Diese Woche startet die BAföG-Tingel-Tangel-Info-Tour des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Noch bis zum 2. November macht sie an 38 Hochschulen Halt. Ziel: persönliche Beratung zum BAföG. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger brüstet sich: „Wir wollen noch mehr junge Menschen ermutigen, einen Antrag auf BAföG zu stellen. Ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen." Anja Braun aus der SWR Wissenschaftsredaktion hält das für einen ziemlichen Hohn:
Kredite für Studiende mit Wucherzinsen
Die Aussage der Bundesbildungsministerin, dass ein Studium nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf, ist ziemlich unverfroren. Denn unabhängig davon, dass das BAföG trotz hoher Inflation nicht um ein Fitzelchen erhöht wird, ist erst am Montag der Zinssatz für Studienkredite bei der staatlichen KFW Bank auf die schwindelerregende Höhe von 9,01 Prozent gestiegen. Das Studierendenwerk rät bereits zu höchster Vorsicht und warnt bedürftige Studierende, dass hier eine Schuldenfalle droht.
Der Zinssatz für diesen Kredit ist immerhin doppelt so hoch wie ein Immobilienkredit. Nur zur Verdeutlichung: Einen Studienkredit braucht man, wenn man zum Beispiel die BAföG-Förderhöchstdauer überschritten hat, aber noch nicht ganz fertig mit der Abschlussarbeit ist – und niemand aus der Familie einen dabei finanziell unterstützen kann. Diese Studienkredit-Zinssatz-Erhöhung verhöhnt alle, die von staatlicher Studienunterstützung abhängig sind. Vor allem da andere Kredite großzügig vom Staat unterstützt werden. Ich finde es unmöglich, sich dann hinzustellen und zu verkünden: "Ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen."
BAföG erreicht nicht alle bedürftigen Studierenden
Auch das BAföG selbst - als Kernstück der Studienfinanzierung – erfüllt dieses Versprechen nicht. Denn es erreicht längst nicht alle Studierende, die es brauchen. Heute liegt der BAföG-Höchstsatz bei 812 Euro. Die jüngste Sozialerhebung hat ergeben, dass fast 40 Prozent der Studierenden weniger als 800 Euro im Monat zur Verfügung haben. Das BAföG erhalten aber nur ganze elf Prozent der Studierenden. Um das zu ändern, wurde eine Strukturreform versprochen, doch die ist den Sparplänen geopfert worden. Genau wie eine BAföG-Erhöhung zum Inflationsausgleich.
Es drohen vermehrte Studienabbrüche aus Geldmangel
Während viele Gewerke Lohnerhöhungen vereinbart haben, um die gestiegenen Lebenshaltungspreise abzufedern, gehen die Studierenden leer aus. Dabei müssen auch sie Lebensmittel kaufen und Miete für ihre Zimmer zahlen. Die Folge kann ein Studienabbruch aus finanziellen Gründen sein. Und natürlich bricht das studierende Arbeiterkind sein Studium eher ab als der Kommilitone mit den promovierten Eltern. Das war früher schon so, jetzt geht die Schere noch weiter auseinander.
Das vollmundige Versprechen: "Ein Studium darf nicht am Geldbeutel scheitern" wird so ad absurdum geführt. Höchste Zeit gegenzusteuern – nicht mit einer Infotour, sondern mit einer echten Reform des Bafög und einem erträglichen Zinssatz für staatlich geförderte Studienkredite.
Und warum nicht mal träumen von einer völlig elternunabhängigen Studienfinanzierung: 800 Euro im Monat für alle, die nachweisen, auch ernsthaft und mit Leistungsnachweisen ein Studium zu verfolgen. Dafür würde der riesige Verwaltungsapparat der BAföG-Ämter in Deutschland wegfallen, vielleicht kämen wir da sogar zu Null raus. Und die viel gesuchten Fachkräfte der Zukunft würden durch eine gesicherte Finanzierung eher bei der Stange – Pardon – dem Studium gehalten.