Die meisten Corona-Impfstoffe – und allen derzeit in der EU zugelassenen – führen dazu, dass das Immunsystem Antikörper gegen das Spike-Protein produziert, das auf der Oberfläche des Coronavirus sitzt. Auch bei einer Infektion mit dem Virus werden Antikörper gegen dieses Spike-Protein produziert, daneben aber auch noch Antikörper gegen andere Strukturen des Virus.
Ein Test auf Antikörper gegen das Spike-Protein alleine kann also nicht unterscheiden, ob die getestete Person geimpft ist oder zu einem früheren Zeitpunkt schon mit dem Coronavirus infiziert war. Es kann aber auch zusätzlich auf andere Antikörper, zum Beispiel gegen das sogenannte Nukleokapsid, getestet werden. Sind diese vorhanden, gab es eine Infektion, sind sie nicht vorhanden, sind die Antikörper gegen das Spike-Protein als Reaktion auf die Impfung produziert worden und sind ein Hinweis auf eine erfolgreiche Impfung.
Antikörpertests eignen sich nicht, um die Stärke des Impfschutzes zu messen
Ein Antikörpertest eignet sich trotzdem nur bedingt, um zu überprüfen, ob eine Impfung angeschlagen hat. Vor allem zu zwei Zeitpunkten ist es denkbar, dass die Antikörperkonzentration im Blut unter der Nachweisgrenze eines kommerziellen Tests liegt, sagt Susana Minguet, Immunbiologin an der Uni Freiburg: kurz nach der Impfung und einige Monate später.
So könne die Antikörperkonzentration bei Geimpften auch sehr stark variieren, so Susana Minguet weiter. Selbst bei einer niedrigen Antikörperkonzentration könne der Schutz aber ausreichen. Denn Antikörper sind nur ein Teil der Immunantwort des Körpers. Es werden auch sogenannte Gedächtnis-Zellen gebildet, die lange nach einer Infektion oder Impfung – wenn nur noch sehr wenige Antikörper vorhanden sind – eine relativ schnelle Immunantwort auslösen, sollte der Körper wieder in Kontakt mit dem Erreger kommen.
Antikörperkonzentration und Stärke des Impfschutzes könnte zusammenhängen
Eine Studie der Universität Sidney, veröffentlicht im Fachmagazin Nature Medicine, fand einen Zusammenhang zwischen der Konzentration der Antikörper und dem Schutz vor einem schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass dieser oberflächliche Zusammenhang kein Beweis für einen mechanistischen Zusammenhang ist – also, dass eine höhere Konzentration von Antikörpern auch tatsächlich zu einem höheren Schutz führt.
Es sei wichtig auch weitere Teile des Immunsystems auf einen Zusammenhang mit der Stärke des Impfschutzes zu überprüfen, so die Autoren.
Wichtig ist auch, dass solche Ergebnisse immer als Statistik zu betrachten sind. Im Einzelfall kann es sein, dass man sich trotz einer hohen Antikörperkonzentration mit dem Coronavirus infiziert, es weitergibt und schwer erkrankt. Dass es statistisch unwahrscheinlicher ist, ist dem Virus im Zweifel egal.
Dauer des Impfschutzes hat nichts mit Antikörpern zu tun
Auch wie lange ein Impfschutz anhält, kann mit einem Antikörpertest nicht überprüft werden. Die Konzentration der Antikörper lässt mit der Zeit nach. Beim Coronavirus geht man davon aus, dass sie sechs bis zwölf Monate nach der Impfung oder Infektion so niedrig ist, dass eine (erneute) Infektion möglich ist.
Das bedeutet aber nicht, dass keine Immunität mehr besteht. Andere Kompenenten des Immunsystems, zum Beispiel sogenannte Gedächtniszellen, können sehr lange – bei manchen Erregern ein ganzes Leben lang – eine Immunität aufrecht erhalten. Diese ist zwar "langsamer" als die Immunität durch Antikörper, aber schneller als eine Immunantwort bei Erstkontakt mit dem Erreger. In diesem Stadium der Immunität ist zwar eine Infektion möglich, aber sie wird schneller abgewehrt, als bei einer Infektion ohne Schutz.
Beim Coronavirus scheint das immerhin einen guten Schutz vor einem schweren Verlauf zu bedeuten: In Israel wurden bereits Anfang des Jahres viele Menschen geimpft. Vom Gesundheitsministerium dort erhobene Daten zeigen, dass der Impfschutz vor einer Ansteckung bei Biontech gegen die Delta-Variante in Israel nur noch ungefähr 64%. Der Schutz vor einem schweren Verlauf ist aber mit 93% nach wie vor hoch.
Das Unternehmen aus Mainz geht davon aus, dass nach sechs Monaten eine Auffrischungsimpfung nötig werde um den Schutz vor Infektion nach wie vor hochzuhalten.
Kreuzreaktionen sind möglich
Nicht ganz geklärt ist, wie stark Antikörper gegen andere Coronaviren einen Antikörpertest beeinflussen können. Solche Kreuzreaktionen sind bei verwandten Viren möglich und wurden auch bei Coronaviren schon beobachtet. Unter Umständen könnten also Antikörper gegen ein harmloses Erkältungs-Coronavirus zu einem positiven Antikörpertest führen, obwohl die betreffende Person weder mit SARS-CoV-2 infiziert war noch dagegen geimpft ist.
Solche Antikörper bieten gegen andere Coronaviren auch einen gewissen Schutz vor SARS-CoV-2. Eine Studie aus Münster fand, dass Menschen mit Antikörpern gegen das Erkältungs-Coronavirus OC43 ein geringeres Risiko für einen schweren Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion haben.
Fazit
Antikörpertests können unter bestimmten Umständen ein gutes Werkzeug sein, um eine vergangene Infektion nachzuweisen – zum Beispiel, wenn jemand an Symptomen von Long-Covid leidet, sich aber nicht sicher ist, eine Infektion durchgemacht zu haben.
Ist man sich sicher, keine Infektion durchgemacht zu haben, kann ein Antikörpertest zwar nachweisen, dass nach einer Impfung Antikörper produziert wurden und eine Reaktion auf die Impfung stattgefunden hat, um die Stärke oder Dauer des Impfschutzes nachzuweisen, eignen sich solche Tests aber nicht.