Musikgespräch

Der Tenor Jonas Kaufmann

Stand
Interview
Dorothea Hußlein
Künstler/in
Jonas Kaufmann

Jonas Kaufmann sei der „wichtigste und vielseitigste Tenor seiner Generation", so die New York Times. Deutschlands bekanntester Opernsänger ist ein echtes Münchner Kindl. Zu Hause ist Kaufmann auf den großen Bühnen wie der Metropolitan Opera, dem Londoner Royal Opera House oder der Bayerischen Staatsoper. Er pflegt ein breites Repertoire von der Oper und Operette bis zum Wiener Lied und italienischen Evergreens. Darüber, sowie über die aktuelle Lage der Kultur in der Corona-Pandemie erzählt er in SWR2.

Jonas Kaufmann ist auf Bühnen, Bildschirmen und auf dem CD-Markt präsent wie eh und je. Zwar musste er im Februar 2020 wegen einer Covid-Infektion eine Zwangspause einlegen und auch während des ersten Lockdowns wurden seine Auftritte und Termine abgesagt. Der Tenor nahm sich aber nach kurzer Zeit vor, das Beste aus der eigentlich unglücklichen Situation zu machen und Projekte zu realisieren, für die er früher keine Zeit hatte.

„Ein paar Wochen waren wunderschön. Gemeinsam mit der Familie, mit dem kleinen Nachwuchs zu Hause zu verbringen, war ganz toll. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man wieder arbeiten möchte und muss, weil man nicht weiß, wie lange das noch geht und irgendwann gehen einem dann doch die finanziellen Reserven aus. Aber eigentlich konnte ich vor allem meine Energie nicht zurückhalten. Ich musste irgendetwas finden."

Projekte, die ohne Lockdown nie zustande gekommen wäre

Kaufmann drehte einen Film - für den er sonst keine Zeit gehabt hätte. Er nahm mit seinem Liedbegleiter Helmut Deutsch „eine bunte Mischung von Stimmungsliedern" auf. Ebenso sei seine Weihnachts-CD die Verwirklichung eines lang gehegten Wunsches, welcher jetzt realisiert werden konnte.

Der Tenor hat aber nicht nur Konzerte ohne Publikum gestreamt oder im Studio mit Einsatz von Desinfektionsmittel und Abstand CDs produziert. Während in Deutschland die Konzertsäle und Opernhäuser kurz nach Saisonbeginn der Reihe nach wieder schließen mussten, war Jonas Kaufmann in Wien, wo er mehrere Konzerte geben konnte - sei es auch nur im Park. Die Kultur habe da einen anderen Stellenwert und das Publikum brenne für die Klassik, so Kaufmann. Für diese große Verbundenheit liebe er schon lange die Stadt.

Kaufmann zur Schließung der Metropolitan Opera: „Die Antwort würde nicht ganz jugendfrei ausfallen."

Auf die Frage hin, was Kaufmann durch den Kopf ging, als die New York Metropolitan Opera die gesamte Saison 2020/21 absagte, antwortet er: „Ich glaube, die Antwort würde nicht ganz jugendfrei ausfallen." Kaufmann hat in der geschichtsträchtigen Met wichtige Auftritte gehabt, die seine Karriere befördert haben. Besonders bleibt ihn sein erster Auftritt im Jahr 2006 in Erinnerung. Da ist er als Alfredo in der Traviata an der Seite Angela Gheorghius aufgetreten. Auch heute kriege er noch Gänsehaut, wenn er an die ersten Momente auf dieser Bühne denkt.

Die Entscheidung des Intendanten Peter Gelb irritiert Kaufmann besonders wegen der erheblichen Größe der Met. Ein Betrieb mit einer geringen Menge von Publikum und strengen Hygiene-Bedingungen hätte unter Umständen realisiert werden können, findet der Sänger. Schließlich hätte es dafür Modelle in Europa gegeben. Auch wenn die Metropolitan Opera privat finanziert wird, glaubt Kaufmann, dass man eine Lösung mit der Stadt und mit Sponsoren hätte finden können.

„Mit 3700 Plätzen leuchtet mir einfach nicht ein, dass man das nicht auch für 1000 oder 1500 Menschen aufmachen kann, auch wenn es weniger Profit einbringt als sonst. Deshalb bin ich überhaupt nicht einverstanden damit, dass das Haus weiterhin geschlossen bleibt. Dass Chor und Orchester weiter arbeitslos auf der Straße stehen in der Hoffnung, dass es dann dieses Orchester und diesen Chor überhaupt in seiner Form noch gibt."

Blick in die Zukunft: Die Basis werde fehlen

„Bei uns" in Europa ist die Lage zwar - durch die öffentliche Finanzierung bedingt - nicht derart dramatisch wie in anderen Ländern. Dennoch blickt Kaufmann nicht besonders positiv in die Zukunft. Die Kunstform Oper werde nicht aussterben, davon ist er überzeugt. Er glaubt aber nicht, dass sie in der Breite bestehen bleiben wird. „Wir werden das gleiche Problem haben wie im Sport, wenn es die Basis nicht gibt. Wo sollen dann die Spitzensportler herkommen?". Deswegen fühle er gerade besonders mit dem Nachwuchs im Opernbetrieb mit.

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