Ein Grund für Herzprobleme: Das männliche Geschlecht
Das männliche Geschlecht an sich ist ein Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen. Das sagt die Professorin Elisabeth Zeisberg von der Universitätsmedizin Göttingen. Zwar spielen Lebensgewohnheiten eine Rolle, aber die Zahl der erkrankten Männer liegt deutlich über der der Frauen. Je älter die Herren werden, desto größer ist dieser Effekt. Allein durch verpasste Vorsorgeuntersuchungen, schlechtere Ernährung oder mehr Zigaretten lässt sich das nicht erklären. Männer sterben offenbar häufiger an Herzkreislauf-Problemen, einfach, weil sie Männer sind. Wie kann das sein?
Versuch an Mäusen zeigt: Männliche Mäuse starben durch Verlust des Y-Chromosoms in Blutstammzellen schneller
Bei der Lösung dieses Rätsels ist nun eine Forschungsgruppe aus den USA einen Schritt weitergekommen. Dafür haben sie mit Mäusen gearbeitet - hier haben die Männchen genau wie beim Menschen normalerweise ein X- und ein Y-Chromosom, die Weibchen hingegen zwei X. Die Forschenden haben nun Mäusemännchen gentechnisch so verändert, dass ein großer Teil ihrer Stammzellen keine Y-Chromosomen mehr enthielt. Die behandelten Stammzellen waren für die Bildung von Blutbestandteilen zuständig. Das Ergebnis: Im Blut der Mäuse kursierte eine Mischung: Einige der Zellen waren noch mit beidem - X und Y - ausgestattet, viele hatten aber nur noch ein X. Es entstand ein „Mosaik“. So nennt man es, wenn nicht alle Zellen die gleichen genetischen Informationen tragen.
So ein „Mosaik“ kennt man auch in den Blutzellen von älteren Menschen-Männern. Und es ist gar nicht so selten – 40 Prozent der über 70-jährigen haben nicht mehr in allen Blutzellen ein Y-Chromosom, mit steigendem Alter wird der Anteil noch höher.
Den Mäusen in dem Versuch ging es mit ihrem künstlichen Mosaik aus Blutzellen mit und ohne Y-Chromosomen nicht sehr gut: Ihr Herz war nicht mehr so leistungsfähig, es bildeten sich Vernarbungen, sogenannte Fibrosen, am Herz und anderen Organen. Sie starben schneller als ihre Artgenossen mit einem Y-Chromosom in jeder Zelle.
Darum starben männliche Mäuse ohne Y Chromosom schneller
Wenn sich Blutzellen ohne Y im Herzgewebe niederlassen, sorgen sie dafür, dass komplexe Prozesse des Immunsystems angestoßen werden. Bestimmte Botenstoffe werden produziert, von denen man schon länger weiß, dass sie zu einer Fibrotisierung, also Vernarbung des Organs führen. Das Herz wird steifer, es kann nicht mehr so gut pumpen, die Leistung nimmt ab, mit gefährlichen Folgen für den ganzen Organismus.
Wichtige Ergebnisse für die Männergesundheit und viele offene Fragen
Für Herz-Kreislauf-Experten und Expertinnen ist diese Studie ein wichtiger Schritt – bisher kannte man nur den statistischen Zusammenhang zwischen dem teilweisen Verlust der Y-Chromosomen im Blut und den gesundheitlichen Problemen der Männer. Wie der Mechanismus dahinter funktioniert, war noch völlig unklar.
Doch es sind noch viele weitere Fragen offen. Zum Beispiel weiß man noch nicht, welcher Abschnitt des Y-Chromosoms so wichtig ist, dass ein Fehlen zu den gefährlichen Vernarbungen führt. Interessant ist auch die Frage, wieso manche Männer ihre Chromosomen in den Stammzellen verlieren. Rauchen steht im Verdacht, einen Einfluss zu haben. Aber was ist mit der Ernährung? Bewegung? Stress?
Auch warum es offenbar ein Problem ist, wenn man ein Y-Chromosom verliert, aber nicht, wenn man nie eines besessen hat, ist noch nicht geklärt. Denn Frauen sind mit ihrem XX ja scheinbar gut aufgestellt.
Die Forschung auf diesem Gebiet dürfte durch die Ergebnisse der neuen Studie nochmal angeheizt werden. Denn das Y-Chromosom bei der Maus hat quasi die gleichen Funktionen wie beim Menschen - dass man diese Ergebnisse übertragen kann, ist also recht wahrscheinlich, so Fachleute, vor allem, weil man den statistischen Zusammenhang klar erkennen kann.
Bis es eine Behandlung oder gar Heilung dieser Prozesse gibt, die durch das fehlende Y-Chromosom in Gang gebracht werden, wird es noch einige Zeit dauern. Doch Männer, deren Blutzellen ein solches Mosaik aus fehlenden und vorhandenen Y-Chromosomen haben, könnten schon heute engmaschiger auf Veränderungen am Herz untersucht und entsprechend behandelt werden.