Was lange währt: Helga Schubert wird Bachmann-Preisträgerin 2020
Die 44. Ausgabe des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs war so digital wie real erfolgreich – auch weil die überzeugenden Texte die Preise der zerstrittenen Jury gewannen.
Helga Schubert gewann den Ingeborg-Bachmann-Preis mit einem so berührenden wie geschichtsbewussten Mutter-Tochter-Portrait, Lisa Krusche wurde auf den zweiten Platz gewählt, mit einem so heiteren wie unheimlichen Science-Fiction-Stück, in dem Roboterhunde genauso unterwegs sind wie Mischwesen aus Pflanzen und Menschen.
Der dritte Platz ging an den Grazer Schriftsteller Egon Christian Leitner, der mit seinem wuchtigen Werk gegen die herzlosen Verhältnisse im Sozialstaat zu Felde zieht.
Ebenfalls mit einem Preis ausgezeichnet wurde die Autorin Laura Freudenthaler für ihren Text „Der heißeste Sommer“.
Zu Beginn des Bewerbs war die Autorin bereits im SWR2 Gespräch.
Zweiter Tag: Helga Schubert begeistert, Egon Christian Leitner beeindruckt
Die Altmeister überzeugen an diesem Bewerbs-Tag: Helga Schubert mit ihrer berührenden autofiktiven Prosa, Egon Christian Leitner mit Szenen aus der Sozialstaatsrealität.
Die jüngeren Teilnehmenden haben es dementsprechend schwer, aber die Kritik der Jury fällt im Großen und Ganzen eher milde aus. Lediglich Juror Philip Tingler fällt wieder durch scharfe Äußerungen auf. Durch seinen herablassenden Ton sind die Fronten mit dem Rest der Jury bereits verhärtet.
Langeweile kann man diesen 44. Tagen der deutschsprachigen Literatur nicht vorwerfen. Die Digitalversion ist eine aufregende Realversion.
Schon am ersten Tag „wilde Diskussionen“
„Es gab schon wilde Diskussionen um Texte“, sagt SWR2 Literaturkritiker Carsten Otte über den ersten Tag des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs. Auch die Übertragung der Lesungen und Diskussionen im Fernsehen und im Internet funktioniere gut.
Die Qualität der Texte des ersten Tages sei eher mittelmäßig gewesen. Positiv aufgefallen ist Carsten Otte Lisa Krusche mit ihrem Science-Fiction-Text „Für bestimmte Welten kämpfen und gegen andere“.
Eröffnungsrede von Sharon Dodua Otoo
Die tradionelle Eröffnungsrede zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2020 hielt am 17. Juni Sharon Dodua Otoo. Die Bachmannpreisträgerin aus dem Jahr 2016 gab ihrer Rede den Titel: „Dürfen Schwarze Blumen malen“.
„Möglichst nah am Original“ soll die Veranstaltung laut ORF durchgeführt werden, aber trotzdem ist in diesem Jahr alles anders. Übertragen wird live auf bachmannpreis.ORF.at und in Radio Kärnten.
Ein „Sozialstaatsroman“ im Bachmannwettbewerb
Der 1200-Seiten-Roman „Des Menschen Herz. Sozialstaatsroman“ (Wieser Verlag) ist ein Denkmal für alle, die nicht im Rampenlicht stehen. Egon Christian Leitner macht keine Kompromisse. Niemals.
„Eigentlich erstaunlich, dass er beim Bachmannwettbewerb mitmacht“ wundert sich SWR2 Literaturkritiker Carsten Otte in Warum dieses Buch?: „Denn er hasst die Regeln aller festen Systeme."