600.000 Quadratkilometer Korallenriffe gibt es weltweit – und mittlerweile ist ein großer Teil davon massiv geschädigt. Meeresbiolog*innen arbeiten deshalb daran, Korallen zu züchten, die besser mit hohen Temperaturen zurechtkommen. Das hat allerdings hohe Hürden, wegen der komplizierten Biologie der Korallenpolypen bei ihrer sexuellen Vermehrung.
Im Forschungsaquarium Wilhelmshaven ist es nun zum ersten Mal in Deutschland in geglückt. Was sich aktuell rund um den Globus in den Korallenriffen abspielt, das sei dem Meeresbiologe Samuel Nietzer zufolge, dramatisch. Korallenriffe gibt es seit 200 Millionen Jahren und derzeit sei es eine existentiell kritische Phase – bereits 30 Prozent der Riffe seien zerstört und 50 Prozent seien akut gefährdet.
Gründe für die zerstörten und gefährdeten Korallenriffe
Und für Nietzer steht zweifelsfrei fest: Die steigenden Temperaturen sind derzeit die größte Bedrohung. Dazu kommen aber noch regional andere Faktoren, wie ungeklärte Abwässer, die ins Meer geleitet werden, Überfischung und nicht zuletzt der Plastikmüll. Alles zusammen ist einfach zu viel für die Riffe. Das ist deshalb so dramatisch, weil mit den Korallenriffen so viel zusammenhängt – Fischreichtum und Einkommensmöglichkeiten für lokale Fischer – und die Riffe schützen nicht zuletzt auch die Küsten. Derzeit, so Samuel Nietzer, gibt es allerdings wenig Hoffnung, dass sich das wieder verbessert.
Korallenriffe erneuern durch "Aufforsten"
Natürlicher Nachwuchs reicht nicht aus, um die Verluste wett zu machen. Eine Möglichkeit, um die Korallenriffe zu erneuern, ist das sogenannte „Aufforsten“. Bisher nimmt man dafür Bruchstücke von lebenden Korallenstöcken, die gezielt in Korallengärten aufgezogen und dann ins Riff ausgepflanzt werden. Wie bei der Stecklingsvermehrung im Obst- und Weinbau handelt es sich dabei um Klone, und das bedeutet: Alle so vermehrten Korallen haben exakt das identische Erbgut. Diese Korallen haben dann die gleichen Mikro-Organismen und gehen dann bei Problemen unter Umständen alle auf einen Rutsch verloren. Das bedeutet: Um neue, widerstandsfähigere Polypen zu bekommen, eignet sich dieses Verfahren nicht.
Sexuelle Fortpflanzung für widerstandsfähige Polypen benötigt
Für eine bessere Anpassung an immer wärmeres Wasser sollten die Korallen aus Larven nachwachsen, die aus sexueller Fortpflanzung stammen, sagt Samuel Nietzer: "Bei der sexuellen Fortpflanzung verbindet sich die DNA von verschiedenen Eltern, diese Nachkommen sind dann potentiell eher in der Lage, sich neu anzupassen.
Auch die Evolution kam erst in Schwung, als die sexuelle Vermehrung aufkam." Bisher sind die Meeresbiologinnen und Meeresbiologen rund um den Globus geflogen, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, wenn die Polypen auf den Riffen ihre Eier und Spermien ins Wasser abgeben. Bei diesem Massenablaichen haben sie dann Korallenlarven gesammelt, um sie im Labor aufzuziehen.
Sexuelle Vermehrung im Forschungsaquarium in Wilhelmshaven
Die Korallenfortpflanzung ist also ein derart komplizierter Prozess, dass es tatsächlich bisher nur in Großbritannien unter Laborbedingungen gelungen war. Samuel Nietzer und sein Team von der Uni Oldenburg haben die Korallenfortpflanzung nun aber mit hohem technischen Aufwand in einem Aquarium erreicht, das alle biologischen Parameter exakt nachahmt, wie Temperatur und Salzgehalt des Wassers, die Tageslänge und vor allem den Mondzyklus.
"Alles wird computergesteuert, die Korallen brauchen ganz bestimmte Bedingungen. Die Steinkorallen haben wir aus Australien importiert und die haben sich bei uns so wohl gefühlt, dass es mit dem Massenablaichen geklappt hat, wie es sollte. Aus den rund 50.000 befruchteten Eiern sind Larven entstanden, die nun vielleicht besser mit dem immer wärmeren Meerwasser zurecht kommen ", erklärt Nietzer.
Allerdings, so räumt Samuel Nietzer ein: Die Korallenpolypen aus dem Labor können nicht die Lösung des Korallensterbens sein. 600.000 Quadratkilometer mit der Hand aufzuforsten, das ist utopisch. Die Hoffnung der Meeresforscherinnen und -forscher liegt nun vor allem darin, dass sich die Meere durch den Klimawandel nicht weiter ungebremst aufheizen.