Schmetterlinge

Schmetterlinge

Artenvielfalt anhand der Tagfalter dokumentieren

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AUTOR/IN
Annegret Faber
ONLINEFASSUNG
Antonia Weise

Wie steht es um die Artenvielfalt auf unseren Wiesen? Anhand des Vorkommens von Schmetterlingen, genauer gesagt der Tagfalter, sollen die EU-Staaten das zukünftig dokumentieren. Doch es gibt einen Haken.

Schmetterlinge stehen für viele Insekten

Schmetterlinge haben eine große Mission. Schon lange zählen sie zu den „Zeigerorganismen“. Ihr Vorkommen steht für sehr viele Insekten. Die zu zählen, ist aber nicht machbar. Also konzentriert man sich auf eine auffällige Gruppe - die Schmetterlinge.

Was die Schmetterlinge „anzeigen“ entspricht den Studien über Insekten: Die Zahl an Arten wie an Individuen geht dramatisch zurück, besagt der sogenannte „Tagfalter-Grünland-Indikator“. Der bestätigt auch die Daten der Krefeld Studie, die 2017 für Aufsehen sorgte: Binnen 27 Jahren ist die Masse der Insekten um 75 Prozent geschrumpft, so die Botschaft der Forschenden. Allerdings deckte diese Studie nur ein kleines Gebiet zwischen Düsseldorf und Duisburg ab. Die Tagfalter sollen deshalb zeigen, wie es im restlichen Europa aussieht.

Admiral (Vanessa atalanta)
Admirale kommen im Gegensatz zu anderen Schmetterlingen mit verschiedenen Lebensräumen klar und sind deshalb relativ verbreitet. Besonders lieben sie Brennesseln.

Es vergeht viel Zeit bis zu Ergebnissen der Schmetterlingszählung

Freiwillige wie zum Beispiel Helene Otto zählen in ihrer Freizeit Schmetterlinge. Sie ist eine von knapp 500 Freiwilligen in Deutschland. Die Freiwilligen müssen bei ihren wöchentlichen Ausflügen strenge Regeln einhalten. Das heißt: langsam laufen und nur die Falter notieren, die in einem gedachten Kasten von fünf Metern Breite, Höhe und Länge fliegen. Diese Vorgaben müssen alle Zählenden einhalten, damit die Daten vergleichbar sind, egal ob sie aus Rumänien, Italien oder aus Deutschland kommen.

Bei den Beobachtungen spielt auch das Wetter eine große Rolle. Schmetterlinge mögen keine Kälte und keinen Wind, deshalb ist ein Betrachtungszeitraum von mehreren Jahren für die Auswertung sinnvoll.

Die gesehenen Schmetterlinge tragen sie auf einen Beobachtungsbogen ein. Anschließend schickt Helene Otto die Daten an die Biologin Elisabeth Kühn. Denn sie koordiniert am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Halle das deutsche Tagfalter-Monitoring.

Bis man die Schmetterlingsdaten allerdings nutzen kann, braucht man laut Kühn lange Zeitreihen – ihren Schätzungen nach mindestens zehn Jahre:

„Für Insekten ist es typisch, dass sie einen Entwicklungszyklus haben. Es gibt gute und schlechte Jahre, also über die Jahre hinweg so ein auf und ab. Durch diese auf und ab muss man eine lange Zeitreihe haben um einen Trend erkennen zu können.“

Andere EU-Länder und die Schmetterlingszählung

Außer der Slowakei und Lettland zählen bereits alle EU Länder Schmetterlinge. Die Briten fingen schon vor über 40 Jahren an und waren die ersten, so Prof. Dr. Josef Settele, Leiter der Abteilung Naturforschung am UFZ. 1990 starteten die Niederlande, dann kam Flandern in Belgien hinzu. Spanien, Frankreich, Finnland und seit 2005 sieht man auch in Deutschland Menschen mit Erfassungsbögen langsam über die Wiesen schreiten. Lange Zeitreihen gibt es also schon in vielen Ländern.

Baum-Weißling auf einer Feuchtwiese.
Baum-Weißlinge sind gerne auf Wiesen und an Waldrändern mit Disteln zu finden.

Laut Prof. Dr. Josef Settele wird der Indikator berechnet, indem sie erfassen welche Arten von Faltern - die typisch für unser Grünland sind - sich über die Zeit hinweg entwickeln:

"Das heißt, wir haben 22 Arten aus 27 Ländern, bei denen wir schauen, wie der Trend über die Zeit aussieht. Den kann man dann als Basis nehmen, um zu sehen, wenn wir Maßnahmen entsprechend ändern, die Nutzung sich ändert. Es lässt sich dann feststellen, ob der Indikator in eine andere Richtung ausschlägt."

Die Mission des Schmetterlings ist also wichtig. Sein Auftreten oder Fernbleiben zeigt uns, ob Maßnahmen für den Artenschutz etwas gebracht haben.

Der Haken: EU-Agrarpolitik setzt auf Freiwilligkeit

Es gibt einen Haken: der Tagfalter-Grünland-Indikator ist nicht verpflichtend. Das Zählen ist für die EU-Staaten also freiwillig. Prof. Dr. Sebastian Lakner, Leiter der Agar - und Umweltwissenschaftliche Fakultät an der Universität in Rostock, wendet ein, dass auch im sogenannten Strategieplan der GAP, also der EU-Agrarpolitik, der Grünland-Indikator noch nicht zu finden sei. Die Indikatoren würden sich vor allem um bürokratische Belange drehen, so Lakner: „Wie viel Geld auf wie viel Hektar fließt - wann werden Betriebe gefördert? Es sind viele Dinge, bei denen es erstmal darum geht, wofür Mittel verwendet werden.“

Große Flächen einer Sorte können der Artenvielfalt schaden.
Durch den großflächigen Anbau einer Pflanzenart in der Landwirtschaft geht unter anderem ein Großteil der Artenvielfalt verloren.

Aus seiner Sicht spielt Artenschutz bei der europäischen Agrarpolitik eine viel zu geringe Rolle. 2023 wurde erst der wichtige „High Nature Value“-Indikator (Hoher Naturwert- Indikator) abgeschafft, beziehungsweise von verpflichtend auf den Freiwilligenstatus zurückgestuft. Er kontrollierte auch Grünland, seltene Ökosysteme im Landwirtschaftsbereich, also artenreiche Wiesen und Weidelandschaften.

„Wir hatten in Deutschland vor der letzten Förderperiode angefangen, diesen Indikator regelmäßig zu erheben. Dabei sind Dinge herausgekommen wie, dass sich die Qualität tendenziell leicht verschlechtert, also Dinge, die einen jetzt nicht komplett überraschen, aber wo wir mal eine Datenbasis haben. Und dann hat man das von der Liste genommen. Insofern halte ich das für politisch auch etwas fragwürdig so einen Indikator von der Liste zu nehmen.“

Tagfalter-Grünland-Indikator hilft bei der Einschätzung der Artenvielfalt

Nur etwa sechs Prozent der Wiesen sind in Deutschland in einem ökologisch günstigen Zustand. Hauptgründe sind vor allem die intensive Landwirtschaft, Flächenversiegelung, oder wenn Wiesen nicht mehr genutzt werden und langsam verbuschen. Wenn die EU-Länder nun Maßnahmen dagegen ergreifen, Flächen entsiegeln, Umnutzungen fördern, weniger Pestizide einsetzen, dann zeigen Indikatoren, ob das etwas bringt. Jetzt soll der Schmetterling Erfolg und Nichterfolg anzeigen. Für Josef Settele ist das ein erster Schritt und ein guter Einstieg.

Auch Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Sebastian Lakner begrüßt den Indikator. Denn nur mit Daten aus den Ländern könne man auch politisch reagieren.

„Am Ende des Tages muss ich mir überlegen, was mache ich damit. Aber wenn wir bei jeder Debatte sagen, `nee, Welternährung ist wichtiger`, dann nützt uns das nichts, dass wir überhaupt Indikatoren haben.“

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