Markus Berg kann freitags seine Söhne von der Schule abholen. Der 43-Jährige schafft das, weil seine Firma jeden Freitag schließt. Denn der Dachdeckermeister hat als einer der ersten Handwerker an der Mosel die Vier-Tage-Woche für seine Mitarbeiter eingeführt. Und das kam so:
Schon immer war sein Team viel auf Montage unterwegs. Die Firma aus Erden (Kreis Bernkastel-Wittlich) ist spezialisiert darauf, Schieferdächer zu decken. "Das war schon immer mein Ding seit der Ausbildung", sagt Berg. "Das können nicht so viele." Deshalb bekommt seine Firma Aufträge aus ganz Deutschland. Aktuell arbeiten die Erdener etwa auf dem Dach der Heilig Kreuz Kirche in Bad Kreuznach oder auf der alten Abtei in Mettlach im Saarland.
Chef will auf seine Mitarbeiter zugehen
Eine der größten Baustellen war das Staatsministerium Baden-Württemberg in Stuttgart. Ein großes Projekt, das über mehrere Jahre lief und lange Anfahrtszeiten erforderte. Die Dachdecker waren deshalb oft nicht zu Hause.
"Wir haben die Jungs dann donnerstagabends heimgeholt, damit sie wenigstens ein vernünftiges Wochenende haben", sagt Berg.
Zuerst war das nur eine Ausnahme, doch sie wurde bald zur Regel für den Betrieb. Denn der Handwerker will es anders machen als seine früheren Chefs. Er will seinen Mitarbeitern entgegenkommen, um sie zu halten: "Das soll hier eine andere Kultur sein. Was mir nicht gefallen hat als Angestellter, das sollen meine Mitarbeiter auch nicht machen."
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Druck auf Arbeitgeber steigt durch Fachkräftemangel
Das Team kann bei Berg daher mitentscheiden. Und es hat sich für die Vier-Tage-Woche entschieden. Damit ist der Betrieb zwar immer noch eine Ausnahme in der Region Trier, heißt es bei der Handwerkskammer und der Kreishandwerkerschaft Mosel-Eifel-Hunsrück. Dennoch werde das Arbeitszeitmodell in bestimmten Branchen beliebter.
Vor allem Handwerker, die viel auf Montage unterwegs sind, bieten ihren Mitarbeitern die Vier-Tage-Woche an. Bei der Kammer sind aber auch etwa Maler oder Friseure bekannt, die einen Werktag in der Woche zumachen. "Nach meiner Einschätzung wird sich der Druck auf die Arbeitgeber in den nächsten Jahren weiter erhöhen, flexible Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche anzubieten", sagt Dirk Kleis, Geschäftsführer der Kreishandwerker.
Flexible Arbeitszeiten Ist die Vier-Tage-Woche wirklich sinnvoll?
Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst erklärt, für wen das Modell geeignet ist und welche Probleme es Unternehmen und Arbeitskräften bereitet.
Bewerbungen aus ganz Deutschland
Tatsächlich habe Dachdecker Markus Berg weniger Probleme, qualifizierte Fachkräfte zu finden als mancher Kollege, sagt er. Angefangen hat er mit vier Mitarbeitern, heute sind es 15. Denn die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich komme vor allem bei jungen Handwerkern gut an.
Die Bewerbungen kommen inzwischen nicht nur von der Mosel, sondern auch aus Mannheim, dem Kölner Raum und dem Erzgebirge.
Das deckt sich auch mit den Ergebnissen einer Studie der Universität Trier, an der sich 49 Arbeitgeber aus der Region beteiligt haben. Diejenigen, die die Vier-Tage-Woche eingeführt hatten, berichteten demnach, dass sie es seitdem einfacher hätten, Fachkräfte zu gewinnen und dass die Personal-Fluktuation im Betrieb abgenommen habe.
Das funktioniere aber womöglich nur so lange, wie die Vier-Tage-Woche die Ausnahme bleibe. Wenn immer mehr Betriebe ein solches Arbeitszeitmodell einführen, ist sie irgendwann Normalität und kein Wettbewerbsvorteil mehr.
Nicht alle Handwerker können Vier-Tage-Woche einführen
Dennoch würden viele seiner Kollegen mittlerweile umdenken, sagt Dachdecker Markus Berg. Zu Anfang sei er in der Branche noch angefeindet worden: "Inzwischen lese ich in jeder zweiten Stellenanzeige von der Vier-Tage-Woche. Die Kollegen stellen sich da neu auf." Zumindest die, die es können.
Denn das Modell ist nicht für jede Branche geeignet, sagt Dirk Kleis von den Kreishandwerkern: "Eine Reduzierung der Arbeitszeiten ist bei hoher Auftragslage schwierig." Denn wie sollen die vollen Bücher abgearbeitet werden, wenn die Leute weniger arbeiten?
Handel und Dienstleistung kann nicht einfach einen Tag zumachen
Professorin Katrin Mühlfeld von der Universität Trier sieht noch weitere Probleme für Unternehmen, zum Beispiel die Akzeptanz für Kunden. Die müssten sich ja dann auch darauf einstellen, dass sich die Betriebszeiten ihrer Handwerker oder Geschäfte ändern - dass sie dann zum Beispiel freitags keinen Termin mehr bekommen. Das werde aber vom Kunden erwartet.
Zudem habe ihre Studie ergeben, dass nicht alle Vorteile, die die Unternehmen sich erhofften, auch eingetreten sind. So habe sich die Zahl der Fehl- und Krankheitstage der Mitarbeiter trotz Vier-Tage-Woche meist nicht reduziert. Die Arbeit von fünf Tagen auf vier zu verteilen - das sei auch nicht in jedem Betrieb möglich. Einige der Befragten erzählten sogar von einer höheren Arbeitsbelastung durch die Vier-Tage-Woche.
"Bei uns geht das", sagt Dachdecker Berg. "Unsere Projekte laufen ohnehin über mehrere Jahre. Es kommt nicht darauf an, ob sie einen Tag früher oder später fertig werden."
Ob sich Vier-Tage-Woche durchsetzt, ist eher fraglich
Insgesamt hält Professorin Mühlfeld von der Universität Trier es eher für "fraglich", ob sich die Vier-Tage-Woche flächendeckend durchsetzen wird. "In vielen Betrieben ist momentan anstelle eines universellen Trends zur Vier-Tage-Woche eher eine grundsätzliche Öffnung für verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle zu beobachten", sagt die Wissenschaftlerin. Da gehe die Zukunft des Arbeitsmarktes auch ganz sicher hin.