Was haben die Forschenden genau gemacht?
Uwe Gradwohl: Die Forschenden aus den USA haben mit starkem Laserlicht Wasserstoffpellets erhitzt. Bei mehreren Millionen Grad Hitze beginnen die Atomkerne des Wasserstoffs sich zu einem schwereren Atomkern zu verbinden. Bei dieser Kernfusion wird Wärme frei. Wenn ausreichend Wärme frei wird, kann sich der Prozess sogar selbst am Laufen halten. Das ist beispielsweise im Inneren der Sonne der Fall.
Die Druck- und Temperaturverhältnisse im Sonneninnern im Labor herzustellen ist freilich schwierig. Das geht mit Lasern, wie jetzt in den USA, oder durch Einschließen von Wasserstoffkernen in Magnetfeldern und Erhitzen durch elektromagnetische Strahlung. Dieser Weg wird bei Großexperimenten in Deutschland beschritten. Sie stehen in Garching (ASDEX) und in Greifswald (Wendelstein 7X).
Nach Angaben der Forschenden ist mehr Energie rausgekommen als reingesteckt wurde. Wie ist das einzuschätzen?
Uwe Gradwohl: Tatsächlich ist es so, dass mehr Energie rauskam, als mit dem Laserlicht reingeschossen wurde. Damit wurde ein physikalisches Kriterium für die Zündung eines Wasserstoffplasmas erfüllt. Soweit ist die Mitteilung aus den USA in Ordnung. Die Rechnung, die da von der Presseabteilung des Lawrence Livermore Laboratoriums für die Energiebilanz aufgemacht wird, berücksichtigt allerdings nicht die Startenergie für den Laser, also die Energie, die notwendig ist, um das Laserlicht herzustellen. Deshalb darf man sich von der reinen Erfüllung des physikalischen Kriteriums nicht zu der Annahme verleiten lassen, dass nun der Weg zum Fusionsreaktor und zur Energieversorung der Zukunft frei wäre. Leider wird dieser Eindruck im ein oder anderen euphorischen Statement erzeugt.
Dieses Forschungsinstitut in Berkeley macht durchaus tolle Sachen, aber in der Pressearbeit geht es immer wieder einmal etwas forsch vor. Vor ein paar Jahren hat dasselbe Institut bereits schon einmal getitelt, dass es bei Fusionsexperimenten eine positive Energiebilanz erzielt habe. Da war die Rechnung aber noch mehr schöngerechnet als jetzt.
Ist das jetzt also ein Fortschritt – oder doch nicht?
Uwe Gradwohl: Das ist durchaus ein Fortschritt, sogar ein Meilenstein wenn es gelungen ist, ein Fusionsplasma so zu zünden, dass es eine kurze Zeit auch sich selbst heizt und so selbsttätig weiter "brennt" und darüber hinaus noch Energie liefert. Es handelt sich um hochinteressante Spitzenforschung zur Erforschung des Prozesses des Zündens eines Fusionsplasmas.
Aber diese Arbeit ist nicht interessant für Fusionsreaktoren, die künftig Strom liefern sollen. Da müsste man pro Sekunde mehrere dieser Wasserstoffpellets zünden und die entstehende Wärme abführen. Dafür gibt es überhaupt keine technische Lösung und das Labor in Kalifornien hat auch nicht das Ziel, eine solche zu finden.
Deshalb ist das für Fusionsforscher, die an echten Fusionsreaktoren arbeiten durchaus ein wenig ärgerlich, wenn diese Laserexperimente den ganzen Ruhm abschöpfen. Fusionsreaktoren arbeiten ohne Laser, die heizen das Wasserstoffplasma mit elektromagnetischen Wellen auf.
Das Millionen Grad heiße Plasma darf nicht die Metallwände des Reaktors berühren, weil es sonst sofort auskühlen würde. Deshalb werden in solchen Reaktoren sehr starke Magnete verbaut, deren Magnetfelder das heiße Plasma wie eine Thermoskanne einsperren. Das ist die Kunst und da gibt es in Deutschland eben jene zwei Versuchsanlagen in Garching und in Greifswald.
Die dauerhafte Zündung eines Fusionsplasmas und die Erzielung einer positiven Energiebilanz ist dann das Ziel des internationalen Fusionsreaktors ITER, der gerade im Rahmen eines internationalen Projekts in Südfrankreich gebaut wird und 2025 an den Start gehen soll. Vor Mitte des Jahrhunderts werden Fusionsreaktoren aber kaum marktreif werden, wenn überhaupt. Die technischen Herausforderungen sind enorm.