Ob Schüler mit I-Pads lernen können, hängt von ihrem Elternhaus und der Kommune ab, in der sie leben.

Digitalisierung an Trierer Schulen

Ungleichheit im Unterricht: "Wer kein I-Pad hat, ist nicht cool"

Stand
Autor/in
Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Wenn heute in Trier die Schule beginnt, packen einige Schüler ihre Hefte aus, andere ihre Tablets. Wie gelernt wird, hängt immer mehr vom Geldbeutel der Eltern ab.

Wenn für den 17-jährigen Albrecht Hamisch heute der Unterricht an der Integrierten Gesamtschule in Trier beginnt, packt er erstmal seinen Laptop aus. Es ist ein älteres Modell. Aber immerhin hat er überhaupt einen. Viele seiner Mitschüler schreiben noch in Hefte und lösen die Aufgaben in Büchern. Aber natürlich geht es schneller, Fakten im Internet zu suchen als sie in einem Lexikon nachzuschlagen. Und so ein Aufsatz ist auch schneller getippt als per Hand geschrieben.

Albrecht Hamisch würde gerne öfter mit einem I-Pad arbeiten, das die Schule zur Verfügung stellt. Normalerweise nutzt er dafür aber seinen Laptop.
Albrecht Hamisch würde gerne öfter mit einem I-Pad arbeiten, das die Schule zur Verfügung stellt. Normalerweise nutzt er dafür aber seinen Laptop.

Richtig gut haben es aber die getroffen, die ein I-Pad haben, findet Hamisch: "Damit kann man sehr viel kreativer arbeiten und es macht auch mehr Spaß. Und wenn man kein I-Pad hat, ist man in der Klasse prinzipiell auch nicht so cool."

"Die Kreidezeit ist vorbei" Tablets aus dem Unterricht verbannen? Kommentar zur Digitalisierung an Schulen

40 Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen fordern von den Kultusministern ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen. Ein Kommentar von Ralf Caspary aus der Wissenschaftsredaktion:

Viele Eltern können sich kein I-Pad leisten

Auch viele Lehrer schwören mittlerweile auf I-Pads. Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium hält den Einsatz der Geräte für "einen wichtigen Bestandteil der Bildung in Rheinland-Pfalz". Das Problem ist nur, dass sich das nicht alle Eltern leisten können, sagt Yvonne Laux vom Elternbeirat der Trierer Gesamtschule: "Da kommen ja dann noch die teuren Klassenfahrten dazu. Nicht jeder kann 400 Euro für so ein Tablet wegstecken."

Setzt sich für die Interessen der Eltern ein: Yvonne Laux vom Schulelternbeirat der Trierer Gesamtschule.
Setzt sich für die Interessen der Eltern ein: Yvonne Laux vom Schulelternbeirat der Trierer Gesamtschule.

Die Folge laut Laux: Innerhalb einer Schulklasse können zwei Klassen entstehen. Die vermögenden Kinder mit den I-Pads und die ärmeren Kinder mit den Büchern. Bildungsgerechtigkeit sieht auch für den Schulleiter Dirk Schönhofen anders aus. Doch er steht vor einem Dilemma.

RLP

Mehr Schüler und viele Erstklässler Bildungsministerin Hubig sieht gute Unterrichtsversorgung zum Schulstart in RLP

In Rheinland-Pfalz hat für fast 548.000 Schülerinnen und Schüler der Unterricht angefangen. Es sind gut 10.000 mehr als im vergangenen Schuljahr. Zudem gibt es viele Neuregelungen.

Schulleiter: Stadt müsste für Ausstattung mit Geräten sorgen

Eigentlich will Schönhofen nicht, dass Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das knappe Budget seiner Schule reicht aber nicht aus, um genügend Geräte für alle seine Oberstufenschüler anzuschaffen. Gerade einmal eine Klasse an der Gesamtschule ist komplett mit I-Pads ausgestattet. Darüber hinaus gibt es drei Koffer mit jeweils 15 Geräten, die von Schülern für einzelne Schulstunden ausgeliehen werden können. "Das deckt nicht annähernd den Bedarf", sagt Schönhöfen.

Schulleiter Dirk Schönhofen versucht Lösungen für das I-Pad-Problem zu finden. Er will nicht, dass die Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt.
Schulleiter Dirk Schönhofen versucht Lösungen für das I-Pad-Problem zu finden. Er will nicht, dass die Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt.

Doch bevor gar nicht digital gearbeitet werden kann, erlaubt es die Schule den Schülern ab der 9. Klasse ihre eigenen Geräte mitzubringen. Keine ideale Lösung - das weiß auch der Direktor. Lieber wäre es ihm, wenn der Schulträger zumindest alle Oberstufenschüler mit I-Pads ausstatten würde.

Große Unterschiede zwischen armen und reichen Landkreisen

So wie der reiche Landkreis Mainz-Bingen, der dafür mehr als 17.000 I-Pads angeschafft hat. In der verschuldeten Stadt Trier hingegen hat die Kassenlage nur 1.200 Tablets hergegeben. Genug, damit jeder fünfte Schüler sich eins ausleihen kann. Das ist laut Bildungsministerium weniger als der Landesschnitt: Nach Angaben eines Sprechers hat in Rheinland-Pfalz immerhin jeder dritte Schüler statistisch gesehen Zugriff auf ein I-Pad.

Die Unterschiede zwischen den Kommunen sind allerdings groß - selbst in der Region Trier. So hat der ebenfalls verschuldete Eifelkreis Bitburg-Prüm, mit ähnlich vielen Schülern wie in Trier, immerhin 4.000 I-Pads angeschafft. Bücher seien dort im Unterricht "rückläufig", so ein Sprecher. Die angrenzenden Kreise Bernkastel-Wittlich und Trier-Saarburg haben hingegen jeweils rund 2.000 gekauft. Wie Kinder lernen, wie digital ihr Unterricht ausgestaltet ist - das hängt davon ab, ob sie in einer reichen oder armen Kommune leben.

Trier

Schulleiter hatten zuvor Alarm geschlagen Gesundheitsamt Trier zieht Notbremse wegen Hygieneproblem in Schule - Vorerst kein Unterricht im Eberhard-Gebäude

Zwei Tage, nachdem Trierer Schulleiter wegen unhygienischer zusätzlicher Klassenräume Alarm geschlagen haben, hat das Gesundheitsamt nun die Notbremse gezogen.

SWR4 am Montag SWR4

Kommunen fühlen sich vom Land im Stich gelassen

"Das ist desaströs", findet Reiner Schladweiler vom Landeselternbeirat. Für ihn ist das Land in der Pflicht, die verschuldeten Schulträger zu unterstützen - und somit für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. "Unser neuer Ministerpräsident hat gesagt, dass ihm die Bildung wichtig ist - an dieser Aussage wollen wir ihn messen", sagt der Vater aus Temmels.

Auch Kommunen fühlen sich vom Land allein gelassen. Aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich heißt es etwa: Das Land müsste die Voraussetzungen dafür schaffen, dass I-Pads ausgeliehen werden können - ähnlich wie bei der Schulbuchausleihe - und sich auch an den Kosten stärker beteiligen. Dies wurde auch im Koalitionsvertrag angekündigt, bislang aber nicht umgesetzt.

Eifel/Mosel/Hunsrück

Neues Angebot des SWR Studios Trier Nachrichten aus der Region Trier jetzt auf WhatsApp lesen

Das SWR Studio Trier ist jetzt auch auf dem Messenger-Dienst WhatsApp aktiv. Dort finden Sie regionale Nachrichten von Mosel und Saar, aus der Eifel, Hunsrück und Hochwald.

Land: Schulen sollen selbst entscheiden

Auf Anfrage schreibt ein Sprecher des Bildungsministeriums dazu: "Die Entscheidung über eine flächendeckende Ausstattung mit Tablets liegt bei den Schulen selbst." Man wolle nicht in deren pädagogische Konzepte eingreifen. Doch so ein Konzept lässt sich freilich nur mit Geld umsetzen - und daran fehlt es überall.

Der 17-jährige Albrecht Hamisch ist bald fertig mit der Schule. Er kommt jetzt für die letzten Monate noch klar mit seinem Laptop, sagt der Trierer Schüler. Er würde sich aber wünschen, dass die nächsten Jahrgänge andere Erfahrungen machen: "Damit niemand mehr benachteiligt wird."

Trier-Saarburg

Breitbandausbau im Kreis Trier-Saarburg Digitaler Unterricht: Zwischen Steinzeit und "Virtual Reality"

62 Schulen hat der Kreis Trier-Saarburg an das schnelle Internet angeschlossen. Während die einen digital neue Wege gehen, fehlt es in anderen Schulen an Beamern oder Laptops.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Ludwigswinkel

Erste Hilfe bei Computerproblemen in der Schule Schüler in der Südwestpfalz sollen Lehrern im Unterricht helfen

Projektor, Tablet und Smartboard: Für viele Lehrer sind das die Endgegner. Wenn die Technik in der Schule nicht funktioniert, sollen in der Südwestpfalz künftig die Schüler helfen.

MOVE SWR3

Trier

Immer wieder verschoben Vor 2024 passiert nichts: Trierer Schule wartet zehn Jahre auf Sanierung

Die Integrierte Gesamtschule in Trier ist seit Jahren eine Baustelle. Und daran wird sich wohl bis mindestens 2024 nichts ändern. Schüler und Lehrer sind enttäuscht.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Mainz

Digitalisierung an Schulen Stadt Mainz hat elf Millionen Euro für Laptops und Tablets an Schulen investiert

26.000 Kinder und Jugendliche gehen in Mainz in die Schule. 19.000 von ihnen arbeiten in ihrem Schulalltag inzwischen mit Laptops, Tablets und PCs.

SWR4 am Nachmittag SWR4