem Treibhausgas Kohlendioxid und die Wolken der Venus bestehen aus Tröpfchen ätzender Schwefelsäure.
Gibt es Leben in den hochliegenden Wolkenschichten der Venus?
Doch genau dort, in den hochliegenden Wolkenschichten, könnten sich Lebensformen verbergen. In 50 Kilometer Höhe herrschen nur noch angenehme 30 Grad. Der Druck liegt bei 1 bar, ist also dem Luftdruck an der Erdoberfläche ähnlich.
„Als wir in den Messergebnissen die ersten Anzeichen für Phosphin in der Venus-Atmosphäre sahen, war das für uns ein Schock“ – so erzählt es Jane Greaves, Astrobiologin an der Universität Cardiff und Leiterin des internationalen Forschungsteams, das Messungen in der Atmosphäre unseres Nachbarplaneten vorgenommen hat und zu einem Aufsehen erregenden Ergebnis gekommen ist.
Es gibt, sagt dieses Team, auf der Venus einen deutlichen Hinweis auf außerirdisches Leben: Das Gas Phosphin.
Phosphin entsteht nur unter bestimmten Bedingungen
Zwei Teams haben in diesen hochliegenden Wolkenschichten unabhängig voneinander mit Radioteleskopen Phosphin entdeckt. Dieses Gas kann in der Natur nicht so ohne Weiteres entstehen. Es besteht aus einem Phosphoratom, an das drei Wasserstoffatome gebunden sind.
In einer Atmosphäre, in der ungebundener Sauerstoff vorhanden ist, kommt so ein Molekül nicht zustande, weil der Phosphor viel schneller mit dem Sauerstoff als mit dem Wasserstoff reagiert. Auf der Erde kann Phosphin deshalb nur an Orten entstehen, an denen kein freier Sauerstoff in der Chemie mitmischt – im Untergrund von Mooren etwa.
Phosphin als möglicher Hinweis auf Leben
Auch im Darm von Fischen wurde Phosphin gefunden. Und im Kot von Pinguinen. Grundsätzlich aber ist Phosphin für Lebewesen, die auf Sauerstoff angewiesen sind, ein starkes Gift. Umgekehrt aber kann es für Lebewesen, deren Stoffwechsel keinen Sauerstoff benötigt, ein wichtiger Teil ihres Stoffwechsels sein. Bei der Suche nach Leben auf Planeten ohne Sauerstoffatmosphäre wird Phosphin deshalb von Astrobiolog*innen als starker Biomarker eingeschätzt.
Suche nach typischen chemischen Prozessen
Astrobiolog*innen versuchen außerirdisches Leben zu entdecken, indem sie nach den dafür typischen chemischen Prozessen Ausschau halten. Jeder Planet reflektiert die Strahlung seines Sterns – aber die Zusammensetzung des reflektierten Lichts hängt davon ab, welche Gase sich in der Atmosphäre des Planeten befinden. Abhängig vom Gasmix in der Planeten-Atmosphäre werden bestimmte Wellenlängen reflektiert, andere absorbiert.
Durch Untersuchungen in den vergangenen Jahren weiß man im Fall des Phosphin sehr genau, welche Wellenlängen von elektromagnetischer Strahlung typischerweise von diesem Molekül absorbiert werden. Das Ergebnis: Typisch für Phosphin ist eine Absorption von Strahlung im Bereich der sehr kurzwelligen Radiostrahlung.
Suche nach dem Urprung von Phosphin
Im Juni 2017 richtete zunächst das James-Clerk-Maxwell-Teleskop auf Hawaii seine Radioantenne auf die Venus und stieß prompt auf Phosphin in den Venuswolken. Die Wissenschaftler*innen blieben dem Ergebnis gegenüber aber skeptisch. Sie begannen alle Wege zu prüfen, auf denen Phosphin auf der Venus auch ohne das Zutun von Alien-Mikroben erzeugt werden könnte: Blitze in der Atmosphäre, Vulkanausbrüche, die chemische Reaktion von aufgewirbelten Mineralien mit der Schwefelsäure der Wolken.
Doch die Computersimulationen zeigten: Auf diesem Weg konnte höchsten ein Zehntausendstel der Menge an Phosphin erzeugt werden, die man im Radiolicht der Venus entdeckt hatte. Im März 2019 bestätigten dann auch Messungen mit dem ALMA-Teleskopverbund der Europäischen Südsternwarte in Chile das überraschend große Phosphin-Vorkommen in den Venuswolken.
Dunkle Flecken in den Wolken der Venus
Seit Jahrzehnten wundern sich Astronom*innen bereits über unerklärliche, sich ständig verändernde dunkle Flecken in den Wolken der Venus, die sich zeigen, wenn die Wolkenhülle des Planeten im Bereich des UV-Lichts betrachtet wird. Dieses Phänomen nährte bereits Spekulationen über in den Venuswolken schwebende Mikroorganismen.
Aber eine bruchsichere Indizienkette lässt sich aus den dunklen Flecken und der Messung von Phosphin noch nicht knüpfen. Die Venusatmosphäre ist noch zu wenig erforscht, als dass da nicht noch eine überraschende andere Erklärung für das Phosphin-Vorkommen auftauchen könnte.
Sollte es Venus-Mikroben tatsächlich geben, müssten sie einen äußerst raffinierten Weg gefunden haben, um mit bis zu 90 % Schwefelsäuregehalt in den Wolkentröpfchen der Venus umgehen zu können.
Für irdische Mikroben sind bereits mehr als 5 % Säuregehalt tödlich. Außerdem tendieren die Wolken-Tröpfchen dazu, im Laufe der Zeit größer zu werden und in die tieferen, heißen Wolkenschichten der Venus abzusinken und dort zu verdunsten. Doch Astrobiolog*innen könnten sich vorstellen, dass das sogar fester Bestandteil des Lebenszyklus der Venusorganismen ist. Sie könnten beim Austrocknen Sporen bilden, die von Aufwinden in die Höhe getragen werden, um sich dort zu neuen Mikroben zu entwickeln.
Raumsonden zur Venus geplant
Was tatsächlich in den Venuswolken vor sich geht, werden nur Raumsonden feststellen können. Russland plant zwischen 2026 oder 2031 die traditionsreiche Reihe seiner Venusflüge fortzusetzen. Die Sonde Venera-D könnte dann auch einen Ballon oder ein solarbetriebenes Fluggerät in die obere Venusatmosphäre entlassen, um nachzuschauen, ob die Venus-Mikroben tatsächlich existieren. Die NASA verfügt über entsprechende Konzepte und Russland wäre an einer Zusammenarbeit interessiert.