Illustration eines Landesystems des Artemis-Programms

Raumfahrt

Artemis-Verträge: Deutschlands zögerliche Beteiligung an der Mondmission

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Uwe Gradwohl
Uwe Gradwohl, Leiter der Redaktion SWR Wissen Aktuell.
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Leila Boucheligua

Die NASA möchte mit den Artemis-Flügen wieder Menschen auf den Mond bringen. Wie der Mond und der Weltraum erkundet und genutzt werden sollen, ist vertraglich in den Artemis Accords vereinbart. Darum unterschrieb Deutschland diese Verträge erst nach jahrelangem Zögern.

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Was in den sechziger und siebziger Jahren das Apollo-Programm war, soll in diesem Jahrzehnt das Artemis-Programm werden: Die NASA möchte mit den Artemis-Flügen wieder Menschen auf den Mond bringen. Im kommenden Jahr soll ein Team aus Frauen und Männern den Mond umkreisen. Im Jahr 2025 soll dann mit Artemis 3 zum ersten Mal eine Frau und eine Person of Colour, eine Person nichtweißer Hautfarbe, auf dem Mond landen.

Vertraglich festgehaltene Regeln zur Erkundung des Mondes

Artemis ist zwar ein Raumfahrtprojekt der USA, aber die US-Amerikaner wollen keineswegs alleine zum Mond zurückkehren. Sie wollen Partnerschaften schließen, um die Lasten, die die Entwicklung eines solch gewaltigen Vorhabens mit sich bringt, etwas zu verteilen. Andere Staaten können ihre Unterstützung signalisieren, indem sie die sogenannten Artemis Accords unterschreiben.

Das ist eine Erklärung, in der die NASA und das US-amerikanische Außenministerium festgehalten haben, nach welchen Regeln der Mond und der Weltraum erkundet und genutzt werden sollen. Mit der Unterzeichnung der Artemis Accords versichert ein Land, sich an diese Regeln halten zu wollen. Nach jahrelangem Zögern hat nun auch Deutschland die Artemis Accords unterschrieben.

Deshalb zögerte Deutschland lange, die Verträge zu unterzeichnen

Dass Deutschland so lange gezögert hat, die Artemis Accords zu unterschreiben, hat mehrere Gründe: Zum einen steht an der Spitze des Außenministeriums eine grüne Ministerin – und deren Partei hat wenig Interesse an der Raumfahrt.

Und: Deutschland hat sich, wie die europäische Raumfahrt insgesamt, lange Zeit in einer Vermittlerrolle zwischen den großen Raumfahrtmächten USA und Russland gesehen. Aus dieser Position heraus wollte man wohl nicht vorschnell die Mondpläne der USA unterstützen. Erst mit dem Überfall auf die Ukraine ist die Vermittlerrolle hinfällig geworden.

Außerdem hatte Deutschland bislang, wie andere Staaten auch, Bedenken hinsichtlich der Auslegung dieses neuen Regelwerks, das die US-Amerikaner für die Raumfahrt zum Mond und über ihn hinaus vorschlagen. 

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Es geht auch um Bergbau auf dem Mond

Die meisten in den Artemis Accords beschriebenen Punkte fallen positiv aus: Friedliche Erkundung, transparente Kommunikation aller Vorhaben im All, gemeinsame technische Standards, um sich im Notfall helfen zu können, Veröffentlichung aller gewonnenen wissenschaftlichen Daten und die Vermeidung von Weltraumschrott.

Aber es geht auch um eine gemeinsame Linie bei der Ausbeutung von Ressourcen auf Himmelskörpern, beispielsweise Bergbau auf dem Mond. Mit der Unterschrift unter die Artemis Accords bekennt sich ein Land auch zu dem Prinzip, dass beispielsweise zum Schutz eines solchen Mondbergwerks eine Sicherheitszone eingerichtet werden könnte. Das eröffnet einzelnen Nationen aber auch die Möglichkeit, Territorien auf dem Mond und anderen Himmelskörpern abzustecken - ein Sperrgebiet auf einem anderen Himmelskörper. Das verstößt nach Meinung von Kritikern gegen den Weltraumvertrag von 1967.

In dem Vertrag wurden zwar Richtlinien zur gemeinsamen Erschließung des Mondes und anderer Himmelskörper gesetzt. Vor über 50 Jahren waren aber die heutigen technischen Möglichkeiten dazu noch nicht abzusehen - der Vertrag muss dringend weiterentwickelt werden. Detailfragen wie die exakte Regelung von Bergbauprojekten auf dem Mond beispielsweise bleiben offen. Diese Lücke sollen die Artemis Accords schließen.

Illustration von Nasa-Astronauten beim Abbau von Gestein auf dem Mond
In den Artemis Accords ist neben anderen Punkten auch die Ausbeutung und Verwendung von Rohstoffen auf anderen Himmelskörpern wie dem Mond, dem Mars und Asteroiden geregelt.

Kritiker der Artemis Accords befürchten, dass die Accords den Weltraumvertrag aushöhlen und die dringend notwendige Weiterentwicklung des Weltraumrechts nicht mehr unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfindet, sondern dass eine Gruppe von vorpreschenden Staaten einfach Fakten schaffen könnte.  

So gehörte beispielsweise im Jahr 2020 neben den USA auch Luxemburg zu den Erstunterzeichnern der Accords. Das Großherzogtum hat schon vor Jahren für Aufsehen gesorgt – mit einer eigenen, sehr unternehmensfreundlichen Gesetzgebung zur Ausbeutung von Ressourcen im Weltall.  

Deutschlands Partnerschaft mit den USA war bereits sehr eng

Deutschland ist nun der 29. Staat, der seine Unterschrift unter die Artemis Accords gesetzt hat. Für die aktuellen deutschen Raumfahrtprojekte ändert sich damit kaum etwas. Die Partnerschaft mit den USA war bislang bereits sehr eng.

Das beeindruckendste Beispiel: Die von der europäischen Raumfahrtagentur ESA an die USA gelieferten Antriebs- und Versorgungsmodule für die Artemis-Mondraumschiffe werden bereits in Deutschland, in Bremen, gebaut.

Durch die Unterschrift unter die Artemis Accords steigen allerdings die Chancen, dass mit einer der Artemis-Missionen auch deutsche Astronauten die Mondoberfläche betreten werden. Matthias Maurer und Alexander Gerst waren bei der Unterzeichnung in Washington jedenfalls schon mal mit anwesend. 

Selfie von Alexander Gerst, Matthias Maurer und Nasa-Chef Bill Nelson
Die deutschen Astronauten Alexander Gerst (links) und Matthias Maurer (rechts) machen ein Selfie mit NASA-Chef Bill Nelson bei der Unterzeichnung des Beitritts von Deutschland zum Raumfahrtprogramm Artemis.

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