Im Jahr 2023 gab es in Deutschland 129.000 Scheidungen, die durchschnittliche Ehedauer betrug dabei 14,8 Jahre. Eine neue Studie von Psychologinnen und Psychologen der Unis in Mainz und Bern zeigt nun: Das Ende einer Paarbeziehung zeichnet sich meist schon ein bis zwei Jahre vor der Trennung ab. Ab einem gewissen Wendepunkt tritt ein rasanter Abfall der Beziehungszufriedenheit ein.
Zu diesem Ergebnis kamen die Forscherinnen und Forscher nach Auswertung von vier repräsentativen Studien aus Deutschland, Australien, Großbritannien und den Niederlanden. Im Gespräch mit dem SWR erklärt Studien-Mitautorin und Juniorprofessorin Janina Bühler von der Uni Mainz die Details der Untersuchung.
Phasen des Endes einer Beziehung
Jochen Steiner, SWR: Wie läuft denn das Ende einer Beziehung klassischerweise ab?
Janina Bühler: Klassischerweise, das ist jedenfalls das, was wir jetzt in diesen Studien herausgefunden haben, ist es der Fall, dass es zwei Phasen gibt. Die erste Phase ist eine sogenannte präterminale Phase, das heißt, es ist einfach erst mal so ein ganz normaler Abfall in der Beziehungszufriedenheit, den tatsächlich alle Personen erleben. Also wir werden im Schnitt alle ein kleines bisschen unzufriedener in unserer Beziehung.
Und dann - und das ist, denke ich, jetzt an der Stelle auch der spannende und interessante Punkt - gibt es einen sogenannten Transitionspunkt oder einen Wendepunkt, der ist etwa so ein bis zwei Jahre vor der Trennung. Und dann sehen wir eben eine terminale Phase. Und diese terminale Phase bedeutet, dass es einen sehr steilen Abstieg der Beziehungszufriedenheit gibt.
Und das Interessante ist, dass sobald man diesen Wendepunkt oder diesen Transitionspunkt überschritten hat, dass es dann tatsächlich auch unweigerlich auf die Trennung zuläuft.

Der Wendepunkt in einer Beziehung
SWR: Und ist das das neue, was Sie jetzt herausgefunden haben, dass es eben diesen Wendepunkt gibt, diesen „point of no return“, wo es dann wirklich nicht mehr weitergehen kann?
Bühler: Ja, ganz genau. Bisherige Studien, auch Studien von unserer eigenen Forschungsgruppe, haben sich vor allem immer die Zeitmetrik angeguckt. Das heißt ‚Zeit seit Beginn der Beziehung‘, also wann gibt es zum Beispiel einen Tiefpunkt in der Beziehung? Und der stellt sich normalerweise so nach zehn Beziehungsjahren ein.
Was jetzt aber tatsächlich an dieser Studie neu ist, ist, dass wir eine zusätzliche Zeitmetrik verwendet haben und diese Zeitmetrik ist eben die ‚Zeit bis zur Trennung‘. Und das ist auch ganz interessant von diesen Datensätzen her. Als die Personen angegeben haben, wie zufrieden sie in ihrer Beziehung sind, wussten sie natürlich noch nicht, dass sie sich später trennen werden.
Und das ist, denke ich, auch bei diesen Ergebnissen ganz entscheidend. Es ist keine retrospektive Verzerrung. Also dass man eben sagt „ja, ich wusste ja schon vor zwei Jahren, als du das und das gemacht hast, dass ich unzufriedener bin in meiner Beziehung“.
Sondern die Person geben das wirklich zu diesem Zeitpunkt an, wie zufrieden oder auch, wie unzufrieden sie sind in ihrer Beziehung. Und wir konnten dann sozusagen statistisch diese Daten auswerten, ohne da diese retrospektive Verzerrung drin zu haben.

Paartherapie – ja, nein, vielleicht?
SWR: Gerade auch vor dem Hintergrund Ihrer aktuellen Studie - und Sie sind ja eben auch Paartherapeutin - wann macht denn eine Paartherapie Sinn und wann vielleicht auch einfach nicht mehr?
Bühler: Also ich würde sagen aus der paartherapeutischen Sicht ist es tatsächlich so, dass eine Paartherapie immer Sinn macht. Natürlich je früher, desto besser. Weil, das haben diese Studien jetzt auch gezeigt, sobald dieser Transitionspunkt oder dieser Wendepunkt erreicht ist, ist es einfach schwieriger, was zu machen und was zu unternehmen.
Und wir wissen auch tatsächlich aus anderen Studien, ich hatte das vorhin schon erwähnt, dass es diesen Tiefpunkt gibt, der sich nach etwa zehn Beziehungsjahren einstellt. Und wenn wir jetzt eine Skala nehmen von null bis zehn, wissen wir, dass dieser Tiefpunkt ungefähr bei sieben-ein-halb liegt. Also ganz genau bei 7,7.
Dieser Tiefpunkt ist erstmal nicht kritisch für die Beziehung. Kritisch, und das wissen wir auch anderen Studien, wird es, wenn es einen Wert von 6,5, also 65 Prozent des maximal möglichen erreicht.
Das heißt ein ganz praktischer Tipp, den ich tatsächlich auch gerne meinen Klienten und Klientinnen mitgebe, ist mal so ein Tagebuch für sich zu führen und sich zu fragen auf einer Skala von null bis zehn: Wie zufrieden bin ich denn in der Beziehung? Und wenn es da bei einer sieben legt oder auch bei einer acht ist es erst mal nicht problematisch.

Wann die Zufriedenheit in Paarbeziehungen zum problematischen Faktor werden kann
Bühler: Wenn die Zufriedenheit einen Wert von 6,5 oder von sechs erreicht, dann muss man unbedingt handeln, beziehungsweise man sollte idealerweise schon davor handeln.
Und es ist jetzt nicht schlimm, wenn man einmal weniger zufrieden ist in der Beziehung oder wenn man sich zum Beispiel irgendwie gestritten hat oder gerade eine Unzufriedenheit erlebt. Dann ist es auch gerne normal, oder wir sagen auch irgendwie ganz normativ, dass man weniger zufrieden ist in der Beziehung.
Problematisch wird es aber tatsächlich, wenn sich das über eine lange Zeit einstellt. Und ich würde jetzt wirklich nicht sagen, dass es an irgendeinem Punkt absolut zu spät ist für eine Paartherapie. Im Idealfall sollte es natürlich so sein, dass eine Paartherapie dazu führt, dass das Paar zusammenbleibt.
Aber ein Ziel von Paartherapie kann tatsächlich auch sein, dass beide erkennen, dass es in dieser Beziehung nicht weitergeht, und es ist das Beste ist, dass man sich trennt. Und wie kann dann auch so eine Trennung einvernehmlich und gut verlaufen?
Und ich glaube, an der Stelle kann eben auch eine Paartherapie sehr relevant und auch sehr interessant sein. Und wenn es wirklich das Ziel ist, die Beziehung zu retten und in der Beziehung zu bleiben, dann wäre schon das Credo: Je früher, desto besser.