Ulrike Boor schwenkt ihr Glas am Stiel. Sie riecht an dem Wein darin, einem Merlot. "Der duftet nach Kirschen und schwarzer Johannisbeere", sagt die Winzerin aus Traben-Trarbach und nippt an ihrem Glas: "Der hat einen weichen und runden Geschmack." Das verdankt der Rotwein auch dem Klimawandel, der viel Sonne und Wärme ins Moseltal bringt.
"Als wir hier vor 30 Jahren den ersten Merlot angepflanzt haben, wurden wir von den Kollegen belächelt", erinnert sich die Biowinzerin. Denn es war nicht abzusehen, ob die Reben aus dem südfranzösischen Bordelais auch in Rheinland-Pfalz reif werden. "Heute wird der hier wunderbar, der ist klar ein Gewinner der klimatischen Veränderungen", sagt die Winzerin.
Der Merlot ist daher auch eine von sechs Zukunftsweinen, die das Weingut Louis Klein bei einer speziellen Klimawandel-Weinprobe ausschenkt. Die Idee dazu kam durch das Projekt "Mosel Adaptiv". Drei Jahre lang haben Wissenschaftler in Traben-Trarbach untersucht, wie sich der Klimawandel auf Weinbau und Tourismus auswirkt. Die Forscher wollten dabei Risiken, aber auch Chancen aufzeigen. So haben sie auch Ulrike Boor dafür begeistert, sich einzubringen.
Winzer setzen auf pilzresistente Rebsorten
Als nächstes gießt die Winzerin den Futura Feinherb ins Glas. Besonders an diesem Wein ist nicht nur sein Geruch nach grüner Paprika und Zitrone, sondern auch seine Herkunft. Denn der Futura ist eine Kreuzung aus dem Sauvignac aus der Schweiz und dem Donauriesling aus Österreich. Zwei gezüchtete Rebsorten, die besonders widerstandsfähig gegenüber Pilzen wie dem echten und dem falschen Mehltau sind. Und das ist auch der Grund, warum die Biowinzerin die Gewächse aus dem Alpenraum inzwischen auf ihren Weinbergen im Moseltal anbaut.
Denn durch den Klimawandel gibt es in der Region immer öfter feuchtwarmes Wetter. Und das begünstigt das Wachstum der Schädlinge, die schon mal die Ernte auf einem ganzen Wingert zerstören können. Die Boors aus Traben-Trarbach waren 2008 unter den ersten Moselwinzern, die sogenannte Piwi-Züchtungen (pilzwiderständige Züchtungen) angebaut haben.
Und auch hier hat sich der Pioniergeist aus ihrer Sicht ausgezahlt: Nach anfänglichen Schwierigkeiten beim Marketing verkauften sich die Weine immer besser. "Jedem Jungwinzer würde ich heute raten, PIWIS zu pflanzen", sagt Boor. Zusammen mit Kollegen von Luxemburg bis Koblenz hat die Winzerin daher die Gruppe "Vision Mosel" gegründet, die pilzrestistente Rebsorten noch bekannter machen will.
Wein hat mit Identität einer Region zu tun
Auch Professor Hans Reiner Schultz, Präsident der Weinhochschule in Geisenheim, sieht in Neu-Züchtungen eine Chance. Die Aufgeschlossenheit gegenüber diesen Sorten wachse bei seinen Studenten und auch bei den Weintrinkern.
Trotzdem würde er an der Mosel weiterhin vor allem auf Riesling setzen, sagt Schultz, der selbst auf einem Weingut in Neumagen-Dhron aufgewachsen ist und daher bestens mit der Region vertraut ist: "Der Riesling und die Mosel - das ist eine verwobene Identität."
Wer nach Cochem oder Bernkastel-Kues fährt, sucht in der Regel nicht nach einem Merlot oder einer Neu-Züchtung, sondern nach einem traditionellen Riesling. "Die große Aufgabe ist es also, zu schauen, ob wir diesen Geschmack und diese Identität auch in neuen Sorten abbilden können", sagt der Experte.
Riesling von der Mosel schmeckt heute besser als früher
Der Riesling sei ohnehin eine robuste Rebsorte, sagt Hans-Reiner Schultz. Die Pflanze könne mit Kälte und Hitze vergleichsweise gut umgehen. Selbst im Rekordhitzejahr 2018 sei es findigen Moselwinzern gelungen, guten Wein zu machen, sagt Schultz: "Und 2018 entspricht etwa den Durchschnittstemperaturen, die Fachleute für das Jahr 2050 bei uns erwarten."
Im Durchschnitt habe sich die Qualität des Rieslings in den vergangenen Jahren trotz des Klimawandels verbessert. "Wenn ich an die Jahrgänge 1980 oder 1984 zurückdenke, waren die katastrophal", sagt Schultz. Damals war es zu kalt und die Sonne schien kaum: der Wein wurde sauer.
Heute seien die Bedingungen besser, der Riesling bleibe auch in den kommenden Jahren die wichtigste Rebsorte an der Mosel. Aktuell stehen auf 60 Prozent aller Flächen Riesling-Stöcke.
Ähnlich sieht es Ulrike Boor. "Ohne Riesling geht es nicht", sagt die Biowinzerin, die zum Abschluss der Weinprobe dann auch einen Klassiker anbietet: eine Spätlese aus der Wolfer Goldgrube. Es ist immer noch einer ihrer meistverkauften Weine.