Cybertrading-Fraud oder Trading Scam

Fiese Internet-Betrugsmasche mit angeblicher Promi-Werbung

Stand
Autor/in
Stefanie Waldschmidt
Eva Gnädig / Marktcheck SWR, 15.10.2024

Kriminelle bringen Privatanleger um Millionen. Angebliche todsichere Anlagetipps von Promis wie Helene Fischer, Markus Lanz oder Didi Hallervorden.

Eine neue Masche im Internet bringt Anleger zum Teil um ihr gesamtes Erspartes. Betroffene müssen ihre Häuser verkaufen, Ehen gehen darüber in die Brüche, vereinzelt gibt es gar Suizide, warnt die Staatsanwaltschaft. Sie verbucht unter Cybertrading-Fraud Millionenschäden bei Privatleuten. Mitunter wird die Masche auch Trading Scam genannt.

Cybertrading-Fraud oder auch Trading Scam nennt die Polizei die noch recht neue, fiese Masche, mit der Kriminelle im Internet Privatanleger um ihr Erspartes bringen.  

Cybertrading-Fraud und Trading Scam: So läuft die Betrugsmasche ab 

Der Ablauf ist dabei laut Polizei immer der Gleiche: Kriminelle veröffentlichen auf Nachrichtenportalen oder Social-Mediaseiten Anzeigen, die wie redaktionelle Artikel von bild.de oder tagesschau.de aussehen

In den vermeintlichen Artikeln werden (nichtsahnende) Promis zitiert und mit Foto gezeigt. So sollen darin angeblich verraten, wie sie mit scheinbar todsicheren Geldanlagen vermeintlich ein Vermögen gemacht haben.

Über Links werden "Interessierte" daraufhin auf professionell wirkende Anlage-Plattformen weitergeleitet und ein Kontakt zu vermeintlichen Anlageberatern hergestellt.

Diese “Anlageberater” bauen teilweise über Wochen ein Vertrauensverhältnis zu ihren späteren Opfern auf. Die Betroffenen werden immer wieder ermutigt, in Raten in eine Kryptowährung wie Bitcoins oder andere Anlagen zu investieren. Die Kriminellen versprechen hohe Renditen.

Das Geld werde aber mitnichten angelegt, sondern verschwinde in den kriminellen Netzwerken.

Betroffen sind auch Internet-erfahrene, überlegt handelnde Menschen 

Siegfried Berger ist so einer. Der Rentner wollte seinen Sohn bei dessen Hausbau unterstützen, hatte extra Geld beiseitegelegt: 34.000 Euro. Doch das Geld ist jetzt weg. Siegfried Berger, der seinen eigentlichen Namen nicht preisgeben will, ist fassungslos: "Das war für mich die größte Enttäuschung über mich selber, dass ich auf so eine Nummer reingefallen bin, weil: bis ich eine Entscheidung treffe, wird die zigmal abgewogen."

Didi Hallervorden gibt scheinbar bei Markus Lanz tolle Geldanlage-Tipps 

Im Mai dieses Jahres stößt Siegfried Berger im Internet auf einen vermeintlichen Artikel über Dieter Hallervorden. Angeblich von Tagesschau.de.  Dieter Hallervorden soll in der Talksendung von Markus Lanz über seine Geldanlagestrategie mit Online-Trading gesprochen haben.  

Siegfried Berger: "Bei dem Artikel war alles absolut glaubwürdig, Die Zweifel sind erst viel später gekommen. Dieser Artikel und auch dieser Ablauf dieser ganzen Geschichte war extrem professionell gestaltet."

Ein Link in dem Artikel führt Siegfried Berger auf die Seite der vermeintlichen Finanzberatungsfirma "Inter Algo" mit Sitz in Wien, über die man Geld anlegen könne.

Vermeintliche Anlageberater rufen mehrmals an, bauen Vertrauen auf 

Der Rentner gibt seinen Namen, E-Mail-Adresse und Telefonnummer an. Kurz darauf bekommt er eine Mail von einer angeblichen Kontomanagerin namens Anna Lau. Darin weist sie ihm einen Anlageberater zu – Martin Becker. Und behauptet: 

"Sie brauchen Ihrem Expert Schritt für Schritt zu folgen und alles zu machen, was er Ihnen sagt, damit mit den besten Moeglichkeiten die höchsten Gewinne gemacht werden."

Von nun an ruft der vermeintliche Anlageberater fast täglich bei Siegfried Berger an. Zunächst soll Siegfried Berger 250 Euro überweisen, dann zweimal etwa 5.000 und noch zweimal etwa 10.000 Euro. Bereits nach kurzer Zeit zeigt sein Konto ihm hohe Gewinne an. 

Angeblich über 155.000 Euro Rendite 

Doch als der Rentner seine mittlerweile angeblich 190.000 Euro ausbezahlt bekommen möchte, gibt es Probleme. Er erhält ein Schreiben – von der Firma "Blockchain": Damit die Gewinne seiner Anlage in einer Kryptowährung in Euro ausgezahlt werden könnten, müsse Siegfried Berger vorher noch ein neues Konto eröffnen. Und noch mehr Geld zahlen.   

Siegfried Berger: "Mir war von diesem Zeitpunkt an klar, dass meine eingezahlten Beträge weg sind." Er verständigt die Polizei und erfährt: Er ist auf eine Betrugsmasche hereingefallen, die sich in Expertenkreisen eben Cybertrading Fraud nennt: Bei dieser Betrugsmasche werden im Internet gezielt Werbeanzeigen als Artikel getarnt. Kriminelle kaufen dafür Werbeplätze bei Nachrichten-Seiten oder in sozialen Netzwerken.  

Promis wie Markus Lanz, Helene Fischer oder Til Schweiger geben angeblich super Anlage-Tipps 

Fast immer erzählen Promis wie etwa Markus Lanz, Helene Fischer oder Til Schweiger, mit welchem angeblich todsicheren Anlagetrick sie ein Vermögen gemacht haben.  

André Wolf und seine Kollegen von dem gemeinnützigen Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch "Mimikama" beobachten Falschmeldungen und Betrug im Netz schon seit Jahren. Auch die aktuelle Betrugsmasche kennt er – die gab es in anderen Varianten schon öfter. André Wolf: „Wenn wir das anklicken, landen wir eben auf einer gefälschten Website. In diesem Fall gibt sie sich als die “Bild” aus und dort bekommen wir einen pseudo-redaktionellen Artikel – also, der tut so, als sei er ein echter Artikel.“ 

Diese Masche beschäftigt auch die Zentralstelle für Cyberkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Bamberg. 

Zentralstelle Cybercrime der Polizei warnt vor dieser Masche 

Hier sind seit 2019 Anzeigen mit einem Gesamtschaden von 350 Millionen Euro bei Oberstaatsanwalt Nino Goldbeck eingegangen. Und das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Viele bringen den Betrug nicht zur Anzeige. 

Nino Goldbeck, Oberstaatsanwalt bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern: „Es gibt Fälle, da ist im siebenstelligen Bereich Geld verloren gegangen und leider müssen wir sehen, dass in vielen Fällen das ganze Familien kaputt macht, dass Ehen ganz erheblich unter diesen Verlusten leiden und in einigen wenigen Fällen waren tatsächlich auch schon Suizide am Ende zu beklagen.“ 

Täter psychologisch geschult 

Die Täter sind psychologisch geschult, bauen in der Regel über Wochen und Monate per Telefon und Chatnachrichten Vertrauen zu ihren Opfern auf.  Hinter dem Betrug steckt ein riesiges, wachsendes System, das europaweit agiert.  

Kriminelle agieren europaweit und sind psychologisch geschult

Callcenter im Ausland 

Die Täter sitzen mit ihren Callcentern im Ausland: In Georgien, der Ukraine, Israel, Serbien oder Bulgarien. Im vergangenen Jahr gelang den Ermittlern ein Schlag in Georgien gegen eine von etlichen Tätergruppierungen.

Der Staatsanwalt war selbst dabei, er zeigt Fotos. Nino Goldbeck: „Es gibt die Hintermänner, es gibt die Managementebene und es gibt diejenigen Personen, die gewissermaßen an vorderster Front tätig sind und tagtäglich den Kundenkontakt halten. Und dort sind dann, aufgeteilt nach Sprachräumen, in unterschiedlichen Abteilungen Dutzende, teilweise Hunderte Personen tätig, die allesamt die jeweilige Sprache ihrer Kunden sprechen, häufig sehr gut. Und die machen von morgens bis abends nichts anderes als betrügen, als Lügengebilde aufbauen.“ Doch wer sind die Betrüger, die Siegfried Berger um viel Geld gebracht haben?  

Gibt es die Firma wirklich? 

Ein Schreiben der Redaktion an Anna Lau, die damals das Konto für Siegfried Berger eingerichtet hat, bleibt unbeantwortet. Im österreichischen Firmenregister ist keine Firma mit dem Namen Inter-Algo registriert.

Und bei der angegebenen Adresse in Wien ist weder das Unternehmen Inter-Algo noch eine Anna Lau zu finden. Der angebliche Firmensitz – ein Fake. Und was sagen die Prominenten, mit deren Namen die Betrüger ihre Opfer ködern? 

Didi Hallervorden entsetzt über Betrug unter seinem Namen 

Marktcheck trifft Didi Hallervorden in seinem Theater in Berlin. Der betrügerische Artikel, auf den Siegfried Berger hereingefallen ist, handelte von ihm.  

Didi Hallervorden ist entsetzt, dass sein Name für solche Betrugsmaschen missbraucht wurde: "Ich bin ja durch Sie drauf aufmerksam gemacht worden. Da stimmt ja hinten und vorne gar nichts. So dämlich wäre ich ja niemals, mich im Fernsehen hinzusetzen mit einem Hemd – was übrigens längst im Müll gelandet ist.  Das ist von vorne bis hinten alles getrickst. Und die armen Leute, die darauf reingefallen sind und das Geld ist ja futsch! Es ist eine solche Arglist, mit der diese Leute vorgehen und dermaßen Menschen-verachtendes Verhalten ich bin entsetzt." Aber wie erkennt man, dass es sich um einen gefälschten Artikel handelt? 

Wie kann man sich schützen? 

André Wolf von Mimikama rät, auf die URL des Onlineartikels zu achten. Da steht häufig ein anderer Name als der des angeblichen Mediums wie etwa Tageschau oder Spiegel. Andre Wolf: „Der beste Tipp ist immer noch: ich nehme so eine Schlagzeile, tippe sie in eine Suchmaschine und schaue, ob diese Schlagzeile irgendwo im Netz gefunden werden kann. Das machen wir einfach mal: Ich öffne eine Suchmaschine meiner Wahl, kopiere die Schlagzeile oder tippe Sie dort einfach ein und das war es. Und jetzt sehe ich: diese Schlagzeile ist nirgendwo zu finden. Was heißt das? Was angeblich passiert ist, stimmt nicht.“ 

Für Siegfried Berger kommen diese Tipps zu spät. Sein Geld ist weg. Irgendwo im Ausland versickert. Er wird künftig wachsamer sein beim Surfen und hofft, dass nun wenigstens andere durch seine Geschichte gewarnt sind. 

Nützliche Links rund um Betrug im Internet: 

Kriminelle erbeuten Millionenbetrag in Niedersachsen  

Wie man sich schützen kann - Tipps der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes

Worauf man achten sollte: Tipps der Polizei Brandenburg

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Stefanie Waldschmidt
Eva Gnädig / Marktcheck SWR, 15.10.2024