Kulturmedienschau

Putin-Biograf Seipel soll Hunderttausende Euro aus Russland erhalten haben | 15.11.2023

Stand
Autor/in
Anja Höfer

Er war mit Putin auf Rotwildjagd in Sibirien, trank mit ihm heißen Tee in der Taiga: Der Journalist Hubert Seipel galt als einer der intimsten Russland-Kenner, drehte Putin-Dokumentationen für die ARD, war Auslandskorrespondent für Stern und Spiegel und schrieb zahlreiche Bücher – immer nah dran am russischen Machthaber. Wie der „Spiegel“ und das ZDF-Magazin „Frontal“ unter Berufung auf vertrauliche Dokumente aus Zypern berichteten, geht es um 600.000 Euro, die im Rahmen eines sogenannten „Sponsorenvertrages“ gezahlt worden seien.

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„Sponsorenvertrag“ für zwei Bücher unterschrieben

Seipels Vertragspartner war eine Briefkastenfirma namens De Vere Worldwide Corporation mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Diese gehöre augenscheinlich zum Firmengeflecht des russischen Oligarchen und langjährigen TUI-Großaktionärs Alexej Mordaschow, den die Europäische Union nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine mit Sanktionen belegte.

Laut „Spiegel“ und ZDF wurden die Zahlungen im Rahmen von „Cyprus Confidential“ aufgedeckt, eine internationale investigative Recherche, bei der es um fragwürdige Geschäfte des EU-Landes Zypern geht. „Die internen Dokumente belegen, dass Seipel 2018 einen ,Sponsorenvertrag‘ unterschrieben hat (...). Finanziert werden sollten zwei Bücher, die Seipel schreiben würde. Und tatsächlich erschien 2015 ,Putin. Innenansichten der Macht‘. 2021 dann ,Putins Macht. Warum Europa Russland braucht‘. Beide Bücher wurden vom Hamburger Verlag Hoffmann und Campe veröffentlicht. (...)“, so der „Spiegel“.

ZDF heute zeigt in seinem Artikel „Hunderttausende für Putin-Experten Seipel “ Auszüge des Sponsorenvertrags zwischen Hubert Seipel und der Briefkastenfirma De Vere Worldwide Corporation.

Als Russlanderklärer in den Medien unterwegs

Im Juni 2021 war Seipel auch zu Gast in der SWR1-Sendung „Leute“, es ging um sein soeben erschienenes zweites Buch, um seine Nähe zu Putin und dessen autoritärem Regime. Irgendwann fragte ihn Wolfgang Heim, der Moderator, ob er direkt oder indirekt Geld aus Russland bekommen habe. Seipels Antwort: „Gehts noch?“ Später folgte im Interview auf die Frage nach der Bezahlung noch ein klares „Nein“ von Seipel.

Das ganze SWR1 Leute Interview mit Hubert Seipel:

Mittlerweile Zahlungen eingeräumt

„Auf Anfrage des Spiegel räumt Seipel heute die Zahlungen von Alexej Mordaschow ein. Der sei ein Unternehmer, der mit privatem Geld Projekte sponsere. (...) Die ,Unterstützung‘ habe sich aber „ausschließlich auf die Buchprojekte“ bezogen. Er habe gut acht Jahre an den Büchern gearbeitet, das sei eine Zeitspanne, die nicht unbedingt durchgehend von Verlagen kalkuliert werde. Er verweist auf den Vertragspassus, wonach er keinerlei inhaltliche Verpflichtungen gegenüber dem Sponsor eingegangen sei“, heißt es im „Spiegel“.

NDR prüft rechtliche Schritte gegen Seipel

Der NDR, für den Seipel unter anderem „Ich, Putin - Ein Portrait“ (2012) produziert hatte, sieht einen Interessenskonflikt Seipels, der dessen journalistische Unabhängigkeit in Zweifel ziehe. Den Abschluss des Sponsorenvertrags hätte Seipel dem NDR melden müssen. „Es besteht der Verdacht, dass wir und damit auch unser Publikum vorsätzlich getäuscht worden sind. Dem gehen wir jetzt nach und prüfen rechtliche Schritte“, erklärte NDR-Intendant Joachim Knuth. “

Bericht ARD Tagesthemen 14.1.2023:

Auch auf X Thema

Die Recherche rund um Zahlungen für Hubert Seipel aus Russland ist auch Thema auf X.

Paul Ronzheimer, stellvertretender Chefredakteur der BILD und Kriegsreporter schreibt: „Seipel hat sich von einem Kriegsverbrecher kaufen lassen und Reportern wie mir und anderen in Talkshows insbesondere seit der Krim-Annektion 2014 erklärt, dass wir alle naiv seien und Putin eben mit vielem Recht habe bei seiner Kritik an Nato etc. Das ist dermaßen ekelhaft, dass man kaum noch weiß, was man dazu sagen soll.“

Der Journalist Johannes Franzen twittert: „Offenbar weiß man in Russland, wie man Journalismus anständig bezahlt.“ 

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Anja Höfer