Der „Tatort – Für immer und dich“ erzählt von einem jungen Mädchen, das vermisst wird und von dem die Kommissare vermuten, dass es freiwillig verschwand. Was interessierte Sie an diesem Fall, als Sie an die Umsetzung herangingen?
Tatsächlich hat mich in erster Linie die Beziehung zwischen Emily und Martin interessiert. Als Reifungsprozess, als Befreiungsschlag einer jungen Frau. Als ich zu dem Projekt dazustieß, gab es schon eine erste Drehbuchfassung, in der diese Thematik angelegt war. Ich habe dann ganz den Fokus auf das Paar gelegt, Szenen geschrieben zu Martins Familiensituation zu Hause, die ihn emotional begreiflich machen in seiner Abhängigkeit für das junge Mädchen. Für Emily, mit der wir auch sehr viel Zeit alleine verbringen, rein atmosphärische Szenen – ganz ohne jeden Dialog, was ungewöhnlich ist in diesem Format. Wir dürfen ihr in Ruhe dabei zusehen, wie in ihr eine große Entscheidung reift. Toll war auch, dass ich aus Figuren, die zunächst als Männer angelegt waren, Frauenfiguren machen durfte, z.B. aus Jona von der Tankstelle, die wichtig wird, damit Emily sich zutraut, Martin zu verlassen. So konnte ich erzählen, dass es sich bei Emily eigentlich noch um ein Kind handelt, das viel zu früh sexualisiert wurde. Im Grunde ist sie auf der Suche nach Freundschaft und Nähe. Und natürlich beziehe ich mich auf den Tatort »Reifezeugnis« der 40 Jahre vor uns eine ganz ähnliche Paarkonstellation erzählte: nur dass ich dieselben Abschiedsworte, mit denen der Lehrer Nastassja Kinski verließ nun Emily in den Mund lege.
Es gibt vier Hauptfiguren in diesem Film, die beiden Kommissare und die beiden Flüchtigen, erst am Ende werden die Figuren zusammengeführt. Wie haben Sie die Stränge zusammengehalten und aufeinanderbezogen? Und war es schwierig, die Krimispannung nicht zu verlieren?
Für die Krimispannung hatte ich mit Magnus Vattrott einen Autor an meiner Seite, der mit diesem Format sehr viel Erfahrung hat. Und das Schöne ist, dass es auch gar nicht die Krimihandlung ist, die Spannung erzeugt: die Spannung entsteht aus der Frage: wie wird sich Emily aus der Beziehung lösen, kommt sie da heil heraus? Wir kamen dann auf die Idee, eine Parallele zu erzählen, zwischen Franziska Tobler, die die große Hoffnung hat, Mutter zu werden und Frau Arnold, Emilys Mutter, für die sich das Muttersein schmerzhaft und leidvoll ist, seit sie ihr Kind verloren hat. Das verbindet die beiden Stränge.
Sie haben für Ihren Film einen ganz speziellen Look gewählt. Was war dabei Ihre Intention?
Mir war in erster Linie Nähe zu den Figuren wichtig. Diese Nähe hat Stefan Sommer mit seiner Handkamera grandios hergestellt. Desweiteren wollte ich aus dem Detail heraus erzählen, nicht aus der Übersicht. Dies hilft uns, ganz bei den Figuren zu sein, sinnlich mitzuerleben, was sie erleben. Vielleicht erkennt der ein oder andere meine Hommage an die Regisseurin Andrea Arnold. Die sonnigen Farben habe ich gewählt, weil für mich Leichtigkeit und Schmerz immer zusammen gehören und sich filmisch gegenseitig verstärken können, anstatt eine tragische Geschichte noch zusätzlich mit düsterer Musik und mit entsättigten Farben zu erzählen. Deshalb war ich auch glücklich, meinen Lieblingssänger Rio Reiser zweifach im Film unterzubringen. Seine Lieder sind eine perfekte Symbiose aus Leichtigkeit, Wärme und tiefem Schmerz.
Meira Durand spielt die junge Emily. Wie haben Sie sie gefunden und was war dabei ausschlaggebend?
Ich habe Meira Durand aus dem Kinderfilm „Hier kommt Lola“ gekannt. Ausschlaggebend war ihre große Leistung beim Casting.
Wie sehen Sie Fälle wie den von Emily? Es kommt ja gar nicht so selten vor, dass junge Mädchen verwinden und auch in Freiburg gab es einen ähnlichen Fall.
Dazu habe ich keine Antwort. Auch der Film stellt Fragen an einen solchen Fall. Eine Antwort hat er nicht.