Rausgerissen aus ihrem alten Leben – so fühlt sich Karin Jünke. Nach 71 Jahren musste die Rentnerin ihre geliebte Wohnung in München verlassen. Nachdem das Haus saniert wurde, kletterte ihre Miete auf 2000 Euro - unbezahlbar für die Witwe. Somit war sie gezwungen, ihre Umzugskartons zu packen: „Ich bin in diesem Haus geboren worden, mein Herz hängt an dieser Wohnung. Dass ich hier weggehen musste, das tut verdammt weh.“
„Mieter aus ihren Wohnungen zu werfen, in der sie fast ihr ganzes Leben gewohnt haben – das kann es nicht sein. So eine Entwurzelung hat mit Menschlichkeit nicht viel zu tun“, echauffiert sich TATORT-Kommissar Andreas Hoppe. Auch von Mieten, die sich nur noch Gutverdiener leisten können, hält der Schauspieler nichts. „Wenn nur noch das Geld regiert und alle in Betonklötze ziehen, um überhaupt eine Wohnung zu kriegen, dann ist eine Stadt todgeweiht.“
Vier Quadratmeter zu groß, Sie müssen umziehen! Diese Antwort hörte Annette Britsch vom Sozialamt, an das sich die Bad Rappenauerin wandte. Denn ihre Mietkosten, die sie für ihre 50-qm-Wohnung bezahlen musste, waren höher als die ihr zustehende Rente. Doch Annette Britsch wollte sich nicht länger erniedrigen lassen. Nur noch weg hier, beschloss die vierfache Mutter: „Ich bin einfach nach Bulgarien ausgewandert, obwohl ich weder Land noch Sprache kannte. Hier kann ich von meiner Rente wie eine Königin leben.“
Andreas Ibels Immobiliengesellschaft kauft in Hamburg Altbauten auf und saniert die Objekte. Was nach der Modernisierung folgt, ist meist eine deutlich höhere Miete. Von einer Mietpreisbremse, die vor Horrormieten schützen soll, hält der Verbandspräsident Freier Wohnungsunternehmen überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil: „Die Deckelung der Mieten bremst den Wohnungsbau. Dadurch wird die Knappheit noch verschärft.“
Hingegen sieht der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling die Mietpreisbremse als richtiges Signal, damit Wohnen auch künftig bezahlbar bleibt. Seine Stadt zählt mit zu den teuersten Städten Deutschlands. Wer hier als Durchschnittsverdiener nach einer erschwinglichen Wohnung sucht, braucht Ausdauer. Deshalb kurbelt der Mainzer OB den jahrelang vernachlässigten sozialen Wohnungsbau wieder an: „Bis 2020 sollen 6500 neue Wohnungen geschaffen werden.“
Claudia Treuer sucht seit gut fünf Jahren nach einer bezahlbaren, lebenswerten Wohnung. Nachdem die vierköpfige Familie wegen Eigenbedarfs ausziehen musste, ließ die Buchhalterin nichts unversucht, um auf dem freien Wohnungsmarkt fündig zu werden: Fehlanzeige. Das Ehepaar zählt zwar zu den Geringverdienern, bekommt aber keine staatliche Unterstützung: „Unsere aktuelle Wohnsituation ist unerträglich. Deutschland schreit nach mehr Kindern, ist aber gleichzeitig sehr kinderunfreundlich.“
„Menschen mit niedrigem Lohn und Familien mit Kindern – das sind die Verlierer der Wohnungspolitik. Am schlimmsten ist die Kombination aus beidem“, stellt Wirtschaftsjournalist Christian Rickens fest. Erschwerend komme hinzu, dass es immer mehr Menschen in die Großstädte dränge, so der Handelsblatt-Redakteur: „Dennoch hat nicht jeder ein Grundrecht auf Wohnraum in der Stadt, in der er arbeitet. Aber für jeden muss es in einer zumutbaren Entfernung zum Job eine bezahlbare Wohnung geben.“