Deutschlands erster „Trusted Flagger“ gegen Hassrede im Netz
Seit dem 1. Oktober 2024 hat die Meldestelle REspect! aus dem baden-bürttembergischen Sersheim eine neue Funktion. Sie wurde zum „Trusted Flagger“ der Bundesnetzagentur ernannt. Diese Rolle ermöglicht es der Meldestelle, Inhalte, die strafrechtlich relevant erscheinen, direkt an die Plattformen weiterzugeben, damit diese entscheiden können, ob der betreffende Inhalt gelöscht werden soll oder nicht.
„Menschen, die Hass im Netz oder außerhalb erleben, können sich an uns wenden. Wir prüfen dann, ob eine strafrechtliche Relevanz vorliegt und leiten dies an die zuständigen Behörden weiter", sagt Petra Densborn, Vorstandsvorsitzende der Jugendstiftung Baden-Württemberg, im Gespräch mit SWR KULTUR. REspect! ist eine Maßnahme der Jugendstiftung im Demokratiezentrum Baden-Württemberg in Kooperation mit der Bayerischen Staatsregierung.
Der Dienstweg wird erheblich verkürzt
Mit dieser neuen Funktion soll der Weg zwischen Prüfung und Löschung von Hassinhalten verkürzt werden: „Was uns sehr wichtig ist: dass wir den Prozess beschleunigen können und die Plattformen schneller reagieren müssen, wenn strafrechtlich relevante Inhalte gemeldet werden“, so Densborn.
Der Kernauftrag der Meldestelle bleibt dabei jedoch derselbe: Hass und Hetze sichtbar zu machen und strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen. Dabei steht die Stärkung der Demokratie im Mittelpunkt, wie Densborn weiter ausführt: „Unser Ziel ist es, das Gefühl der Ohnmacht gegenüber Hass im Netz zu reduzieren und den Betroffenen einen Weg zu bieten, sich zu wehren.“
Schwere Verstöße werden weiterhin zur Anzeige gebracht
Die Meldestelle arbeitet eng mit dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern zusammen, um sicherzustellen, dass Hassinhalte verfolgt und gegebenenfalls zur Anzeige gebracht werden.
Täglich erreichen die Meldestelle rund 85 Meldungen, oft von Menschen, die selbst von Hassbotschaften betroffen sind oder auf solche aufmerksam gemacht wurden. „Die Menschen wenden sich an uns, weil sie im Netz Hate Speech erlebt haben, und wir prüfen dann, ob diese Inhalte strafrechtlich relevant sind“, erklärt Densborn.
Wichtig dabei ist: Die Meldestelle hat durch ihre neue Funktion als „Trusted Flagger“ nicht die Befehlsgewalt über die Anbieter von Social-Media-Plattformen. Die müssen letztlich immer noch selbst entscheiden, ob sie einen Inhalt entfernen oder nicht.
Ob das Modell Schule macht, hängt vom Erfolg ab
Es bleibe am Anfang dieses neuen Prozesses noch abzuwarten, wie gut die Zusammenarbeit und Kommunikation mit den unterschiedlichen Anbietern funktionieren wird, erklärt Densborn im Gespräch.
Viele der großen Plattformen wie X (Twitter), YouTube, Facebook und Instagram befinden sich in amerikanischer Hand und haben teilweise Büros in Deutschland. Bei anderen Plattformen wie Telegram mit Betreibern aus dem arabischen Raum oder TikTok aus der Volksrepublik China sieht das hingegen anders aus. Weitere „Trusted Flagger“ werden vermutlich nur dann ernannt, wenn die Zusammenarbeit auch mit diesen Anbietern reibungslos funktioniert.
Petra Densborn ist dennoch überzeugt, dass diese Entwicklung notwendig war, um die wachsenden Herausforderungen im digitalen Raum zu bewältigen. „Wir sehen eine Zunahme populistischer und radikaler Äußerungen in den sozialen Medien. Deshalb müssen wir auch unsere Prozesse anpassen, um effektiver dagegen vorzugehen“, erklärt sie. Die Meldestelle bleibe dabei eine zentrale Anlaufstelle für all jene, die im Netz Hassbotschaften erfahren.
Kritik gibt es vor allem von rechtskonservativer Seite
Dabei sind die neuen Befugnisse der Meldestelle REspect! nicht allen in Deutschland willkommen. So ist in einem Artikel des rechskonservativen Onlinemagazins Tichys Einblick von Zensur die Rede – ein Vorwurf, der angesichts der Faktenlage aus der Luft gegriffen scheint.
Obwohl die Meldestelle weiterhin eng mit Behörden zusammenarbeitet, betont Densborn, dass es bei der Arbeit nicht darum gehe, politische Meinungen anderer zu unterdrücken: „Wir sind nicht dafür da, Zensur zu betreiben. Unser Auftrag ist es, Demokratie zu stärken, nicht Menschen zu denunzieren.“
Die Meldestelle nimmt sich vor, die Effekte der neuen Arbeit als „Trusted Flagger“ genau zu evaluieren und „dann sicherlich nochmal auswerten, ob das was sich die Politik und die Bundesnetzagentur davon verspricht auch tatsächlich Wirklichtkeit wird“, so Petra Densborn.