DDR-Bürger loben Maßnahmen der eigenen Regierung
Am Tag, als die DDR-Regierung die Sektorengrenze abriegelt – die Vorstufe zum Mauerbau – sendet Radio DDR eine Umfrage unter den eigenen Bürgerinnen und Bürgern. Gesendet werden ausschließlich Stimmen, die die Regierung in Ostberlin für die Maßnahmen loben. Sie „hätten schon viel früher“ kommen müssen. Der Historiker Dr. Stefan Wolle meint dazu in SWR2 Wissen:
„Diese Art von Umfragen kann man einfach nicht ernst nehmen. Es wäre niemanden anzuraten gewesen, da eine andere Meinung zu sagen. Denn die Staatsorgane der DDR haben sehr rigoros also jeden Widerstand und jeder, jeder jede abweichende Meinung sofort mit Brachialgewalt gebrochen. Und wenn jemand den Mut gefunden hätte, da was anderes zu sagen, dann hätten sie es eben einfach nicht gesendet.“
In Wahrheit hätten sich die Bürger resigniert und hilflos gefühlt:
„Angesichts dieses gewaltigen Aufmarsches an militärischen Machtmitteln, hinter denen ja auch noch die Sowjetarmee stand, bot sich nicht der geringste Raum für die Hoffnung, dass offene Widerstandshandlungen sinnvoll gewesen wären. Obwohl, das wissen wir jetzt erst aus internen Papieren, die sich in den Archiven gefunden hat. Die SED-Führung hat mit offenem Widerstand gerechnet. Sie hat alles vorbereitet, um solche, sagen wir mal Streikmaßnahmen, offene Demonstrationen zu unterdrücken. Es ist dazu nicht gekommen. Die Analysen allerdings der Staatssicherheit der DDR zeigen deutlich, dass der größte Teil der Bevölkerung dagegen gewesen ist.“
Mauerbau 1961 in Originaltönen
15.6.1961 Walter Ulbricht: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten"
15.6.1961 | Zwei Monate, bevor in Berlin die Mauer errichtet wird, dementiert der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht diese Pläne: Niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten. Doch in welchem Zusammenhang fielen diese Worte? Die Situation: Immer mehr DDR-Bürger flüchteten nach West-Berlin – etwa 300 am Tag. Das war für die DDR auch ein wirtschaftliches Problem. Sie bezifferte die Kosten auf eine Milliarde Mark. Walter Ulbricht drängte deshalb die sowjetische Führung unter Chruschtschow, die Grenze nach West-Berlin zu schließen. Aber Moskau wollte primär etwas anderes: nämlich einen formellen Friedensvertrag. Und zwar mit West-Berlin als einer sogenannten "Freien und neutralen Stadt" – die also nicht zur Bundesrepublik und somit auch nicht zur NATO gehören sollte.
13.8.1961 DDR-Nachrichten zum Mauerbau
13.8.1961 | Der Deutschlandsender war das Radioprogramm des Staatlichen Komitees für Rundfunk der DDR. So berichtete es am Tag, als die DDR die Sektorengrenze abriegelte, um zunächst eine Grenze aus Stacheldraht zu ziehen, und schließlich eine Mauer zu bauen.
Im Rundfunk der DDR wurde außerdem die Anweisung des Innenministerium verlesen, die die Grundlage für die Grenzmaßnahmen darstellt.
13.8.1961 Beginn des Mauerbaus in Berlin: Reportagen von der Sektorengrenze
Der 13. August 1961 gilt als Beginn des Mauerbaus. Eine Mauer ist an dem Tag allerdings noch nicht zu sehen, aber Stacheldraht: Die DDR riegelt die Sektorengrenze ab und reißt stellenweise die Straßen auf. Dass irgendwas passiert, ist unübersehbar. Schon in den frühen Morgenstunden schicken Sender Freies Berlin (SFB) und RIAS ihre Reporter an die Sektorengrenze. Wir hören zunächst Götz Kronburger vom SFB.
Eine Viertelstunde später meldet sich RIAS-Reporter Rainer Höynck vom Potsdamer Platz.
Später fährt Erich Nieswandt vom SFB für den Sender Freies Berlin von einem Grenzübergang zum anderen. Wir hören ihn erst am Brandenburger Tor und anschließend an der Bernauer Straße.
Die Situation an der Bernauer Straße ist bizarr, denn auf der südlichen Straßenseite verläuft die Sektorengrenze direkt an der Hauswand: Die Häuser gehören zu Ost-, der Bürgersteig zu Westberlin. Später wurden die Hauseingänge zugemauert, die Menschen konnten nur noch über die Hinterhöfe in ihre Wohnungen gelangen. Immer wieder sind aber auch Bewohner in den Westen geflohen, indem sie aus dem Fenster über die Grenze sprangen. Teilweise wurden sie mithilfe von Feuerwehr-Sprungtüchern auf dem Bürgersteig aufgefangen, erklärt der Historiker Stefan Wolle in SWR2 Wissen:
"Davon gibt es Fotos und eben auch Rundfunkreportagen. Die Bernauer Straße geriet schnell in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit durch die spektakulären Fluchtaktionen. Später wurden dann diese Häuser ganz abgerissen, damit die Posten der DDR freies Schussfeld haben, um auf Flüchtlinge zu schießen.“
14.8.1961 Walter Ulbricht im Gespräch mit Arbeitern und Soldaten
14.8.1961 | Am Tag nach Beginn des Mauerbaus begleitet das DDR-Fernsehen Walter Ulbricht, wie er sich in Ostberlin unters Volk mischt und mit Arbeitern und Soldaten spricht – vorbereitet durch eine überschwängliche Anmoderation.
14.8.1961 Propagandamusik zum Mauerbau: "Unser schönes Berlin wird sauber sein"
14.8.1961 | Zur DDR-Propaganda gehörte auch Musik. Einen Tag nach Abriegelung der Sektorengrenze in Berlin sendet Radio DDR am 14. August 1961 einige Lieder, die die Maßnahmen der Regierung als Befreiung und Säuberung Berlins glorifizieren. Den Anfang macht das folgende Stück des Komponisten Walter Kubiczeck. Der Text stammt von Eberhard Fensch. Laut der Ansage im Radio wurden dieses und andere Stücke angeblich innerhalb weniger Stunden geschrieben.
Im Lied ist von den „Kalten Kriegern am Rhein“ die Rede. Dies spielt auf einen Vorwurf an, der in der DDR immer zu hören war, dass es in Bonn Pläne gäbe, die DDR zu annektieren und schließlich die Grenzen von 1939 wieder herzustellen.
16.8.1961 Willy Brandt verurteilt Mauerbau – Eine seiner emotionalsten Reden
16.8.1961 | Am 13. August 1961 beginnt in Berlin der Bau der Mauer – nachdem der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 noch behauptet hatte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten.
Am 16. August findet vor dem Schöneberger Rathaus eine große Protestkundgebung statt. Dort spricht auch der Regierende Bürgermeister Willy Brandt. Es ist eine seiner entschiedensten und emotionalsten Reden. Er macht deutlich: Es geht hier um weit mehr als nur um Berlin. Man dürfe sich das nicht bieten lassen.
Brandt warnt vor weiterer Appeasement-Politik. Denn die Versuche, durch politische Kompromisse und wirtschaftliche Abkommen der DDR-Führung entgegenzukommen, seien offenbar gescheitert und hätten diese nur noch zu weiteren Repressionen ermutigt. Und wer jetzt noch aus dem Westen zur Leipziger Buchmesse reise, solle gleich drübenbleiben.