Etwa 10.000 Menschen haben gestern in Stuttgart gegen die Corona-Politik demonstriert. Dass der SWR darüber berichtet – eine Selbstverständlichkeit. Aber warum werden unsere Mitarbeitenden beleidigt, beworfen und behindert? Ein Fotograf wurde tätlich angegriffen. Wer sich einmal bei einer solchen Demonstration aufhält, spürt sofort, wieviel Emotionen hochkochen, wie dünnhäutig viele Demonstrierende agieren und sich allein durch ein Kamerateam oder eine Frage provoziert fühlen. Die SWR-Mitarbeitenden sind darauf vorbereitet, agieren besonnen und vermeiden die Eskalation. Sie sind auch nicht empfindlich. Aber es gibt Grenzen. Wir müssen uns nicht alles bieten lassen. Der SWR steht uneingeschränkt zu seinen Mitarbeitenden, die eine unabhängige Berichterstattung sicherstellen. Wir schützen unsere Leute durch Sicherheitspersonal vor Ort. Aber wir stehen ihnen auch juristisch zur Seite, wenn es zu Vorfällen kommt, die von den Ermittlungsbehörden verfolgt werden müssen.
Eine gewisse Emotionalität verstehe ich ja. Viele von uns fahren auf der letzten Rille. In vielen Haushalten liegen die Nerven blank, und nicht wenige Menschen bangen um ihre wirtschaftliche Existenz. Da ist die Aggression gegen Journalistinnen und Journalisten ein Ventil. Mal das Mütchen kühlen gibt einem für einen Augenblick das Gefühl, dem Kontrollverlust zu entgehen. Es ist leichter, seine Wut an Kamerateams auszulassen als an einem unsichtbaren Virus. Aber es ist völlig sinnlos, illegal und zutiefst verwerflich. Dabei bleibt eines klar: Egal wie eklig und ungehörig sich Menschen gegenüber SWR-Mitarbeitenden verhalten, es wird uns in der Unvoreingenommenheit und Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen. Wir berichten weiter nach ethischen und handwerklichen Standards, so wie es der gesetzliche Auftrag von uns verlangt. Dafür stehen die Mitarbeitenden des SWR mit ihrer Kompetenz, ihrer Erfahrung und ihrem Bewusstsein für die hohe Verantwortung in der Krise.
Gestern wurde auf der Kundgebung der hohe Wert der Grundrechte beschworen. Wenn Demonstranten gleichzeitig mit dem Recht auf freie Berichterstattung Fußball spielen, erscheinen all die pathetischen Reden schal und unglaubwürdig. Lasst uns alle an die Regeln halten, die sich unser Land einmal aus guten Gründen gegeben hat. In der Ausnahmesituation der Pandemie sind Medien, die nach allen Seiten ebenso kritisch wie fair berichten, wichtiger denn je. Und noch mehr als sonst funktioniert unser Gemeinwesen nur, wenn wir einander mit Respekt und Rücksicht begegnen.
Frohe Ostern
Ihr Kai Gniffke