Heizen, Baden, Gendern: Was die Temperatur angeht, halten die Debatten in diesem Sommer mit dem Klima mit. Die Gesellschaft polarisiert sich. So scheint es zumindest. Eine neue Studie der TU Dresden hält dagegen. Die Rede von einer gesellschaftlichen Spaltung sei übertrieben. Im europäischen Vergleich liege Deutschland eher im Mittelfeld. Aber wieso haben wir dann den Eindruck, dass es ganz anders ist? Das erklärt Studienleiter Hans Vorländer im Interview mit SWR2.
„Kein hochpolarisiertes Land“
Bei Fragen des Klimaschutzes und der Migration, verhärten sich die Fronten. Und dennoch könne man nur mit Blick auf etwa 20 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sagen, sie würden sich bei diesen Themen polarisieren, erklärt Hans Vorländer. Ein Fünftel der Gesellschaft. „Generell kann man also nicht sagen, dass Deutschland ein hochpolarisiertes Land ist“, so der Politologe.
Und das ist nicht die einzige überraschende Erkenntnis, mit der Vorländer aufwarten kann. Untersucht wurde in der Studie auch, ob es Unterschiede zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung gibt. Dem Klischee nach sind in der Stadt ja eher die weltoffenen, liberalen Milieus zuhause. Und trotzdem seien die Menschen in der Stadt bei bestimmten Reizthemen unversöhnlicher eingestellt, als die vermeintlichen „Hinterwäldler“ auf dem Land, sagt Vorländer.
„Wir können also auch nicht sagen, es gibt einen klaren Riss zwischen Stadt und Land.“
Wieso sich die These von der Spaltung der Gesellschaft trotzdem so hartnäckig hält, sei eine offene Frage, so Vorländer. „Vielleicht hat das auch mit der medial zugespitzten Form zu tun, in der wir über bestimmte Themen reden.“ In den Medien bekämen diejenigen, die am lautesten schreien würden, oft den größten Raum, sagt der Politologe. Und das verzerre die Wahrnehmung mit Blick auf bestimmte Debatten.
ARD-Themenwoche vom 6. bis 12. November 2022 „Wir gesucht – Was hält uns zusammen?“
Menschen zusammenbringen und Spaltung überwinden – die ARD Themenwoche will einen vielstimmigen Dialog anregen. Gibt es so etwas wie ein „Wir“-Gefühl überhaupt noch, oder driften wir auseinander in Querdenker und Geimpfte, Alt und Jung, Arm und Reich, Trans und Cis, mit und ohne Einwanderungsgeschichte?