Veterinärmedizin

Diese Nutz- und Haustiere können sich mit dem neuen Coronavirus infizieren

Stand
Autor/in
Thomas Samboll
Onlinefassung
Ralf Kölbel

Auch Tiere können sich mit Coronaviren infizieren. Welche Rolle bei der Übertragung der Erreger Schweine oder Hühner spielen könnten, wird auf einer Insel in der Ostsee erforscht.

Eine Tigerin im New Yorker Bronx-Zoo, zwei Hunde und Katzen in Hongkong und im belgischen Lüttich – zuletzt gab es immer wieder einzelne Meldungen, nach denen sich auch Tiere mit dem neuen Coronavirus angesteckt haben.

Katzen können sich bei Menschen mit Coronaviren infizieren

Bezüglich der Frage, ob das Virus auch von infizierten Haustieren wieder zurück auf Menschen überspringen kann, haben Wissenschaftler inzwischen weitgehend Entwarnung gegeben. Sie halten die Gefahr einer Infektion oder Weiterverbreitung des Erregers von Katzen oder Hunden auf den Menschen für relativ gering:

  • Hunde sind nach bisherigen Kenntnissen nicht empfänglich für das neuartige Coronavirus SARSCoV-2 und können das Virus daher auch nicht übertragen.
  • Studien zeigten, dass sich Katzen experimentell infizieren lassen, das Virus ausscheiden und andere Katzen infizieren können. Eine Übertragung von Katzen auf Menschen gilt als eher unwahrscheinlich.

Forscher des Friedrich-Löffler-Instituts raten allerdings:

„Personen, die an COVID-19 erkrankt bzw. mit SARSCoV-2 infiziert sind, sollten möglichst keinen engen Kontakt zu Haustieren, insbesondere Katzen und Frettchen haben. Haustiere, die mit einem Menschen, bei dem eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen wurde, im selben Haushalt leben und daher wahrscheinlich dem Virus ausgesetzt waren, sollten während der häuslichen Isolierung des infizierten Menschen im Haushalt bleiben. Wenn möglich sollte sich ein anderes, nicht infiziertes/erkranktes Haushaltsmitglied um das Tier kümmern. Es sollte möglichst vermieden werden, dass durch Abgabe der Tiere das Virus in andere Haushalte oder beispielsweise Tierheime verbreitet wird. “

Auch Katzen können sich mit Coronaviren infizieren. Dass Katzen das Virus auch umgekehrt auf Menschen übertragen können, gilt nach aktuellem Stand als eher unwahrscheinlich.
Auch Katzen können sich mit Coronaviren infizieren. Dass Katzen das Virus auch umgekehrt auf Menschen übertragen können, gilt nach aktuellem Stand als eher unwahrscheinlich.

Tierseuchenforschung auf einsamer Ostseeinsel

Auf der abgelegen Ostseeinsel Riems hat man schon seit über 100 Jahren buchstäblich die Seuche. Deshalb ist das kleine Eiland im Greifswalder Boddens auch Sperrgebiet. Abgeschirmt hinter Zäunen und Stacheldraht liegt hier das 1910 gegründete Friedrich-Löffler-Institut.

In dessen Hochsicherheitslaboren experimentieren über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit gefährlichen Viren und anderen Krankheitserregern: Maul- und Klauenseuche, Schweinepest, „Rinderwahnsinn“ BSE, Vogelgrippe – alles, was Nutztieren schaden kann, haben sie auf Riems schon unter die Lupe genommen. Und nun also das neuartige Coronavirus.

Im Quarantänestallgebäude des Friedrich-Loeffler-Instituts auf Riems ist der Zutritt für Unbefugte verboten.
Im Quarantänestallgebäude des Friedrich-Loeffler-Instituts auf Riems ist der Zutritt für Unbefugte verboten.

Schweine sind eine „Fundgrube“ für Krankheitserreger.

So wurden dort unter anderem 20 Hühner und 12 Schweine auf eine mögliche Infektion mit dem SARS-Coronavirus-2 getestet. Dabei wurden insbesondere Lunge, Leber, Gehirn und andere Organe der Tiere genauer untersucht. Gerade Schweine gelten als eine Art „Fundgrube“ für Krankheitserreger. Deshalb sind sie für die Forscher auch besonders spannend: Schweine können sich mit einer ganzen Reihe von Viren infizieren. Unter anderem auch mit Influenzaviren (also Grippeviren) aus ganz verschiedenen Bereichen. Ob die Viren vom Mensch kommen oder vom Vogel oder von wo auch immer.

Das Schwein ist ein sogenanntes „Misch-Gefäß“, ein „mixed vessel“, und wird deswegen auch immer sehr stark untersucht.“

Wildschweine im Freilauf des Quarantänestallgebäudes am Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems.
Wildschweine im Freilauf des Quarantänestallgebäudes am Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems.

Auch Belugawale können sich mit Coronaviren infizieren

Zum Erreger-Misch-Masch im Schwein gehörten auch schon immer Coronaviren. Das sei aber nicht das, was aktuell für Aufregung sorgt, betont die Biologin Elke Reinking. Es gebe eine ganze Reihe von Coronaviren. Fast jede Tierart hat ihr eigenes Coronavirus, sogar zum Beispiel auch der Belugawal! Bei Schweinen können Coronaviren auch eine epidemiehafte Durchfallerkrankung hervorrufen. Aber das habe, so die Biologin Elke Reinking, mit dem SARS-Corona-2-Virus nichts zu tun. Das sei zwar eine Familie, aber die Viren würden sich doch sehr unterscheiden.

Viren nutzen bei Schweinen, Menschen, Katzen und Frettchen gleichen Öffnungscode

Aber noch etwas macht gerade Schweine so besonders – und damit scheinbar auch wie Menschen besonders anfällig für den neuen Erreger: Die Eingangstür, durch die das Virus versucht, in die Körperzelle einzudringen – sie hat bei Schweinen und Menschen denselben Öffnungscode.

Wichtig sind dabei nach aktuellen Erkenntnissen fünf Aminosäuren, die das Zentrum zu sein scheinen, an dem dann dieses Virus andockt. Und diese fünf Aminosäuren sind beim Menschen, beim Schwein, bei der Katze und beim Frettchen gleich. Von daher hatte man vermutet, dass eigentlich auch das Schwein infizierbar sein müsste mit dem SARS-Corona-2-Virus.

Schweine sind für Tierveterinäre interessante Untersuchungsobjekte, weil Coronaviren bei ihnen an den gleichen Rezeptoren andocken wie bei Menschen.
Schweine sind für Tierveterinäre interessante Untersuchungsobjekte, weil Coronaviren bei ihnen an den gleichen Rezeptoren andocken wie bei Menschen.

Schweine und Hühner nicht empfänglich für neues Coronavirus

Aber, so Institutsleiter Thomas Mettenleiter:


„Weder Schweine noch Hühner haben sich als empfänglich herausgestellt. Und das deckt sich auch mit Untersuchungen unserer Kolleginnen und Kollegen aus China.“

Bei Hühnern hat das Virus dagegen auf jeden Fall keine gültige Eintrittskarte, um Zellen zu infizieren. Das Federvieh hat nur zwei der fünf wichtigen Aminosäuren, die der Erreger vermutlich zum Andocken braucht. Von daher lässt sich die Corona-Abwehr bei Hühnern relativ leicht erklären.

Aber warum hat der neue Erreger auch beim Schwein keine Chance, obwohl es zunächst so aussah, als würde diese Andockstelle so aussehen wie beim Menschen? Die Biologin Elke Reinking hat eine Vermutung:

„Es könnte sein, dass vielleicht für das erfolgreiche Andocken noch so ein sogenannter Co-Rezeptor wichtig ist, der beim Mensch vorliegt, beim Schwein aber nicht, damit das „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ zwischen dem Virus, was eindringen will, oder die Oberflächenstruktur des Virus und die Wirtszelle zusammenpassen. Und wenn da dann kleine Unterschiede drin sind, dann passt der Schlüssel halt nicht mehr ins Schloss! Und somit ist dann letztendlich dem Virus der Zutritt zur Zelle verwehrt. Aber das ist noch nicht erforscht.“

Schweine haben ähliche Rezeptoren, an denen das neue Coronavirus andocken kann, wie wir Menschen. Warum sie sich dennoch nicht damit infizieren, gibt den Forschern Rätsel auf.
Schweine haben ähliche Rezeptoren, an denen das neue Coronavirus andocken kann, wie wir Menschen. Warum sie sich dennoch nicht damit infizieren, gibt den Forschern Rätsel auf.

Zu Pferden und Kühen gibt es noch keine Erkenntnisse

Die Virus-Abwehr von Schweinen gibt den Forschern also noch einige Rätsel auf. Bislang spricht aber alles dafür, dass sie sich von dem neuen Erreger genauso wenig anstecken lassen wie Hühner. Ob das z.B. auch für Pferde und Rinder gilt, ist noch unklar: Da wisse man auch noch relativ wenig über die Rezeptoren, die Einlasspforte, wo ein Virus in seinem Wirtstier an den Zellen andockt.

Trotzdem: Corona-Experimente mit Pferden waren im Friedrich-Löffler-Institut bisher tabu. Und werden es auch bleiben, Seuchengefahr hin oder her. Da ist sich Biologin Elke Reinking ganz sicher:


„Also Pferde auf gar keinen Fall! Das ist eine ethische Frage, die wir uns natürlich immer stellen, wenn Tierversuche gemacht werden sollen. Und da hängt es auch immer davon ab, welche Rolle würde man diesem Tier dann gegebenenfalls in der Verbreitung einer solchen Infektionskrankheit zuschreiben. Sprich: Wie eng ist der Kontakt vom Mensch zu diesen Tieren, wieviele gibt es und so weiter und so fort. Rinder müsste man mal schauen, aber wir sind im Moment halt mit der Auswertung der anderen Studie noch sehr gut beschäftigt.“

Ob sich Pferde mit dem neuen Coronavirus infizieren können, ist bislang nicht erforscht. Dagegen gibt es allerdings auch ethische Bedenken.
Ob sich Pferde mit dem neuen Coronavirus infizieren können, ist bislang nicht erforscht. Dagegen gibt es allerdings auch ethische Bedenken.

Flughunde und Frettchen empfänglich für Coronaviren

Neben Hühnern und Schweinen haben die Wissenschaftler auf der Insel Riems auch Frettchen und Flughunde versuchsweise mit dem neuen Coronavirus infiziert. Flughunde gehören zu den Fledermäusen. Deshalb schauen die Forscher auch hier ganz genau hin, erklärt Institutsleiter Thomas Mettenleiter:

„Der Erreger SARS-Coronavirus-2 kommt ja höchstwahrscheinlich aus einem Fledermausreservoir in China. Das ist zwar eine andere Spezies, das sind Hufeisennasen-Fledermäuse. Aber insgesamt interessiert uns hier, wie die Fledermaus mit solchen Erregern umgeht. Das heißt, wie kann es eigentlich dazu kommen, dass sich diese Erreger in der Fledermaus als Reservoir halten können?

Sie vermehren ihn aber weit weniger gut als z.B. die Frettchen! Frettchen lassen sich auch von SARS-Coronavirus-2 infizieren! Und sie können auch Artgenossen anstecken. Das heißt, wir haben hier ein Tiermodell, das die Infektion des Menschen bis zu einem gewissen Grad widerspiegelt!“

Frettchen können sich mit dem neuen Coronavirus infizieren und auch an Artgenossen weitergeben. Das könnte auch wichtige Erkenntnisse für die weitere Erforchung der Corona-Pandemie bringen.
Frettchen können sich mit dem neuen Coronavirus infizieren und auch an Artgenossen weitergeben. Das könnte auch wichtige Erkenntnisse für die weitere Erforchung der Corona-Pandemie bringen.

Das Forschungsinstutut auf der Insel Riems gehört zu den wenigen Laboren in Deutschland, die so aufwändig gesichert sind, dass sie solche gefährlichen Tests durchführen können. Auch wenn die Seuchenforscher selber hier keine Anti-Corona-Medikamente und Impfstoffe entwickeln – ihre Studien könnten die Forschung daran weiter beschleunigen und helfen, auch viele Menschen vor dem neuartigen Virus zu schützen.

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Thomas Samboll
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Ralf Kölbel