Reifenabrieb macht ein Viertel des Mikroplastiks in den Meeren aus. Das hat unter anderem das Umweltbundesamt errechnet. Zwar ist einer der Hauptbestandteile des Reifens Naturkautschuk, doch Synthesekautschuk - der auf Erdölbasis hergestellt wird - hat meist einen noch größeren Anteil. Außerdem enthalten Reifen unter anderem Ruß, Siliziumdioxid, Zink, Blei, Cadmium, Öle und Harze. Das alles wird beim Autofahren abgerieben. Mehr Reifenabrieb gibt es, wenn Autofahrer stärker bremsen - zum Beispiel an Ampeln oder in Kurven.
Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts sind Reifen gut ein bis anderthalb Kilogramm leichter, wenn sie am Ende ihrer durchschnittlichen vier Jahre langen Lebenszeit ankommen. Jedes Jahr entstehen nach Schätzungen des Umweltbundesamtes in Deutschland so mindestens 100.000 Tonnen Reifenabrieb. Laut Fraunhofer Institut macht der Abrieb damit rund ein Drittel der primären Mikroplastik-Emissionen in Deutschland aus und liegt damit noch vor den Emissionen der Abfallentsorgung, dem größten Verursacher. Zudem trägt Reifenabrieb zur Feinstaubbelastung bei. Welchen Effekt er darüber hinaus auf den Menschen hat, ist noch nicht genau erforscht.
Mikropartikel: Reifenabrieb landet unter anderem im Wasser
Forscher der Technischen Universität Berlin haben untersucht, wo der Abrieb von Reifen am Ende landet. Die Ergebnisse unterscheiden sich je nachdem, ob der Abrieb in der Stadt oder auf der Autobahn stattgefunden hat.
In der Stadt landet etwa ein Sechstel der Partikel im Wasser, da sie bei Regen von der Straße in Gewässer gespült werden. Von der Autobahn oder auch von Landstraßen verteilen sie sich zu einem Drittel auf dem Boden entlang der Straße. Dort bleibt der Abrieb aber nicht, denn die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Reifenabrieb auch von Organismen aufgenommen werden kann - unter anderem von Pflanzen oder von Regenwürmern, die den Abrieb jedoch nicht wieder abbauen können.
Reifenabrieb kann im menschlichen Organismus landen
So kann es dazu kommen, dass Mikroplastik auch auf dem Teller landet: Entweder, weil beispielsweise Regenwürmer von Vögeln gefressen und diese dann wiederum von Wildtieren aufgefressen werden. Oder weil der Reifenabrieb auf Äckern landet.
Wissenschaftler der Universität Wien haben in einer Studie nachgewiesen, dass dadurch Schadstoffe mit dem Salat in unsere Nahrungskette gelangen können – zumindest unter Labor-Bedingungen. Inwieweit das auch im Freiland geschieht und wie stark Menschen und andere Lebewesen dadurch bedroht sind, sollen weiteren Analysen klären.
Lösungsansätze gibt es nur wenige
Bisher gibt es noch keine umfassenden Lösungen, aber erste Ansätze. Den Abrieb wird man dabei nicht ganz verhindern können, wenn ein sicherer Reifen auch auf nasser Fahrbahn gewünscht ist. Doch es kann Kompromisse geben.
Unter anderem versucht die Forschung, den Reifenabrieb umweltverträglicher zu machen. Der Hersteller Michelin zum Beispiel arbeitet an einem Reifen, der ohne Kunststoff auskommen soll.
Außerdem wird an Lösungen getüftelt, um den Reifenabrieb aufzufangen. Zum Beispiel mit Filtern, wie die Wissenschaftler an der TU Berlin erklären. Die Filter werden in den Gully am Straßenrand eingesetzt und lassen den Abrieb dann nicht in die Gewässer. Allerdings könnten diese Filter pro Stück etwa 1.500 Euro kosten und wären damit nicht flächendeckend einsetzbar. Günstiger hingegen wäre es, die Straßenreinigung mit entsprechenden Kehrmaschinen zu verbessern oder entlang der Autobahnen die obere Schicht des Bodens abzuschälen. Der eingefangene Abrieb könnte dann in entsprechenden Anlagen verbrannt werden.
Ebenfalls mit einem Filter beschäftigt sich das Start-up The Tyre Collectiv. Dieses entwickelt eine Absaugeinrichtung, die sich am Unterboden von Autos anbringen lässt, direkt hinter den Reifen. So soll ein Großteil der Partikel direkt aufgefangen und anschließend wiederverwertet werden.
"Die Politik ist auch gerade dabei - auf EU-Ebene - sich z. B. anzuschauen, ob man nicht so eine Art Labeling für Reifen macht", berichtet Ilka Gehrke vom Fraunhofer Institut. Die Reifen-Industrie müsste dann bei der Reifenherstellung darauf achten, bestimmte Grenzwerte hinsichtlich des Abriebs einzuhalten. Darüber hinaus ergänzt sie, dass auch das richtige Verkehrsmanagement eine große Rolle spiele – bspw. die Geschwindigkeit in Städten.
Ökologischer Reifenkauf?
Wer bereits beim Reifenkauf auf Nachhaltigkeit achten will, kann auf runderneuerte Reifen zurückgreifen. Die Besonderheit: Die Karkasse im Inneren des Reifens stammt hier von einem Altreifen. Diese wird geprüft und dann mit einer neuen Lauffläche versehen. Bis zu 80 Prozent Material können so laut Hersteller eingespart werden.