5 Jahre DeZIM-Migrationsforschung

Migrationsforscherin Fouroutan: "Wir stellen fest: Viele der Menschen, die kommen, bleiben nicht hier"

Stand
Interview
Doris Maull

Die öffentliche Debatte über Migration wird zunehmend von den Forderungen nach Abschottung bestimmt. So hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser kürzlich erneut die Einführung stationärer Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien gefordert.

Für Migrationsforscherin Naika Fouroutan vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ist das ein wiederkehrendes Phänomen: "Diese Position in der Gesellschaft wiederholen sich immer wieder, und das hängt nicht unbedingt immer mit steigenden Zahlen von Flüchtenden oder Migranten zusammen."

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Die Debatte hat sich schon früher verschärft

Man kenne dieses Phänomen tatsächlich aus der Geschichte schon genau, sagt Fouroutan. "Denken wir mal an die 1990er-Jahre zurück, die damals zum sogenannten Asylkompromiss geführt haben, oder an die Jahre 2015/16 oder auch eben jetzt: die Bevölkerung diskutiert über Migration über Kapazitätsgrenzen und darüber, was man schafft oder nicht schafft", so Fouroutan.

Man kenne das Phänomen aus der Migrationsforschung und begleite es. Die Aufgabe des DeZIM, das in diesen Tagen sein fünfjähriges Bestehen begehe, sei es, Antworten zu finden, indem man versuche, zur Versachlichung der Debatten beizutragen.

Deutschland könnte prosperieren - und schafft sich gerade selbst ab

Vor allem aber werde das eigentliche Bild verzerrt durch das Narrativ vom Deutschland, das an der Zahl der Geflüchteten "erstickt", sagt Fouroutan: "Knapp 75 Prozent aller Männer, die in den Jahren 2015 und 2016 als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind, sind heute sozialversicherungspflichtig beschäftigt."

Forum Verteilen, steuern, begrenzen? Der Streit um die Migration

Michael Risel diskutiert mit
PD Dr. Stefan Luft, Migrations- und Integrationsforscher, Universität Bremen
Sophie Meiners, Migrationsforscherin, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl, Rechts- und Politikwissenschaftler, Hochschule RheinMain

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Deutschland als Ausbildungsnation sei eben sehr wohl in der Lage, innerhalb kürzester Zeit – nämlich innerhalb von zwei bis drei Jahren – ungelernte Personen zu Fachkräften auszubilden. "Alles das sind Sachen, die wir mit unseren Zahlen belegen können."

Die Fachkräfte gehen wieder

Dennoch stehe Deutschland im Ranking der Länder, denen die meisten ausländischen Fachkräfte abhanden kommen, weit oben, sagt Fouroutan.

Das werde angesichts der bevorstehenden Welle von Ruheständlern sehr schnell zum Problem werden: "Wir als Forschung müssen natürlich auch antizipieren und die Gesellschaft in fünf Jahren und in zehn Jahren betrachten. Und wir können auf Basis der Zahlen sagen: Deutschland wird sich abschaffen, wenn dieser negative Migrationsdiskurs gewinnt und die besten Kräfte das Land wieder verlassen."

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