Tipps einer Expertin

Autounfall: Hier ist das Verletzungsrisiko besonders hoch

Stand
Interview mit
Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer.
Das Interview führte
Christine Langer
Onlinefassung
Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.

Gurte, Airbags und Warnsysteme schützen im Fall eines Autounfalls. Doch nicht alle Menschen sind gleich gut geschützt - hier spielen Alter, Geschlecht und Körpergröße eine Rolle. Tipps für mehr Sicherheit von einer Expertin.

Wer ist bei einem Autounfall besonders gefährdet? Das erklärt Kirstin Zeidler im Gespräch mit dem SWR-Wissensmagazin "Impuls". Zeitler ist Leiterin der Unfallforschung der Versicherer.

Alter bestimmt über Verletzungsrisiko bei Autounfällen

SWR Impuls: Eines ihrer Ergebnisse ist: Wer älter als 50 Jahre ist, bei dem ist das Verletzungsrisiko im Auto 3,5 Mal so hoch wie bei den Jüngeren. Wie kommt das? 

Kirstin Zeidler, Unfallforschung der Versicherer: Das liegt daran, dass ältere Personen nicht mehr die gleiche Knochendichte mitbringen wie jüngere. Sie haben nicht mehr die gleiche Muskelkraft und manchmal spielen auch Vorerkrankungen eine Rolle.

Wenn es zum Unfall kommt, ist das Verletzungsrisiko erheblich höher als bei jüngeren - und zwar in jedem Crash-Szenario. 

Ältere Menschen tragen bei Autounfällen ein höheres Verletzungsrisiko.
Ältere Menschen tragen bei Autounfällen ein höheres Verletzungsrisiko.

SWR Impuls: Welche Verletzungen sind das dann? 

Kirstin Zeidler: Überwiegend sind das schwere Brustkorbverletzungen, die so schwer ausfallen können, dass man Langzeitfolgen davontragen kann - oder tatsächlich bis hin zum tödlichen Ausgang. 

Brustkorbverletzung durch Gurt: Crashtest-Forschende wollen Risiko senken

SWR Impuls: Solche Brustkorbverletzungen, die können vom Gurt kommen oder vielleicht auch vom Airbag. Autos sind ja eigentlich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer sicherer geworden. Warum gibt es trotzdem diese teils schweren Verletzungen? 

Kirstin Zeidler: Gurte sind das A und O - sie retten Leben. Aber wir können inzwischen noch einen Schritt weitergehen und auch schwere Verletzungen verhindern. Das ist unser Anliegen.

Wir haben inzwischen die Technik, dass Sensoren die Unfallschwere erkennen können, die unmittelbar bevorsteht, und diese Informationen an die Rückhaltesysteme weitergeben und die maximale Kraft aus dem Brustkorb nur dann ausgeübt wird, wenn es wirklich ein schwerer Crash ist, bei dem es um Leben und Tod geht.

Wenn es aber um moderate Unfälle geht, sollten die Rückhaltesysteme etwas weniger Kraft aufwenden und der Airbag den Rest auffangen, sodass die Kraft, die auf den Brustkorb einwirkt, geringer ist und nicht immer mit maximaler Intensität wirkt.

Die Unfallforschung der Versicherer hat in einem mehrjährigen Forschungsprojekt untersucht, welche Faktoren das Verletzungsrisiko bei Autounfällen beeinflussen.
Die Unfallforschung der Versicherer hat in einem mehrjährigen Forschungsprojekt untersucht, welche Faktoren das Verletzungsrisiko bei Autounfällen beeinflussen.

Verletzungsrisiko bei Autounfällen ist vom Geschlecht abhängig

SWR Impuls: Ihre Untersuchung zeigt auch: Frauen sind bei Unfällen deutlich gefährdeter als Männer. Woran liegt das? 

Kirstin Zeidler: Das kann man so pauschal gar nicht sagen. Wir haben festgestellt, dass Frauen sich zwar häufig schwer verletzen, aber die Ursachen differenziert sind.

Frauen sitzen sehr häufig in Kleinwagen, deutlich mehr als Männer. Und Kleinwagen sind gefährdeter als große, schwere Fahrzeuge.

Dann kommt dazu, dass Frauen auch häufiger auf dem Beifahrersitz sitzen als auf dem Fahrersitz. Und der Beifahrersitz ist, das haben wir herausgefunden, 1,5 Mal so gefährdet wie der Fahrersitz.

Und dann kommt noch eine dritte Facette dazu, und da sind wir tatsächlich dann beim Geschlecht: Wir haben festgestellt, dass Frauen auf dem Beifahrersitz ein doppelt so hohes Verletzungsrisiko haben wie Männer.

Wir schreiben das hier primär der Körpergröße zu, sehen aber in dem Bereich noch intensiveren Forschungsbedarf. Da ist noch nicht alles erforscht, auch unser Projekt konnte nicht alles an Ergebnissen liefern. Aber wir glauben, dass das Verletzungsrisiko sehr stark mit der Körpergröße korreliert.

Tipps für den Autokauf - so minimieren Sie das Verletzungsrisiko

SWR Impuls: Was raten Sie denn kleinen Personen beim Autofahren? 

Kirstin Zeidler: Wenn Sie beispielsweise ein Auto kaufen, sollten Sie sich für ein Auto entscheiden, was Ihnen möglichst viel Beinfreiheit gibt. Das heißt, der Abstand zwischen Knie und Cockpit sollte so groß wie möglich sein.

Der zweite Tipp ist, dass Sie die Gurte so einstellen, dass sie wirklich ideal sitzen. Das gilt für alle Sitze im Auto. Wir haben nicht überall höhenverstellbare Gurte, das wäre übrigens auch noch eine Empfehlung, wenn Sie ein Auto kaufen: Achten Sie auf höhenverstellbare Gurte.

Stellen Sie die wirklich so ein, dass der Gurt gut sitzt. Das heißt, mittig über der Schulter und auch straff anliegend. Sitzen Sie dann aufrecht und übernehmen Sie nicht die Sitzvoreinstellung des Vorgängers, sondern stellen Sie es wirklich so ein, dass Sie gut sitzen und der Gurt auch straff sitzt.

Ist der Autogurt optimal eingestellt, so ist das Risiko einer Brustverletzung bei einem Autounfall geringer. Expertin Kirstin Zeidler rät: Beim Autokauf auf einen höhenverstellbaren Gurt achten. Das reduziert das Verletzungsrisiko.
Ist der Autogurt optimal eingestellt, so ist das Risiko einer Brustverletzung bei einem Autounfall geringer. Expertin Kirstin Zeidler rät: Beim Autokauf auf einen höhenverstellbaren Gurt achten.

Vor dem Autokauf - Expertin empfiehlt diese Sicherheitsüberprüfung

SWR Impuls: Was muss denn jetzt passieren, damit Ihre Ergebnisse und Ihre Empfehlungen auch ganz praktisch in den Autos landen und umgesetzt werden? 

Kirstin Zeidler: Wir sprechen uns dafür aus, dass die Assistenzsysteme, die heute verfügbar sind, auch wirklich flächendeckend zum Einsatz kommen. Sie haben nicht in allen Wagen die gleiche Ausstattung mit Assistenzsystemen, wir fordern hier mehr als gesetzlich vorgeschrieben ist.

Wir rufen die Verbraucher auf, beim Kauf auf die Sicherheitsausstattung zu achten - also nicht nur zu schauen, gefällt mir das Auto, sondern auch was bringt es wirklich an Sicherheit mit.

Es gibt die Verbraucherschutzorganisation Euro NCAP, da kann man sich auf der Website anschauen, wie die Sicherheitsausstattung in einzelnen Modellen ist. Es werden Sterne vergeben, an denen kann man sich als Verbraucher zum Beispiel gut orientieren, wenn man ein Auto kauft. 

Bessere Crashtest-Dummys könnten Verletzungsrisiko bei Autounfällen senken

SWR Impuls: Bei Crashtests kommen Dummys zum Einsatz und auch bei diesen Dummys soll sich was ändern. Was fordern Sie? 

Kirstin Zeidler: Wir haben Dummys, die schon seit ungefähr 30 Jahren im Einsatz sind. Die sind auch sehr gut, aber sie bilden die alternde Gesellschaft nicht ausreichend ab.

Um das Verletzungsrisiko bei Autounfällen einzuschätzen, werden Dummys verwendet. Doch diese sind für manche Personengruppen - zum Beispiel ältere Menschen -oft nicht repräsentativ.
Um das Verletzungsrisiko bei Autounfällen einzuschätzen, werden Dummys verwendet. Doch diese sind für manche Personengruppen - zum Beispiel ältere Menschen - oft nicht repräsentativ.

Es gibt inzwischen modernere Dummygenerationen, die ein sehr viel sensibleres Messverhalten gerade im Brustkorbbereich haben. Das brauchen wir für die Älteren. Aber diese Dummys sind noch nicht flächendeckend im Einsatz. 

Und wir müssen Dummys noch weiterentwickeln: Wir brauchen hier noch mal ein feineres Messinstrument im Brustkorbbereich. Vor allen Dingen brauchen wir Grenzwerte, die sagen: 'Okay, wenn hier eine Person sitzt, dann müssen die Messwerte wie folgt aussehen.' Und danach richten sich dann auch die Rückhaltesysteme und die Gurt-Einstellungen und alles, was rund um die Sicherheit im PKW vonnöten ist.

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Impuls SWR Kultur

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Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.