Fernverkehr nach Paris betroffen
Die ersten Meldungen klangen noch wie eine zwar ärgerliche, aber auch nicht ganz ungewöhnliche Bahnpanne an einem sommerlichen Ferienwochenende. Am 12. August 207 gegen 11 Uhr haben sich Bahngleise bei Rastatt abgesenkt. Denn unterhalb der Strecke wird gerade der neue Fernbahntunnel gebaut und an dieser Stelle nähert sich die Tunnelröhre schon der Oberfläche. Als Sensoren die Absenkung der Gleise melden, wird der Zugverkehr sicherheitshalber eingestellt. Um 18 Uhr rechnet die Bahn noch damit, dass die Störung nur für das Wochenende ist.
Doch schon an diesem 12. August 2017 konnte man einen Vorgeschmack davon bekommen, was Bahnreisende die nächsten zwei Monate erwarten sollte. Eine Vollsperrung auf der für den Fernverkehr zwischen Karlsruhe und Freiburg/Basel bzw. Straßburg/Paris so wichtigen Rheintalbahn. Die Bahn lässt zwischen Karlsruhe und Baden-Baden Busse fahren.
Pendler verlieren täglich 2 Stunden Zeit
Am folgenden Tag ist schon deutlich: So schnell lässt sich der Schaden nicht beheben. Das Gleis hat sich um bis zu einem halben Meter abgesenkt. Die neue Tunnelröhre verläuft hier gerade mal in fünf Metern Tiefe, gebohrt von einer Vortriebsmaschine, die nun im Tunnel feststeckt, während die Reisenden in Baden-Baden viel Geduld brauchen.
Wieder einen Tag später, am Montag, richtet die Bahn einen Schienenersatzverkehr in Form von Shuttle-Bussen zwischen Rastatt und Baden-Baden ein. Die Busse fahren im 6-Minuten-Takt. Für tausende Pendler bedeutet das trotzdem eine Stunde mehr Fahrtzeit – morgens und abends. Homeoffice war damals noch nicht so üblich und technisch auch meist nicht möglich.
Risiken des Tunnelbaus bei Rastatt waren der Deutschen Bahn bekannt
An diesem Tag wird auch deutlich: Die Bahn kannte die Risiken bei diesem komplizierten Tunnelbau in Rastatt, wie SWR Wissenschaftsredakteur Gábor Pal recherchierte.
Eine Woche vergeht. Immer deutlicher wird: Die Tunnelvortriebsmaschine ist wohl nicht zu retten. Die eingebrochene Tunnelröhre wird mit Beton verfüllt. Die Bahn muss völlig umplanen. Am 21. August – 9 Tage nach der Gleisabsenkung – lädt sie die Presse zum Unglücksort ein. Dabei auch SWR Reporter Patrick Neumann.
Erst Anfang Oktober ist die Strecke wieder frei
Fast zwei Monate müssen täglich 30.000 Menschen die Strecke zwischen Baden-Baden und Rastatt mit dem Bus überbrücken – oder steigen in der Zeit aufs Auto um. Erst Anfang Oktober 2017 wird die Strecke wieder freigegeben.
31.5.1991 Start der ICE-Züge – mit peinlicher Panne
31.5.1991 | Kaum vorstellbar: Bis 1991 war der Intercity das Schnellste, was die Bahn zu bieten hatte. Doch dann die Revolution: Bahnfahren mit 250 Stundenkilometern, von München nach Hamburg in fünfeinhalb Stunden. Züge mit Büroabteilen und Kopfhöreranschluss. Die neuen Züge sollten ursprünglich HGZ heißen, Hochgeschwindigkeitszüge, aber dann entscheidet sich die Bundesbahn doch für den international verständlicheren Namen Intercityexpress, kurz ICE. Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel ist begeistert bei der großen Einweihungsfeier am Stuttgarter Hauptbahnhof und spricht von einer „neuen Epoche 5000 Jahre nach der Erfindung des Rades“.
Es sind nicht nur die schnellen Züge, die das Bahnfahren beschleunigen, sondern auch zum Beispiel der neue Durchgangsbahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, oder neue Trassen wie die zwischen Göttingen und Würzburg sowie Stuttgart und Mannheim, die für den ICE reserviert sind und ein paar Abkürzungen mit sich bringen. Allerdings: Bei der Schnupperfahrt von Stuttgart nach Mannheim, in der auch ordentlich Prominenz mitfährt, kommt es gleich – imagegerecht – zu einer Verspätung.
10.1.1994 "Unternehmen Zukunft!" – Die Privatisierung der Bahn
10.1.1994 | Bis 1993 gab es die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn. Zwei staatliche Unternehmen, hochverschuldet, mit 70 Milliarden D-Mark in den roten Zahlen. Für Frust sorgten damals weniger unpünktliche Züge als vielmehr die noch langen Schlangen an den Fahrkartenschaltern. Und gerade im Osten stiegen immer mehr Menschen aufs Auto um. So sollte es nicht weiter gehen, und so lautete die Hoffnung: Privatisierung! Mit Jahresbeginn 1994 werden beide zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen zusammengeschlossen. Flexibler, wettbewerbsfähiger und billiger sollte die Bahn werden und damit kundenorientierter, nicht mehr abhängig von den Entscheidungen im Verkehrsministerium. Der Bund übernimmt praktischerweise die Schulden, sodass das neue Unternehmen schuldenfrei loslegen kann. Die Berichterstattung ist wohlwollend. Zum Start des neuen Unternehmens kündigt der neue Vorstandschef Heinz Dürr medienwirksam das neue Guten-Abend-Ticket an, das vor allem für gute Stimmung sorgen soll.
Reporterin: Birgit Wentzien