Menschenraub im Kalten Krieg: Entführt nach Ostberlin (11)
Auf dem Gewerkschaftstag der ÖTV am 27. Juni 1961 informiert der DGB-Vorsitzende Willi Richter über den Stand der Dinge im Entführungsfall Heinz Brandt und verurteilt das Vorgehen der DDR-Regierung.
Im Bild: Berlin, 27. Oktober 1961, Kongress des DGB in der Kongresshalle: G. Maparas, James B. Carey, Willi Richter, der Regierende Bürgermeister Willy Brandt, Arne Geijer, Omer Becu, Schevenels, S.I.Ese, A.Jauregiu. (v.l.n.r.)
Historische Tondokumente
1.6.1950 Was geschah mit Kurt Müller?
1.6.1950 | Entführt nach Ostberlin (1) | Bis zum Mauerbau 1961 entführte die Stasi viele Hundert Menschen von Westberlin und der Bundesrepublik nach Ost-Berlin. Eins der Entführungsopfer ist Kurt Müller, 1950 Bundestagsabgeordneter der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Bei einer Fahrt in den Berliner Ostsektor wird er dort verhaftet. Der Fall beschäftigt auch den Bundestag in Bonn. Denn schon einige Wochen nach der Entführung liegt dem Parlament eine von Kurt Müller unterzeichnete Erklärung vor, in der Müller sein Bundestagsmandat niederlegt. Hat Müller den Brief freiwillig verfasst oder unter Druck? Das ist die große Frage am 1. Juni 1950.
20.7.1950 Kurt Müllers Verlobte
20.7.1950 | Entführt nach Ostberlin (2) | Im März 1950 wird der KPD-Bundestagsabgeordnete Kurt Müller entführt. Ausgerechnet, ein kommunistischer Genosse aus dem Westen wird Opfer der Stasi. Vier Monate später tritt seine Verlobte an die Öffentlichkeit und gibt am 20. Juli 1950 eine Pressekonferenz. Sie appelliert an das Gewissen aller, sich für die Befreiung und Rückführung ihres Verlobten einzusetzen und Müller fair zu behandeln. Und sie schildert die Ereignisse aus ihrer Sicht.
8.7.1952 Augenzeugen zur Entführung von Dr. Walter Linse
8.7.1952 | Entführt nach Ostberlin (4) | Dr. Walter Linse, Mitarbeiter des Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen, wird vom Staatssicherheitsdienst (SSD) aus seiner Wohnung in Berlin-Lichterfelde in die DDR verschleppt. Zwei Augenzeugen schildern ihre Beobachtungen und Reaktionen auf die Ereignisse.
10.7.1952 Protestkundgebung gegen Menschenraub
10.7.1952 | Entführt nach Ostberlin (5) | Zwei Tage nach der Entführung von Walter Linse findet auf dem Rudolph-Wilde-Platz in Berlin eine große Solidaritätskundgebung statt. Ein Kollege von Linse fordert angesichts des Vorfalls ein Recht auf freien Waffenbesitz, um sich vor Entführungen zu schützen. Wir hören außerdem den CDU-Politiker Franz Amrehn sowie den Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD).
16.7.1952 Der Fall Walter Linse beschäftigt die Bundesregierung
16.7.1952 | Entführt nach Ostberlin (6) | Eine Woche nach der Entführung ist der Fall Walter Linse Thema im Bundestag. Dort nimmt der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser (CDU) Stellung und kündigt am 16. Juli 1952 stärkere Schutzmaßnahmen an der deutsch-deutschen Grenze an.
16.7.1952 Verstärkter Grenzschutz an der Havel
16.7.1952 | Entführt nach Ostberlin (7) | Als Folge der Entführung von Walter Linse und anderer Fälle von Menschenraub werden nicht nur Schlagbäume an der Zonengrenze errichtet. Auch in den Berliner Gewässern werden die Grenzschutzmaßnahmen verstärkt. Ein Reporter berichtet von einer Fahrt auf der Havel bei der Pfaueninsel kurz vor Potsdam.
13.11.1952 Polizei fasst die Entführer von Walter Linse
13.11.1952 | Entführt nach Ostberlin (8) | Der Berliner Polizeipräsident Stumm verkündet, dass die Entführer von Walter Linse gefasst seien. Er nennt die Namen mitsamt der Adresse. Völlig unklar ist zu diesem Zeitpunkt das Schicksal Walter Linses. Erst Jahre später erfährt die Öffentlichkeit: Er wurde nach der Entführung nach Moskau gebracht, dort zum Tode verurteilt und im Dezember 1953 erschossen.
4.6.1954 Menschenraub-Prozess gegen die Entführer von Walter Linse
4.6.1954 | Entführt nach Ostberlin (9) | Im Juni 1954 steht Kurt Knobloch vor Gericht, einer der Entführer des Rechtsanwalts. Vor der Zweiten Großen Strafkammer in Moabit schildert er seine Version, wie die Entführung vonstatten ging. Vernommen wird außerdem der Zeuge Horst Brüggemann.
6.4.1955 Stasi entführt und erpresst West-Journalisten des RIAS
6.4.1955 | Entführt nach Ostberlin | 1955 werden Fälle bekannt, in denen die Stasi Journalisten aus West- nach Ostberlin verschleppt oder zu erpresst.
Ende März 1955 etwa versucht der Stasi-Agent Gerhard Beck, die RIAS-Mitarbeiterin Lisa Stein zu entführen. Der RIAS war der Rundfunk im amerikanischen Sektor. Beck kannte Lisa Stein und gab ihr in einem Café eine mit Scopolamin vergiftete Praline, die sie betäuben sollte. Der Anschlag misslang, weil das Gift nicht sofort wirkte. Am 2. April – beim Versuch, einen anderen RIAS-Mitarbeiter zu entführen – wird Gerhard Beck verhaftet. Am 6. April berichtet der RIAS ausführlich über diesen und andere Fälle. Die Sendung beginnt mit einem Appell von RIAS-Programmdirektor Eberhard Schütz .
Tags darauf erfolgt die Antwort des DDR-Rundfunks – in Form einer Glosse, die die Empörung in Westberlin ins Lächerliche zieht. Der Kommentator greift dabei auch den Fall des erfolgreich von der Stasi entführten Journalisten Karl Wilhelm Fricke auf, dann geht er auf die anderen Fälle von entführten und erpressten Journalisten ein.
16.6.1961 Heinz Brandts Frau über die Verschleppung ihres Mannes
16.6.1961 | Entführt nach Ostberlin (12) | Drei Wochen nach der Entführung von Heinz Brandt am 16. Juni 1961 äußert sich seine Frau und spekuliert über die Gründe der Stasi.
23.6.1961 Gewerkschafter Heinz Brandt wird verschleppt
23.6.1961 | Entführt nach Ostberlin (10) | Am 16. Juni 1961, knapp zwei Monate vor dem Bau der Mauer, wird der Gewerkschafter Heinz Brandt verschleppt. Brandt war 1958 aus der DDR geflohen und Redakteur bei der IG Metall in Frankfurt. Während einer Reise nach Ostberlin wird er betäubt und entführt, was die Öffentlichkeit aber erst viel später erfuhr. Wir werden die Einzelheiten noch von ihm selbst hören. Am 23. Juni 1961 informierte ein Mitarbeiter des Berliner Innensenats die Presse über erste Ermittlungsergebnisse.
1975 Stasi-Aufarbeitung des Falls Kurt Müller
1975 | Entführt nach Ostberlin (3) | Warum ließ die Stasi 1950 ausgerechnet einen kommunistischen Genossen entführen und verurteilen? Was war das überhaupt für ein Mensch?
1975, 25 Jahre nach den Ereignissen, befragt die Stasi ehemalige Genossen, um selbst diesen und andere Entführungsfälle aufzuarbeiten. Einer der damaligen Entführer, Hans Rosenberg, schildert, warum Müller – obwohl KPD-Mitglied – der Prozess gemacht werden sollte.
In der zweite Aufnahme (ab 12:45) steht Richard Stahlmann im Mittelpunkt. Er hat die Entführungen der 1950er-Jahre maßgeblich organisiert. Befragt werden ehemalige Weggefährten von Stahlmann. Die Aufnahme stammt ebenfalls aus dem Jahr 1975.