Hitzerekord: Erwärmung könnte 1,5-Grad-Limit übersteigen
Die nächsten fünf Jahre werden mit hoher Wahrscheinlichkeit wärmer als die vergangenen fünf, so die Ergebnisse der WMO. Zum ersten Mal könnte die Erderwärmung dann in einem Jahr global durchschnittlich über 1,5 Grad oberhalb des vorindustriellen Niveaus liegen.
In den vergangenen Jahren stagnierte die Erwärmung auf einem hohen Niveau von etwa 1,2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit (Vergleichszeitraum: 1850 bis 1900). Grund dafür ist das La Niña-Phänomen – das Gegenstück zu El Niño, das global eher mildere Temperaturen verursacht. Jetzt könnte es einen deutlichen Sprung geben, so der Meteorologe Karsten Schwanke im SWR2 Interview.
Bisher war das Jahr 2016 mit 1,36 Grad Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Periode das heißeste Jahr seit der Aufzeichnung. Im Vorjahr und zu Beginn des Jahres herrschte ein sehr starkes El Niño.
Stärke von El Niño noch unsicher
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bis zum kommenden Winter ein El Niño entwickeln wird, liegt laut dem US-amerikanischen Klimavorhersagezentrum NCEP bei über 90 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Phänomen stark auftreten wird, aktuell bei circa 55 Prozent.
Aber selbst wenn El Niño nicht oder nur schwach auftritt, gehen führende Meteorologen davon aus, dass die kommenden fünf Jahren zu den bisher wärmsten weltweit seit Beginn der Messungen zählen werden. Da sei der Effekt der menschenverursachten Erwärmung ausschlaggebender als das El Niño-Phänomen, so Professor Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie gegenüber dem Science Media Center (SMC).
Wird das 1,5-Grad-Ziel verfehlt?
Bis zum Ende des Jahrhunderts soll die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Als vorindustriell wird der Mittelwert der Jahre 1850 bis 1900 verwendet. Diesem Ziel stimmten fast alle Staaten 2015 im Pariser Klimaabkommen zu.
Der Grenzwert von 1,5 Grad bezieht sich auf ein längerfristiges Mittel über 30 Jahre. Eine Überschreitung in einem bestimmten Jahr bedeutet dementsprechend nicht direkt das Verfehlen des Ziels. Viele Klimaforschende sehen das einmalige Durchreißen der 1,5-Grad-Marke aber als Zeichen, dass das Pariser Abkommen nicht mehr zu halten sei.
Was, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel verfehlen?
Bei der aktuellen Klimapolitik ist Berechnungen zufolge bis zum Jahr 2100 eine globale Erwärmung von 2,7 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu erwarten. Eine aktuelle Studie hat nun gezeigt, dass bei einer solchen Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts ein Drittel aller Menschen geografisch außerhalb der menschlichen Klimanische leben würde. So nennt man Regionen, in denen historisch gesehen ein klimatisch günstiger Temperaturbereich von durchschnittlich 11 bis 15 Grad vorlag, sodass sich Menschen dort bevorzugt niedergelassen haben.
Aktuell lebt bereits knapp jeder Zehnte außerhalb dieses Bereichs. Bis 2100 könnte sich dieser Anteil also verdreifachen. Besonders betroffen wären dabei Menschen aus Indien, Nigeria und Indonesien. Die Forschenden betonen auch, dass pro 0,3 Grad weniger Temperaturanstieg bis 2100 jeweils 350 Millionen weniger Menschen außerhalb der Klimanische wohnen würden.
Das Ausmaß des Klimawandels durch die Verengung der Regionen innerhalb der Klimanische zu beschreiben, ist ein relativ neuer Ansatz und trifft nicht überall auf Zuspruch. Zu beachten ist, dass diese Größe nur die Temperaturänderungen, nicht aber die Veränderung von Luftfeuchtigkeit, Wasserverfügbarkeit und ökologische sowie ökonomische Aspekte berücksichtigt. Führende Experten sehen aber dennoch einen zusätzlichen Nutzen zur Planung von Klimawandelauswirkungen.