Es war die größte Pleite für den Flugzeugbauer Boeing überhaupt. Nach dem Absturz von zwei neuen Flugzeugen vom Typ 737-Max mit insgesamt 346 Toten vor rund zwei Jahren kamen viele Dinge heraus, die das Image der bis dahin als extrem zuverlässigen geltenden Firma ramponiert haben. Boeing hatte aus Kostengründen an der Sicherheit gespart, in seinen Jets eine neue Software installiert - dies aber nicht kommuniziert, um kostspielige Piloten-Schulungen zu vermeiden. Auch deswegen hatten es die Cockpit-Crews beider Unglücks-Jets nicht geschafft, gegen die immer wieder falsch eingreifende Automatik anzufliegen.
In der Folge wurde dem Typ vor zwei Jahren weltweit die Zulassung entzogen. Seit November dürfen die Flugzeuge in den USA wieder starten. In Europa wurde die 737-Max diese Woche wieder zugelassen.
Eigenes Sicherheitssystem für Europa
Zum ersten Mal hat sich die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA nicht auf die Amerikaner verlassen und die 737 Max selbst zertifiziert. Unter anderem deswegen bekommt das Flugzeug in Europa eine Änderung verpasst, die Schwestermodelle in den USA auch künftig nicht haben: Pilot:innen können den sogenannten Stickshaker mit einem Schalter über ihrem Kopf abschalten. Dieses System ist so was ähnliches wie ein Bremspedal im Auto, das bei einer Bremsung mit ABS pumpt, es verursacht ein Rütteln am Steuerknüppel, wenn die Bordcomputer der Meinung sind, das Flugzeug würde zu steil nach oben und damit in einen Strömungsabriss fliegen.
Dieser Alarm hatte bei den Unglücksflügen der 737 Max versagt. Boeing musste ihn überarbeiten. Ansonsten bekommt das Flugzeug jetzt andere Kabel fürs Höhenruder, zwei Sensoren statt bisher einem für die Fluglage und die entsprechende Software, welche die Piloten alarmiert, wenn sich die Werte unterscheiden – bisher war das ein aufpreispflichtiges Extra.
Piloten und Pilotinnen behalten die Kontrolle
Zum Abgleich geplant ist zudem ein dritter – virtueller – Sensor, der die Fluglage aus Daten wie Geschwindigkeit über dem Boden, GPS-Daten und anderen Informationen errechnet. Dieser weitere Sensor soll später nachgerüstet werden. Vorgeschlagen hat ihn unter anderem der Flugsicherheitsexperte Captain Sullenberger, bekannt durch seine spektakuläre Landung auf dem Hudson in New York. Das Wichtigste aber: Das Boeing-Flugsteuerungssystem MCAS kann nur noch automatisch eingreifen, wenn die Sensor-Daten übereinstimmen und: Der Pilot kann es künftig übersteuern. Die automatischen Korrekturen erfolgen zudem nur noch einmal und auch nur unter ganz bestimmten Bedingungen.
Auf der Boeing-Website heißt es wörtlich:
Die Flieger von Lion Air und Ethiopian Airways waren unter anderem deswegen abgestürzt, weil die Piloten gegen die permanent nachsteuernde Automatik nicht ankamen – und auch gar nicht darüber informiert waren, dass Boeing so ein System eingebaut hatte. Jetzt müssen 737 MAX Piloten intensiv geschult werden, auch die Handbücher werden komplett überarbeitet."
Schlampereien beim Bau der 737-Max
Boeing gibt auch indirekt zu, dass wohl beim Bau einiger Jets geschlampt wurde. Auf der Website heißt es nämlich: Bei der Fertigung können versehentlich Fremdkörper in die Maschine gelangen. Das sei bei routinemäßigen Wartungsarbeiten aufgefallen. Wie auch immer: Dieser Dreck soll jetzt entfernt werden – alle Flugzeuge werden daraufhin untersucht. Nur über eine Änderung informiert Boeing quasi nebenbei: die Flugzeuge werden in vielen Boeing-Texten jetzt je nach Ausführung nur noch 737-8 und 737-9 genannt – das MAX wurde gestrichen.