Weltraum

Erstaunlich: Es gibt wohl mehr erdähnliche Planeten im All als gedacht

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Autor/in
Pascal Kiss
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Lilly Zerbst
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Zum ersten Mal haben Forschende aus Heidelberg wichtige Bausteine für die Entstehung von erdähnlichen Planeten und von Leben in einer der unwirtlichsten Gegenden unserer Milchstraße entdeckt.

Gibt es Leben im Weltall, auf einem Planeten ganz ähnlich wie der Erde? Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg hat nun erstmals Staub, Wasser und organische Moleküle in der Umgebung massereicher Sterne gefunden. Es sind wichtige Bausteine für die Entstehung von erdähnlichen Planeten und von Leben. Die Forschenden vermuten daher, dass unser Weltraum mehr erdähnliche Planeten beheimatet als bisher gedacht – und damit auch mehr Regionen, in denen Hinweise auf potentielles Leben gefunden werden könnten.

"Es ist das erste Mal, dass wir Wasser und kohlenstoffreiche Moleküle in einer solchen Umgebung finden. Das ist sehr wichtig. Denn wir wissen, dass die meisten Sterne, auch unserer Sonne in unserem Sonnensystem, in solchen extremen Umgebungen entstanden sind.“

Bausteine für erdähnliche Planeten in XUE-1

Die Entdeckung gelang mit dem James-Webb-Weltraumteleskop. Mit ihm blickten die Astronomin Claudia Ramírez-Tannus und ihr Team in 5500 Lichtjahren Entfernung auf einen Bereich der Milchstraße, in dem sonnenähnliche Sterne geboren werden. Solche junge Sterne sind häufig von Scheiben aus Staub und Gas umgeben. Können sich hieraus auch Planeten wie unsere Erde bilden? Ja, sagt das Heidelberger Forschungsteam: Sie haben sich eine solche Scheibe, genannt XUE-1, genau angeschaut und dort unter anderem auch Blausäure gefunden.

Blausäure ist für komplexe Lebensformen zwar hochgiftig. Die Forschenden vermuten aber, dass das Molekül eine große Rolle bei den allerersten Schritten in der Entstehung von Leben spielt - nämlich dann, wenn simple Moleküle zu komplexeren Molekülen heranwachsen.

Zutaten für Leben trotz unwirtlicher Umgebung

Die Entdeckung ist eine Sensation. In unmittelbarer Nachbarschaft von XUE-1 befinden sich auch massereiche Sterne. Sie produzieren enorme Mengen an Energie und durchfluten das Sternentstehungsgebiet mit starker UV-Strahlung. Dieser Umstand macht die Region zu einer der unwirtlichsten Gebiete unserer Milchstraße.

Lange Zeit war nicht sicher, ob in der Nähe von solchen massereichen Sternen überhaupt erdähnliche Gesteinsplaneten entstehen können. So könnte die hohe UV-Strahlung verhindern, dass sich aus dem Staub überhaupt Planeten bilden. Fachleute waren skeptisch, ob hier Wasser, Staub und Kohlenstoffverbindungen in so hohen Konzentrationen überhaupt vorkommen können.

"Wenn Sie im Sommer rausgehen, dann müssen Sie sich eincremen, damit die Moleküle in Ihrer Haut keinen Schaden nehmen durch die UV-Strahlung. Und genauso würden wir erwarten, dass die Materialien in den Scheiben um den Stern, aus denen die Planeten dann entstehen, durch diese hochenergetische UV-Strahlung einen Schaden nehmen können."

Dass Ramírez-Tannus und ihr Team solche Verbindungen nun doch gerade in einer der unwirtlichsten Gegenden unserer Milchstraße finden konnten, hat die Vorstellung davon, wie und wo Gesteinsplaneten entstehen, grundlegend erweitert.

Gesteinspartikel schweben im Weltall
Um einen jungen Stern gibt es häufig viel Material in Form einer Scheibe. Finden kleinste Teilchen aus festem Material zueinander, wachsen sie. Irgendwann formen sie Körper, die so groß sind, dass sie durch die eigene Schwerkraft noch mehr Material zu sich ziehen können. Am Ende entstehen dabei Gasplaneten wie Jupiter oder auch kleinere Gesteinsplaneten wie unsere Erde. Dieser Prozess ist aber erst teilweise verstanden.

James-Webb-Teleskop ermöglicht Blick in die Untiefen der Milchstraße

Die Entdeckung der Forschenden ist durch den tiefen Blick des James-Webb-Teleskops erst möglich geworden. Vor dessen Entwicklung konnten nur Sternentstehungsgebiete untersucht werden, die näher an der Erde lagen. Das führte zu einer Forschungslücke: Denn diese Gebiete enthalten keine massereichen Sterne.

"Wir meinen zu wissen, dass unser Sonnensystem auch in einer Umgebung mit sehr vielen massereichen Sternen in der Nähe geformt wurde. Und das ist ein entscheidender Unterschied zu den jungen Sternen, die wir schon in der Vergangenheit studieren konnten."

Die Heidelberger haben das James-Webb-Weltraumteleskop mitentwickelt. Sie haben den zentralen Teil eines der wichtigsten Infrarot-Instrumente konstruiert und gebaut - ein sogenanntes “Filterrad”. Nur deswegen können Forschungsteams mit dem Weltraumteleskop nun seit eineinhalb Jahren viel genauer und tiefer ins Universum schauen. Mit den Daten lassen sich kleinste Partikel genau bestimmen, auch wenn sie Tausende von Lichtjahren entfernt sind.

Raumfahrt und Astronomie Präzisionstechnik im All: Das James Webb Weltraumteleskop

Das neue "James Webb" Weltraumteleskop will mittels Infrarotkameras in die Zeit kurz nach dem Urknall schauen, bis zur Geburt der ersten Sterne und Galaxien blicken und Exoplaneten finden.

Wie häufig kommen solche potentiell planetenbildenden Scheiben in unwirtlichen Gegenden vor?

Der erste Blick in eine Geburtsstätte von Sternen und Planeten in der unwirtlichen Region war bereits vielversprechend. Durch die Entdeckung vermutet das Forschungsteam nun im Universum mehr erdähnliche Planeten als bisher gedacht. Und die Suche geht weiter: Die Forschenden sind jetzt schon dabei, in vierzehn weiterer Scheiben nach den Grundlagen für die Entstehung von Gesteinsplaneten zu suchen.

"James Webb hat uns gerade die Augen für ein ganz neues Fenster geöffnet. Und wir können jetzt das Universum in viel größeren Entfernungen untersuchen. Also ja, definitiv. Wir warten auf noch viel mehr."