Das Problem ist Marcel Hürter seit langem bewusst, aber selbst beheben kann es der rheinland-pfälzische Landeswahlleiter nicht. Es geht darum, dass bei Bundestagswahlen - anders als bei Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz - die Stimmen in den jeweiligen Wahlbezirken getrennt ausgezählt werden müssen. Und zwar von zwei getrennten Teams, von denen eines die Briefwahlstimmen auszählt, das andere zählt die Urnenstimmen, die im Wahllokal abgegeben werden.
Die Entscheidung SPD gewinnt bei der Bundestagswahl knapp vor CDU
Die SPD ist bei der Bundestagswahl nach vorläufigem amtlichen Endergebnis stärkste Kraft geworden. Die Sozialdemokraten liegen knapp vor der Union, die erhebliche Verluste hinnehmen muss.
Ortsgemeinde-Ergebnisse enthalten nur Urnenwähler
Das bedeutet, dass in jedem Wahlbüro im Grunde doppelt so viele Helfer gebraucht werden wie bei einer Landtagswahl. Um diesen Aufwand zu vermeiden, werden in vielen kleineren Ortsgemeinden nur die Urnenstimmen ausgezählt. Die Auszählung der Briefwahlstimmen erfolgt dagegen von der Verbandsgemeinde, häufig für mehrere Orte gebündelt. So weit so unproblematisch.
Der Knackpunkt ist aber: nur die Ergebnisse der Urnenwahl können dann veröffentlicht werden, da die Briefwahlstimmen den jeweiligen Ortsgemeinden nachträglich nicht mehr zuzuordnen sind. Und diese Ergebnisse geben natürlich nicht den wirklichen Wahlausgang wieder und sorgen deshalb bei Bürgerinnen und Bürgern für Verwirrung.
Verfälschte Statistik lässt AfD oft besser aussehen
Denn die verfälschten Ergebnisse fallen nicht selten zugunsten der AfD aus. Ihre Anhänger nutzen in der Regel seltener die Briefwahl, weil die Partei Misstrauen dagegen gesät hat. Deshalb kommt sie dort öfters auf einen überproportional hohen Zweitstimmenanteil, wo nur die Ergebnisse aus den Urnen aufgeführt werden. In rund 30 rheinland-pfälzischen Ortsgemeinden wird die AfD nach dem vorläufigen Endergebnis der Bundestagswahl als stärkste Kraft ausgewiesen. Dort sind, wie gesagt, keine Briefwahlergebnisse eingeflossen. "Aus der Wahlforschung ist bekannt, dass die Briefwahl je nach Parteipräferenz mehr oder weniger stark genutzt wird", erklärt Landeswahlleiter Hürter. Daher würden die Stimmenanteile von Parteien, deren Wählerinnen und Wähler die Urnenwahl bevorzugen, größer dargestellt als sie tatsächlich seien.
Zunehmende Briefwahl verstärkt Verzerrung in RLP
Auch bei früheren Bundestagswahlen gab es die Problematik bereits. Seitdem aber - auch coronabedingt - immer mehr Wählerinnen und Wähler in Rheinland-Pfalz per Brief wählen kommt sie immer deutlicher zum Tragen. Bei der Wahl am 26. September lag der Anteil der Briefwahlstimmen im Land bei 61,3 Prozent. Das heißt, in den Orten, in denen nur die Urnenstimmen als Ergebnis bekannt gegeben wurden, beruht dieses unter Umständen nur auf etwa einem Drittel der tatsächlich abgegeben Stimmen.
Diese 36 Abgeordneten sitzen für RLP im Bundestag
Viele Dörfer etwa in der Eifel betroffen
Die vorgeschriebene getrennte Auszählung von Urnen- und Briefwahlstimmen ist für Rheinland-Pfalz besonders unattraktiv, da es hier eine relativ große Zahl an sehr kleinen Dörfern gibt. Landesweit zählen 651 Dörfer weniger als 300 Einwohner. Allein in der Eifel im Wahlkreis 202 (Bitburg) gibt es 224 solcher kleinen Gemeinden. Das ist mehr als die Hälfte der Gemeinden in diesem Wahlkreis. Ähnliche Strukturen gibt es natürlich auch in vielen anderen Teilen des Landes wie in der Pfalz oder im Hunsrück.
Landeswahlleiter fordert Auszählung wie bei Landtagswahl
Aus Sicht von Marcel Hürter sind die Vorgaben durch das Bundeswahlrecht für die Situation in Rheinland-Pfalz "nicht sinnvoll und ärgerlich". Zusammen mit den sehr hohen Briefwahlanteilen führten sie "zu teilweise erklärungsbedürftigen Ergebnissen". Der Landeswahlleiter hat angekündigt, sich beim Bundeswahlleiter und beim Bundesinnenministerium für eine Lösung einzusetzen, die den rheinland-pfälzischen Gegebenheiten gerecht werde. Hürter schlägt vor: Bei Bundestagswahlen auch in den kleinen Ortsgemeinden die Briefwahlstimmen gemeinsam mit den Urnenstimmen auszuzählen, wie bei den Landtagswahlen üblich.
Ergebnis-Problem lässt sich mit mehr Wahlhelfern nicht lösen
Das Problem einfach durch den Einsatz von mehr Wahlhelfern zu lösen, die Urnen- und Briefwahlstimmen getrennt auszählen, funktioniert in Rheinland-Pfalz aber nicht. Der Grund ist eine weitere Vorgabe im Bundeswahlrecht. Die besagt: Wenn in einem Wahllokal weniger als 50 Stimmzettel abgegeben werden, dann wird dort nicht ausgezählt.
Stattdessen werden die Stimmzettel in ein benachbartes Wahllokal transportiert und zusammen mit den dort abgegebenen Stimmen ausgezählt. Im den betroffenen Dörfern erfährt man damit nicht mehr, wie die Parteien im Ort abgeschnitten haben. Auch diese Fälle gibt es wegen der vielen kleinen Ortsgemeinden in Rheinland-Pfalz recht häufig. Hinzu kommt, dass auch die Ermittlung der Wahlbeteiligung für die jeweiligen Dörfer erschwert wird.