Apps zur Kontaktverfolgung

Wie Veranstaltungen trotz Corona-Pandemie stattfinden könnten

Stand
Autor/in
Markus Volk
Onlinefassung
Merle Janssen

Inzwischen gibt es technische Lösungen wie Apps oder sogenannte Tracing-Transponder, um Veranstaltungsbesucher nachzuverfolgen und Kontaktpersonen gezielt zu warnen, wenn Corona-Infektionen gemeldet werden. Sind so Konzerte und Festivals bald möglich?

Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Nachverfolgungssystemen: Tracking-Systeme und Tracing-Systeme. Der Unterschied: Beim Tracking werden die genauen Bewegungsmuster von Personen in Echtzeit aufgenommen, beim Tracing nur die wichtigsten Daten gesammelt. Aus Datenschutzgründen kommen deswegen fast ausschließlich Tracing-Methoden zum Einsatz.

Praktikabel: Sticker auf Eintrittskarten

Eine solche Tracing-Methode ist das System Tavi der Firma Race Result. Wie das System auf Großveranstaltungen funktioniert, erklärt Sprecher Dennis Meckler: Jeder der Teilnehmenden bekomme einen kleinen Aufkleber, den sogenannten Transponder. Der kostet unter einem Euro pro Person und, aus Veranstaltersicht ein wichtiges Kriterium, muss hinterher nicht eingesammelt werden.

Transponder an Schlüsselbänder für die Corona-Nachverfolgung
Ein denkbares Szenario: Besucher*innen einer Veranstaltung tragen an einem Schlüsselband einen sogenannten Transponder, der Daten übermittelt, wann sich der Tragende in welchem Raum aufgehalten hat. Von der Maskenpflicht wird das wohl nicht befreien.

Die Transponder in Stickerform kleben beispielsweise an der Eintrittskarte oder hängen von einem Schlüsselband um den Hals. Es braucht aber noch ein Gegenstück zu diesen Transpondern, wie Meckler weiter ausführt: "Und dann haben wir ein Erfassungsgerät, das hängt am Besten in jedem Raum oder in jedem Bereich, wo sich Menschen längere Zeit bewegen können. Wann hat der Transponder diesen Bereich betreten und wann hat er ihn verlassen?"

Aus allen Besucher*innen nur die Kontaktpersonen ermitteln

Das Konzept, den Aufenthalt in einzelnen Bereichen zu erfassen, hat für Meckler einen Vorteil: Es können gezielt diejenigen Personen benachrichtigt werden, die sich über längere Zeit im selben Bereich wie jemand positiv getestetes aufgehalten haben. Andersherum:

"Der riesen Vorteil ist, dass ich auch hunderte andere Leute ausschließen kann, wo ich weiß, mit denen hat er sich nicht getroffen."

Geeignetes System ist von den Räumlichkeiten abhängig

Die Erfassungsboxen sind dann am Ein- und Ausgang jedes Raumes platziert. Das System ergibt also vor allem bei sehr großen Veranstaltungen mit mehreren Räumen Sinn. Für einen einzigen großen Veranstaltungssaal schlägt Meckler vor, diesen in Sektoren mit separaten Eingängen zu unterteilen. Doch auch bei verschiedenen Bereichen sind die Personen faktisch im selben Raum und wer wirklich mit wem gesprochen hat, ist nicht nachvollziehbar.

In der Messehalle in Essen wartet ein Paar auf die Covid-19-Impfung
Deutschlandweit wurden in Messehallen Impfzentren eingerichtet. In der Corona-Situation sind Messen im Sommer allenfalls denkbar, wenn es geeignete Konzepte gibt, um Kontaktpersonen nachzuverfolgen.

Datenaustausch unter den Gästen ist informativer als zentrale Erfassung

Dagegen lassen sich mit "aktiven" Transpondern die Kontakte besser nachvollziehen. Die aktiven Transponder kommunizieren untereinander statt mit zentralen Stationen. Die Transponder sind hier kleine Bluetooth-Geräte. Diese brauchen eine eigene Batterie und sind dadurch teurer als die "passiven" Transponder, die bei Tavi zum Einsatz kommen. Sie sind wiederverwendbar, kosten aber 10 bis 30 Euro - und müssen hinterher wieder eingesammelt werden.

Die Preisfrage stellt sich aber auch bei Race Result. Denn jedes Paar der Race-Result-Empfängerboxen kostet 2800€. Einen Saal zu unterteilen, wird entsprechend teuer. Die Transponder für etwa 1€ können einfach auf den Ticketpreis aufgeschlagen werden. Die Boxen wären für die sowieso schon gebeutelte Veranstaltungsbranche aber ein großer Posten.

Die Corona-Warnapp

Aber eigentlich haben viele schon so einen Transponder in der Tasche: das Smartphone. Das nutzen die meisten anderen Systeme, beispielsweise die Corona-Warnapp. Die App kann jeder kostenlos herunterladen, der ein Smartphone besitzt. Wie SWR-Reporterin Olga Henich erklärt, vernetzt sich das Handy über Bluetooth mit anderen Geräten in der Umgebung. Nutzer, die sich für eine bestimmte Zeit nebeneinander aufhielten, würden durch die App anonymisierte Daten über Dauer und Abstand austauschen – "ihre Identität bleibt dabei geheim", so Henich.

Corona-Warnapp und Luca-App
Sowohl die Corona-Warnapp als auch die Luca-App dienen der Kontaktverfolgung. Der Umgang mit Daten unterscheidet sich bei den Apps.

Die Luca-App

Einen anderen Weg geht die ebenfalls kostenlose App Luca. Hier kommunizieren gar keine Geräte miteinander. Rapper Smudo von den fantastischen Vier steht Pate für die App und für ihn ist Luca eine digitale Form jener Zettel, auf denen Restaurantbesucher 2020 ihre Namen und Telefonnummern hinterlassen mussten.

Luca ist im Prinzip die Volldigitalisierung dessen, was wir Dokumentationspflicht nennen.

Kam es im vergangenen Sommer zu einem Infektionsfall, hätte sich das Gesundheitsamt "den Schuhkarton mit den Zetteln" im entsprechenden Restaurant abholen müssen, um händisch die übrigen Gäste über ihr Risiko zu benachrichtigen, so Smudo. Name und Telefonnummer sind in der Corona-Warnapp gar nicht enthalten, um datenschutzkonform zu sein. Im Fall der Luca-App liegen laut Smudo alle relevanten Daten, d.h. Check-In, Check-Out und einige persönliche Daten, ausschließlich auf dem eigenen Handy vor. Um die Daten lesen zu können, müsse das Gesundheitsamt einen Schlüssel beim Nutzer anfragen.

Im Restaurant seine Kontaktdaten für eine eventuelle Corona-Nachverfolgung zu hinterlassen, erwies sich als untauglich.
Im Restaurant seine Kontaktdaten für eine eventuelle Corona-Nachverfolgung zu hinterlassen, erwies sich als untauglich. Die App Luca ist eine digitale Form dessen.

Wenn es zu einem Infektionsfall kommt, muss kein Schuhkarton mit Zetteln mehr eingesammelt werden, sondern dann geht das quasi per Knopfdruck. Wenn die User erlauben, dass man auf ihre Daten zugreifen kann, dann hat das Gesundheitsamt die Daten direkt bei sich auf dem Schreibtisch.

Niemanden zu einer App zwingen - geschweige denn zu einem Smartphone

Ein großes Problem gibt es aber für alle App-Lösungen: Nicht jeder hat ein Smartphone und niemand kann gezwungen werden, sich eine der Apps zu installieren. Dagegen sprechen sich auch viele Veranstaltende aus.
Für die bleibt am Ende doch nur eine der teuren Lösungen. Und die Frage, ob Besucherinnen und Besucher auch bereit wären, mehr Geld für eine Eintrittskarte in die Hand zu nehmen.

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Merle Janssen