Kritik an Netflix-Film

Denzel Washington als Hannibal die falsche Wahl? Trierer Historiker klärt auf

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Autor/in
Nicole Mertes
Nicole Mertes arbeitet als Redakteurin im SWR Studio Trier

Denzel Washington soll in einem Spielfilm Hannibal spielen. Aus Tunesien, der Heimat des antiken Feldherrn, gibt es Kritik. Hannibal sei nicht schwarz gewesen. Ein Trierer Historiker klärt auf.

Der US-Streaminganbieter Netflix verfilmt das Leben des karthagischen Feldherrn Hannibal. Die Rolle des antiken Heeresführers soll der schwarze Schauspieler Denzel Washington übernehmen.

Wie ähnlich muss der Hauptdarsteller in einem Spielfilm der historischen Persönlichkeit sein, die er darstellt? Aus Tunesien, der Herkunftsregion Hannibals, kommt der Vorwurf der Geschichtsfälschung. Hannibal ist in dem nordafrikanischen Land der absolute Nationalheld und eine Identifikationsfigur.

Tunesische Medien zu Hannibal-Verfilmung

Wie die Zeitung "La Presse" aus Tunesien schreibt, werfen Kritiker Netflix wegen des Hannibalprojekts Afrozentrismus, kulturelle Aneigung und Geschichtsfälschung vor. Netflix als 'Wortführer der Woke-Bewegung' schrecke nicht davor zurück, die historischen Gegebenheiten der Länder Nordafrikas zu verfälschen. Es bestünde das Risiko, dass wegen der Beliebtheit von Netflix die gesamte junge Generation in Tunesien von diesem falschen Bild Hannibals geprägt werde.

Wie sah Hannibal eigentlich aus?

Hannibal wurde 247 vor Christus in Karthago geboren. Die Ruinen dieser Stadt sind noch heute in Tunis zu sehen. Berühmt wurde Hannibal durch seine Alpenüberquerung mit mehr als 50.000 Soldaten und auch 37 Elefanten im Kampf gegen die Römer während des Zweiten Punischen Kriegs.

Ein Standbild des antiken Feldherrn Hannibal im Jardin des Tuileries in Paris.
Dieses Standbild des antiken Feldherrn Hannibal steht im Jardin des Tuileries in Paris. Es wurde 1722 vom flämischen Bildhauer Sebastien Slodtz (1655-1726) geschaffen.

Darstellungen Hannibals aus seiner Lebenszeit, die zuverlässig sein Aussehen zeigen, gibt es nicht. Anders als römische Kaiser war ein Hannibal-Porträt nicht auf Münzen abgebildet, sagt der Trierer Althistoriker Christoph Schäfer. Es gibt verschiedene Darstellungen des Feldherrn aus späterer Zeit, aber da spielte mehr die künstlerische Vorstellungskraft eine Rolle, zum Beispiel bei der Hannibal-Statue im Pariser Tuileriengarten.

Trierer Althistoriker: Hannibal hatte leicht gebräunten Teint

Christoph Schäfer wurde schon für Dokumentarfilme im Fernsehen als Experte befragt. Zuletzt für eine Terra X-Produktion, in der es um das Aussehen der ägyptischen Königin Kleopatra ging und um den Vorwurf des "Blackwashing" in der Netflix-Serie "Queen Cleopatra". Wie Hannibal aussah, kann der Wissenschaftler aufgrund der Geschichte einschätzen. Hannibal stammt aus Karthago, das im heutigen Tunesien liegt.

"Karthago war eine Kolonie, die von Phöniziern bewohnt war. Die kamen aus der Gegend des heutigen Libanon", erklärt Historiker Schäfer. "Insofern wissen wir relativ genau, aus welchem ethnischen Hintergrund Hannibal kommt. Wir können sicher sagen, dass er in etwa so ausgesehen hat wie die Leute, die heute im Raum Libanon leben." Hannibal hatte demnach zwar einen leicht gebräunten Teint, sah aber eher so aus wie ein Araber aus dem Mittelmeerraum.

Vergleiche mit Kleopatra-Verfilmung

Ähnliche Kritik wie jetzt aus Tunesien hatte es aus Ägypten nach der Netflix-Serie über Kleopatra gegeben. Es gab sogar eine Klage ägyptischer Anwälte gegen die Produktionsfirma wegen Geschichtsverfälschung. Die Haut Kleopatras sei nicht schwarz gewesen, wie in dem Film dargestellt. Die Produktionsfirma der Serie "Queen Cleopatra" änderte daraufhin den Status der Kleopatra-Serie von Dokumentation in Fiktion um.

Es kommt immer darauf an: Geht es um eine Dokumentation oder um eine Spielfilmproduktion.

Die heftige Kritik aus Tunesien wegen der Besetzung der Hannibalrolle ist für den Trierer Historiker Christoph Schäfer nur zum Teil verständlich. "Es kommt immer darauf an: Geht es um eine Dokumentation oder um eine Spielfilmproduktion, will man einen Historienfilm machen", sagt er im SWR-Interview.

"Bei einem Spielfilm kann man viel freier gestalten. Denzel Washington ist ein phantastischer Schauspieler. Das ist eine Frage, die im Ermessensspielraum des Regisseurs liegt, würde ich sagen."

Bei Dokus gelten andere Maßstäbe

Wollte man einen Dokumentarfilm über Hannibal drehen, sollte man sich schon exakter an die bekannten Fakten halten, meint der Trierer Historiker. Die Karthager hatten demnach zwar Kontakte in den schwarzafrikanischen Raum Afrikas und erkundeten mit ihren Schiffen die nordwestafrikanische Küste. Es habe aber keine Integration dunkelhäutiger ethnischer Gruppen in das karthagische System gegeben.

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Hannibals Leben - guter Stoff für einen Film

"Hannibal ist eine schillernde Figur", sagt Forscher Schäfer. Also ein guter Stoff für einen Kinofilm. Hannibal kämpfte im Gebiet des heutigen Spanien und Italien gegen die Römer. Er hatte Macht in Karthago, wurde dann aber von seinen Gegnern ins Exil nach Kleinasien ins Gebiet der heutigen Türkei vertrieben. Auch dort kämpfte er weiter gegen die Römer, wurde nach Niederlagen schließlich in den Selbstmord getrieben.

Für die Tunesier ist Hannibal eine phantastische, identifikationsstiftende Persönlichkeit.

"Hannibal hat auch internationales Flair und eine große Bedeutung im gesamten Mittelmeerraum", sagt der Historiker. Der antike Feldherr bringe alles mit, was eine Filmfigur brauche. "Für die Tunesier ist Hannibal eine phantastische, identifikationsstiftende Persönlichkeit."

Der Trierer Wissenschaftler betont die große Wirkung bewegter Bilder. So denken bis heute beim Stichwort Kleopatra die meisten an Liz Taylor und ihre Rolle in dem Historienfilm. "Ein Spielfilm allein reicht aber nicht aus, um das Geschichtsbild zu verfälschen", meint Schäfer in Bezug auf den aktuellen Hannibalstreit.

Tunesien als Drehort berühmter Filme

In Tunesien will man auf jeden Fall, dass die Netflix-Produktion Hannibal auch in Tunesien gedreht wird. Die Filmbranche ist in dem nordafrikanischen Land ein wichtiger Wirtschafts- und Tourismusfaktor.

Viele erfolgreiche Filme wurden dort gedreht, unter anderem "Das Leben des Brian" 1979, Steven Spielbergs "Jäger des verlorenen Schatzes - Indiana Jones" 1981 und mehrere Folgen der Star-Wars-Serie sowie "Der englische Patient" oder "Baarìa", ein Film des italienischen Regisseurs Guiseppe Tornatore.

Tunesien bot dabei die Kulisse anderer Galaxien, war Schauplatz für Szenen, die eigentlich in Ägypten oder Sizilien spielten. In Tunesien gibt es auch Touren für Touristen zu berühmten Drehorten. Der Hannibalfilm von Netflix soll Ende 2024 fertig sein.

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