Der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) wird als wichtiger Beitrag zum Erreichen der angestrebten Klimaschutzziele betrachtet. "Unerlässlich" sei in diesem Zusammenhang eine bessere finanzielle Ausstattung des ÖPNV, argumentierte unlängst die rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne) im Landtag. Der ÖPNV liegt in der Verantwortung der Länder, wird aber jährlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag vom Bund finanziert. So standen im Jahr 2021 rund 11,6 Milliarden Euro zur Verfügung.
Konferenz der Verkehrsminister sieht weiteren Mehrbedarf in Milliardenhöhe
Am Mittwoch sind die Verkehrsminister und -ministerinnen der Länder in einer Sonderkonferenz zusammengekommen. Die Länder setzen sich dafür ein, mehr Geld vom Bund zu erhalten, um die derzeit geplanten Projekte umsetzen zu können. Konkret forderten die Verkehrsminister für 2022 als ersten Schritt eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel um mindestens 750 Millionen Euro. Für 2023 bezifferte die Ministerrunde den finanziellen Mehrbedarf auf insgesamt 3 Milliarden Euro. Sie hatten schon 2021 einstimmig eine Aufstockung der Mittel von 2022 bis 2030 um jährlich je 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr gefordert.
Inflation verteuert ÖPNV-Projekte
Ein wichtiges Argument: Die Projekte würden bereits durch steigende Kosten und Inflation erschwert. Das betrifft, so die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, die Bremer Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne), sowohl die Energiepreise als auch zum Beispiel die Löhne der Beschäftigten, die zu deutlich höheren Kosten im regionalen Schienenverkehr führten. Das Problem sei nur durch eine verbesserte finanzielle Ausstattung durch den Bund zu lösen.
Die Bundesregierung selbst hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, die Fahrgastzahlen des ÖPNV "erheblich" zu steigern. In Rheinland-Pfalz ist es aber vor allem in ländlich geprägten Regionen wie Eifel, Hunsrück und Westerwald für die meisten Alltag, sich Tag für Tag ins Auto zu setzen, um etwa zum Arbeitsplatz zu pendeln.
Bussysteme: "Drama im ländlichen Raum"
Heiner Monheim, emeritierter Professor für Angewandte Geographie, Raumentwicklung und Landesplanung an der Universität Trier, spricht gegenüber dem SWR die "bisher überwiegend auf den Schülerverkehr fixierten Bussysteme" an, für die vor allem die Kreise zuständig sind - und spricht von einem "Drama im ländlichen Raum".
Um die Verkehrswende im ländlichen Raum möglich zu machen, müssten seines Erachtens auch die Landesnahverkehrsgesetze verändert und die Nahverkehrspläne der Kreise modernisiert werden. "Und die beiden rheinland-pfälzischen Zweckverbände für den Schienenpersonennahverkehr müssen erweiterte Kompetenzen auch im Busbereich bekommen." Die Zuständigkeiten der Planung lägen im Moment noch dort, wo sie nicht hingehörten - nämlich nicht bei den Kommunen selbst, sondern bei den ihnen übergeordneten Behörden etwa auf Kreisebene.
Zu wenig gut ausgebildetes Personal bei Planung und Durchführung
Monheim fordert insgesamt mehr Mut - natürlich sei die Forderung der Länder nach einer Aufstockung der Gelder gerechtfertigt. "Allerdings braucht es nicht nur mehr Geld, sondern vor allem auch mehr Planungskapazität. Da muss man sich trauen, Planungspersonal aus dem Straßenbereich in den Schienenverkehr umzuschichten, und zwar auf allen Ebenen, beim Bund, den Ländern, den Kreisen und den Gemeinden."
Um den ÖPNV nachhaltig zu verändern, brauche es "nicht nur eine Verdichtung der Frequenz und Schienenhaltepunkte, sondern auch ausgebildetes Personal", meint auch Dirk Fischer, Professor an der Hochschule Koblenz und unter anderem Experte für Straßenplanung und ÖPNV, im Gespräch mit dem SWR. Dieses sei momentan auf dem Arbeitsmarkt nur schwer zu finden. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung werde sich dieses Problem insbesondere bei den Flächenländern noch weiter verschärfen.
Neue Bahntrassen: Zu hohe Kosten, zu viel Widerspruch
Was den Schienenverkehr betrifft, hat die Landesregierung im Oktober 2021 zwar angekündigt, dass mit der "Stationsoffensive" in den "nächsten Jahren" an 17 Standorten im Land neue und barrierefreie Bahnstationen entstehen - aber "mit den Baumaßnahmen kann dann voraussichtlich ab 2027 begonnen werden", gibt das Internetportal "ROLPH" Auskunft. ROLPH ist die Dachmarke für den öffentlichen Nahverkehr im Land, an der neben den beiden Zweckverbänden im Schienenpersonennahverkehr auch das Land beteiligt ist.
Hinzu kommt: Für den Schienenverkehr braucht es nicht nur neue Stationen, sondern auch neue Trassen an der ein oder anderen Stelle: Warum werden keine neuen Bahntrassen gebaut, vor allem in ländlichen Regionen? Die Antwort, die sich bei "ROLPH" findet, ist zweiteilig: Zum einen sei das Bauen neuer Bahntrassen "unglaublich teuer", so dass in Deutschland in jedem Jahr nicht mehr als 100 km neue Gleise verlegt würden. Zum anderen sei es auch schwer geworden, Platz für neue Trassen zu finden. Schnell bildeten sich Bürgerinitiativen von Betroffenen, die dagegen seien. Die Folge: "Von der Planung bis zur Realisierung vergehen daher heute oft mehr als 20 bis 30 Jahre".
Die klimabewusste Zukunft - verpasste Chancen?
Was bleibt klimabewussten Bürgern und Bürgerinnen, die in ländlichen Regionen leben, bis die ersehnten Veränderungen bei ihnen angekommen sind? Sie müssen kreativ werden und Kompromisse eingehen. So können sie etwa die Strecke zum weiter entfernten Bahnhof mit dem Fahrrad oder zumindest in Fahrgemeinschaften zurückzulegen, um die Umwelt möglichst wenig zu belasten. "Inwieweit hier in Zukunft autonom fahrende Fahrzeuge im ÖPNV Abhilfe schaffen können", bleibe abzuwarten, merkt Fischer von der Hochschule Koblenz an.
Und der Trierer Experte Monheim meint gar: "Es gibt endlose Fortschrittsfelder, wo wir unsere Zukunft verschlafen." Das bezieht er nicht nur auf autonomes Fahren. Auch digitales Trampen etwa könne massiv gefördert werden - mit entsprechenden Apps und Registrierungsregeln für Anbieter und Mitfahrer. Dafür müsse der ländliche Raum in seinen Bedürfnissen aber auch ernstgenommen werden.