25 war sie da, sportlich, gesund. Bis heute leidet Felicitas Rohrer an den Folgen – seelisch wie körperlich. Der Grund für den Kollaps? Felicitas Rohrer ist überzeugt: Nebenwirkungen der Pille Yasminelle von Bayer.
Bayer wird auf Schadensersatz verklagt
Sie verklagte den Pharmakonzern auf Schadensersatz und Schmerzensgeld – inzwischen in zweiter Instanz am Oberlandesgericht Karlsruhe. In erster Instanz war sie gescheitert. Bayer bestreitet die Vorwürfe. Das Unternehmen habe großes Mitgefühl mit Frau Rohrer und anderen Anwendern seiner Produkte, die von ernsten gesundheitlichen Beschwerden berichteten – unabhängig von deren Ursache, schreibt Bayer dem SWR und verweist auf das – „positive Nutzen-Risiko-Profil“ von Pillen wie Yasminelle.
Am Oberlandesgericht wurde nun geklärt, ob in Felicitas Rohrers konkretem Einzelfall eine andere Ursache als die Yasminelle für den Kollaps in Frage kommt. Am 25. Juni ist ein Urteil gefallen – der Antrag auf Schadensersatz wurde vom Oberlandesgericht abgewiesen. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass das Pillenpräparat "Yasminelle" Ursache Felicitas Rohrers Lungenembolie gewesen ist. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Kombipräparate erhöhen das Thrombose-Risiko
Grundsätzlich erhöhen die klassischen Anti-Baby-Pillen – also Kombipräparate mit zwei Hormonen – das Risiko für Blutgerinnsel in den Venen. Das sei wissenschaftlich erwiesen und auch bezifferbar, sagt Maik Pommer, Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Und diese Risiken unterscheiden sich je nach Wirkstoff. Die älteren Substanzen haben das kleinste Risiko – mit jährlich fünf bis sieben Thrombosen bei 10.000 Anwenderinnen. Fast alle neuen Wirkstoffe – oft vereinfachend als 3. und 4. Generation bezeichnet – schneiden schlechter ab.
Drospirenonhaltige Pillen-Präparate haben das höchste Thrombose-Risiko
Maik Pommer zufolge hätten insbesondere die drospirenonhaltigen Präparate mit neun bis zwölf von 10.000 Frauen, das höchste Risiko. Bezogen auf eine einzelne Anwenderin liegt das jährliche Thromboserisiko dieser Pillen also bei ungefähr 0,1 Prozent. Das mag klein erscheinen. Nur: Millionenfach eingenommen, verursachen diese Präparate unter dem Strich eben doch eine beträchtliche Zahl vermeidbarer Thrombosen.
Wie viele, das haben Fachleute der Uniklinik Tübingen im Jahr 2017 abgeschätzt: Knapp 1.300 bis 1.700 Thrombosen jährlich könnten in Deutschland verhindert werden, wenn alle Frauen zwischen 15 und 49 auf die risikoreichen Pillen verzichteten – beziehungsweise rund 700 bis 900 Lungenembolien mit Krankenhausaufenthalt. Felicitas Rohrer sagt, es gebe eine Möglichkeit, so viele schwere Erkrankungen zu verhindern, aber es werde einfach nicht gemacht.
Zulassung von Pillen-Präparaten bei höherer Verhütungswirkung als Thrombose-Risiko
Felicitas Rohrer wundert sich, warum Anti-Baby-Pillen auf dem Markt sind, die keinen Zusatznutzen haben, was die Verhütung betrifft, aber ein wesentlich höheres Thrombose-Risiko. Der Grund: Den Marktzulassungsbehörden ist es egal, ob es schon andere Präparate gibt mit weniger Risiko.
Solange der Nutzen einer neu zuzulassenden Pille – also die Verhütungswirkung – ihre Risiken überwiegt. Und das, so die Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der EU-Arzneimittelagentur EMA, ist selbst bei den risikoreichsten Pillen der Fall. Deshalb sind sie alle zugelassen – und in Deutschland auch Kassenleistung für Frauen bis 22.
Frankreich: risikoreichere Pillen politisch unerwünscht
In Frankreich ist das anders. Die risikoreicheren Pillen sind dort politisch unerwünscht. Zwar sind sie zugelassen. Von den Krankenkassen erhalten aber seit 2013 nur risikoarme Pillen mit Levonorgestrel einen Zuschuss – und zwar auf Beschluss der Gesundheitsministerin. Der daraus resultierende Effekt: Der Marktanteil der risikoarmen Präparate stieg im Folgejahr deutlich – und zeitgleich sank die Zahl der Frauen mit Lungenembolien im Krankenhaus. Nämlich um knapp 11 Prozent.
Allerdings finden viele Frauenärzte die Regelung zu strikt. Sie bedauerten sehr, dass die Krankenkassen alle anderen Pillen nicht mehr erstatten, sagt Nathalie Chabbert Buffet, Professorin und Expertin des französischen Frauenärzte-Dachverbands. Wenigstens Pillen mit Norgestimat – vom Risiko her vergleichbar mit Levonorgestrel – müssten wieder bezuschusst werden.
Und unter bestimmten Bedingungen auch risikoreichere Präparate: Sie bräuchten ein System, in dem der Arzt beweisen müsse, dass eine Frau eine Pille der ersten Wahl nicht verträgt und sie deshalb eine andere nimmt – und in dem diese Pille dann auch erstattet werde. Das sei vielleicht nicht einfach, aber müsse doch machbar sein, so Nathalie Chabbert.
Pillen-Präparate aus Kassenleistung in Deutschland streichen – nicht geplant
Auch in Frankreich gibt es die Patentlösung für das Pillen-Problem also noch nicht. Hierzulande haben erst kürzlich viele Frauengesundheitsorganisationen „endlich wirksame Maßnahmen“ verlangt, damit weniger der risikoreichen neueren Pillen verordnet werden. Denkbar wäre, diese Präparate – ähnlich wie in Frankreich – komplett aus der Kassenleistung zu streichen. Das aber sei nicht geplant, schreibt das zuständige Gremium, der Gemeinsame Bundesausschuss.
Seit Jahren appellierten Felicitas Rohrer und die anderen Frauen aus der Betroffeneninitiative „Risiko Pille“ erfolglos an Politik, Pharmaindustrie und Frauenärzte. Dass Frankreich die risikoreicheren Pillen politisch gewollt vom Markt drängt, findet sie gut. Aber: