Wie steht es um die europäisch-russische Marsmission ExoMars?
Diese Mission scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Ihr Start war bereits für 2020 fest vorgesehen. Doch damals waren die Bremsfallschirme für die Landung auf dem Mars nicht einsatzbereit. Abschließende Fallschirmtests in den USA mussten wegen der Coronapandemie verschoben werden. Weil die Pandemie auch die Zusammenarbeit der Teams von ESA und Roskosmos beeinträchtigte, wurde der Start schließlich um zwei Jahre verschoben.
Jetzt wird der Ukraine-Krieg den Start verhindern. Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) bestätigte in einer Pressemitteilung vom 17.03.2022, dass sie die ExoMars-Mission mit Roskosmos, dem staatlichen russischen Raumfahrtunternehmen, auf unbestimmte Zeit aussetzen wird. Der für September geplante Start findet also nicht statt.
ExoMars besteht aus einem Rover, der auf einer Landeplattform auf dem Mars abgesetzt werden soll. Für die Entwicklung des Rovers war die ESA zuständig, für die Landeplattform die russische Weltraumbehörde Roskosmos. Gestartet werden sollte ExoMars an Bord einer russischen Proton-Rakete vom russischen Weltraumzentrum aus, das im kasachischen Baikonur liegt. Doch der Rover wird nun nicht ankommen, denn die russische Landeplattform und die russische Rakete stehen nun nicht mehr zur Verfügung.
Die ESA muss nun ihre Marspläne komplett umgestalten. Die NASA hat bereits signalisiert, dass sie als Partner für den Transport und die Landung des europäischen Rovers zur Verfügung stehen würde. Zuvor wären allerdings viele technische Probleme zu lösen. Und das braucht Zeit. Wahrscheinlich kann erst das Startfenster im Jahr 2026, vielleicht sogar erst 2028 für den Flug zum Mars genutzt werden. Der Rover kann jedenfalls noch bis Ende des Jahrzehnts eingelagert werden - regelmäßige Wartung kritischer Bauteile vorausgesetzt.
Bereits am 26. Februar wurde bekannt, dass Roskosmos seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem europäischen Weltraumzentrum in Kourou/Französisch-Guyana abgezogen hat. Sie waren dort für die Betreuung der Startrampe für die Sojus-Raumschiffe zuständig. Diese Startmöglichkeit für russische Raumschiffe auf dem europäischen Weltraumbahnhof war bislang das in Beton gegossene Symbol für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der ESA und Roskosmos.
Wie geht es auf der ISS weiter?
Am Wochenende nach dem Angriff auf die Ukraine formulierte der Chef der russischen Weltraumbehörde, Dimitri Rogosin, eine Warnung an die USA. Die Vereinigten Staaten sollten sich nicht aus der Zusammenarbeit auf der ISS zurückziehen. Seine Argumente gipfelten in der Aussage, dass ein amerikanischer Rückzug von der ISS und Sanktionen beim Verkauf von Raumfahrt-Technologie langfristig auch zum Absturz der ISS über bewohntem Gebiet führen könnte. Allerdings beschränken die USA zwar den Export von Raumfahrttechnik nach Russland, haben aber bislang zu keinem Zeitpunkt die Zusammenarbeit auf der ISS in Frage gestellt. Ein Absturz der ISS stünde selbst bei einem kompletten Rückzug von einem der ISS-Partner nicht sofort auf der Tagesordnung. Rogosins Aussagen beschreiben kein aktuell vorhandenes Problem, sondern schüren Angst.
Wahrscheinlicher ist: Die Zusammenarbeit auf der ISS wird zunächst unverändert fortgesetzt. Das war auch während und nach der Auseinandersetzung um die Krim der Fall.
Erst vor wenigen Wochen haben die USA ihre Bereitschaft signalisiert, die ISS bis 2030 weiter zu betreiben. Gerade laufen Verhandlungen mit der russischen Raumfahrtbehörde über den Austausch von Fluggelegenheiten zur ISS. Amerikanische Astronauten sollen regelmäßig in russischen Sojus Raumschiffen zur ISS fliegen, im Tausch dafür dürften dann russische Raumfahrer im Crew Dragon von SpaceX die Raumstation anfliegen. Drei russische Kosmonauten trainieren dafür bereits in den USA.
Was den Betrieb der ISS betrifft: Ein Bodenkontrollzentrum für die ISS liegt in Houston/Texas, ein anderes bei Moskau. Sie sind für ihren jeweiligen Anteil an der Station zuständig und stimmen sich bei Themen, die die gesamte Station betreffen, miteinander ab.
Auf welchen Gebieten ist die Raumfahrt in Russland bislang mit den westlichen Staaten vernetzt?
Beispielsweise beim Bau und der Vermarktung von Raketen: Ein amerikanisch-russisches Unternehmen ist mit der internationalen Vermarktung der Startmöglichkeiten für Satelliten mit der russischen Proton-Rakete betraut.
Außerdem werden die viel genutzten amerikanischen Trägerraketen Atlas V und Antares von russischen Raketenmotoren angetrieben. Die unbemannten US-Raumfrachter der Cygnus-Reihe, welche die ISS mit Nachschub versorgen, starten an der Spitze von Antares Raketen ins All. Die Erststufe der Antares wird in der Ukraine gebaut und in sie werden russische Raketentriebwerke eingebaut. Wir haben also eine amerikanische Rakete, mit ukrainischer Erststufe in der ein russisches Triebwerk steckt. Ein Paradebeispiel für die Verflechtungen, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges in den vergangenen mehr als 30 Jahren in der Raumfahrt entwickelt haben.
Auch die amerikanischen Atlas V Raketen fliegen mit den russischen Raketenmotoren. Die Atlas verzeichnete mit diesen robusten Triebwerk noch nie einen Fehlstart. Deshalb nimmt sie gerne für den Transport von besonders wertvoller Fracht – auch der US-Rover „Perseverance“ flog im Laderaum an der Spitze einer Atlas V Richtung Mars.
Hatte die Krimkrise 2014 gar keine Folgen?
Doch, sie hatte Folgen für die Raumfahrt. Damals hat der US-Kongress beschlossen, dass militärische und staatliche Nutzlasten der USA nicht mehr mit Raketen ins All gebracht werden dürfen, die mit russischen Raketenmotoren ausgerüstet sind. Allerdings wurde eine sehr lange Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres 2022 festgeschrieben. Von russischer Seite wurde aber ebenfalls, und zwar mit sofortiger Wirksamkeit, in die Verkaufsverträge der Passus aufgenommen, dass die RD 181 Raketenmotoren nur zivile und keine militärischen Raumfahrzeuge antreiben dürfen.
Die Amerikaner versuchen auch seit Jahren, als Ersatz für das RD-181-Triebwerk den Raketenmotor BE-4 an den Start zu bringen. Der ursprünglich für 2021 vorgesehene Erstflug hat aber bislang (Stand Februar 2022) nicht stattgefunden. Der BE-4-Raketenmotor ist ein Entwicklungsprojekt von Blue Origin, dem Raumfahrtunternehmen des Amazon Gründers Jeff Bezos. SpaceX, das Raumfahrtunternehmen des amerikanischen Milliardärs Elon Musk, fliegt aber bereits seit mehreren Jahren Satelliten, auch des US-Militärs, ins All. Durch die in den USA steigende Anzahl an Startmöglichkeiten bei kommerziellen Anbietern, die eigene Triebwerke entwickeln, hat sich die Abhängigkeit der amerikanischen Raumfahrt von den russischen Raketenmotoren verringert.