Menschen im altem Ägypten verfügten bereits vor Jahrtausenden über ein umfangreiches medizinisches Wissen. Es ist bekannt, dass sie Prothesen und Zahnfüllungen anfertigten und Medikamente gaben.
Bislang gab es allerdings keinen Nachweis dafür, dass sie Wissen zur Behandlung von Krebserkrankungen besaßen. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift “Frontiers in Medicine” zu zwei Schädeln belegt zur Überraschung der Forschenden mögliche Spuren einer Krebs-Operation.
Vermutlich ältester Nachweis einer Krebsoperation
Einer der Schädel aus der Duckworth-Sammlung der Cambridge-Universität in England stammt von einem Mann Anfang dreißig, der wohl von einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung im Nasenrachenraum betroffen war. Der gut 4.300 Jahre alte Schädel ist einer der bislang ältesten bekannten Krebsfälle. Am Gaumen hat der Knochen ein großes Loch, dazu kommen rund dreißig kleine Knochenschäden am Schädel, die wahrscheinlich durch den metastasierenden Krebs verursacht wurden.
Als die Forscherin und Erstautorin der Studie, Tatiana Tondini, die krankhaften Knochenveränderungen genauer untersuchte, entdeckte sie zu ihrer Überraschung Schnittspuren.
Älteste Krebsoperation war nicht erfolgreich
Die neu entdeckten Schnittspuren im Bereich der erkrankten Stellen könnten durch ein scharfes Werkzeug, wie ein Skalpell, entstanden sein, so die Forscherin. Das wäre der früheste Nachweis einer chirurgischen Krebsbehandlung in der menschlichen Geschichte – auch wenn sie nicht lebensrettend war.
Hätte der Patient den Eingriff überlebt, so hätte sein Knochen auf die Einschnitte reagiert. Solche Reaktionen seien aber nicht vorhanden, erklärt Tatiana Tondini.
Neue Forschungsmethoden ermöglichten überraschende Entdeckung
Auch der Wissenschaftler Calvin Wells untersuchte den Schädel bereits 1963 und erkannte zwar die Krebserkrankung, nicht aber die Hinweise auf eine Operation. Das liegt daran, dass sich die Methoden der Analyse in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt haben. Mithilfe digitaler Mikroskopie und Mikro-Computertomografie, also besonders hochauflösender Bildgebung, konnte das Forschungsteam nun diese Schnittspuren am Knochen sichtbar machen, die mit bloßem Auge nicht erkennbar sind.
Beleg für Behandlung lebensgefährlicher Verletzungen am Schädel
Der zweite untersuchte Schädel ist der einer Frau im Alter von über fünfzig Jahren, die ebenfalls von einer Krebserkrankung betroffen war. Auch diesen Schädel untersuchten die Forschenden, um mehr über die Krebsarten zu erfahren, die es auch schon in der Antike gab, und wie die altägyptische Medizin vor mehr als 4.000 Jahren versucht hat, Krebs zu erforschen.
Neben den Spuren einer Krebserkrankung deuten zwei verheilte Verletzungen auf gewaltsame Auseinandersetzungen hin. Eine Verletzung sei, so die Forscherin, durch einen scharfen Gegenstand, wie einem Schwert, entstanden. Das lasse Rückschlüsse auf das medizinische Wissen der Zeit zu:
Kampfverletzungen an weiblichem Schädel
Überraschend und neu für die Forschenden war bei der Untersuchung der Knochenschäden die Erkenntnis, dass es sich um den Schädel einer Frau handelt.
Diese Verletzungen sind eher typisch für männliche Schädel aus der Zeit um 600 v. Chr. in Ägypten - einer Zeit, in der das Land von mehreren Invasionen geprägt wurde. Auch die untersuchte Frau könnte eine Kriegerin gewesen sein.
Allerdings lasse sich nicht mit Gewissheit sagen, ob es sich um Kriegsverletzungen oder Spuren häuslicher Gewalt handle, so Tondini. Da die Verletzung aber vermutlich durch einen schwertähnlichen Gegenstand verursacht wurde, hält die Forscherin es für wahrscheinlicher, dass die untersuchte Frau eine Kriegerin war.
Krebs war schon im alten Ägypten häufig
Die Vorstellung, dass Krebs eine Krankheit der Moderne sei, müsse man vor dem Hintergrund der Studie überdenken. Denn die Krankheit sei auch bei den alten Ägyptern häufig vorgekommen:
Gewebeanalysen sollen weitere Erkenntnisse bringen
Gewebe- und DNA-Untersuchungen der Schädel könnten zu wichtigen neuen Ergebnissen führen. Die Forscherin hofft auf Erkenntnisse, ob sich Krebsmarker über die Zeit verändert haben und darauf, mehr über die Krankheitsgeschichte und Lebensumstände der Fälle zu erfahren. Beim Schädel des Mannes hofft sie, das Epstein-Barr-Virus nachweisen zu können, das heute mit Krebs im Nasenrachenraum in Verbindung gebracht wird.
Für die Gewinnung von Probenmaterial ist es allerdings nötig, die Schädel zu beschädigen. Wenn die Universität Cambridge dem zustimmt, plant die Forschungsgruppe, weitere Untersuchungen an den Schädeln durchzuführen.