Den Moment, in dem Patrick Loppnow den Berg an Wahlzetteln und Unterlagen der Briefwahl vor sich liegen hatte, wird er so schnell nicht vergessen. "Ach du Schreck. Das ist ganz schön viel Papier", erinnert sich der 41-jährige Trierer und kann heute darüber schmunzeln. Er sei von der Masse an Zetteln richtig erschlagen gewesen.
Patrick Loppnow ist körperlich und geistig beeinträchtigt. Das Wählen fiel ihm nicht leicht - im Gegenteil es war ein wahrer Kraftakt für ihn, so erinnert er sich.
Trotzdem sei es ihm wichtig gewesen, seine Kreuze zu setzen, erzählt er. Von seinem Stimmrecht hat er bereits bei der vergangenen Bundestagswahl 2021 und der letzten Oberbürgermeister-Wahl in Trier im September 2022 Gebrauch gemacht. Damals habe es deutlich weniger Wahlunterlagen als in diesem Jahr gegeben. "So viele Wahlunterlagen sind für Menschen mit Beeinträchtigung schon eine hohe Messlatte", sagt er. Zum Glück hatte er dieses Mal Hilfe.
Hilfsperson steht Patrick zur Seite
Unterstützt wurde Patrick bei der Briefwahl von Betreuer Andreas Gelz. Er arbeitet in der Wohneinrichtung der Lebenshilfe Trier, in der Patrick lebt. Zwar ist er nicht Patricks gesetzlicher Betreuer, denn Patrick braucht keinen. Er unterstützt ihn jedoch ab und zu im Alltag.
Als Andreas seine Unterstützung bei den Wahlen im Juni anbot, nahm Patrick dankend an. Die Möglichkeit, sich bei der Wahl von einer sogenannten Hilfsperson unterstützen zu lassen, steht Patrick nach Angaben einer Sprecherin des Landeswahlleiterbüros Rheinland-Pfalz, zu.
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Kommunalwahlen sind grundsätzlich komplizierter als andere Wahlen. Auf Menschen mit Behinderung kommen aber zusätzliche Herausforderungen zu - vor allem auf Sehbehinderte.
Unterstützung gesetzlich geregelt
Demnach können Menschen, die aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung oder einer Seh- bzw. Lesebehinderung zum Beispiel den Stimmzettel nicht richtig ausfüllen, falten oder in die Wahlurne werfen können, sich Hilfe suchen. Das ist auch im Kommunalwahlgesetz so festgehalten. Hilfspersonen müssen mindestens 16 Jahre alt sein und mit einer eidesstattlichen Versicherung bestätigen, dass der Stimmzettel nach dem Willen des Beeinträchtigten ausgefüllt wird.
Nach dem die Briefwahlunterlagen für die Europa- und Kommunalwahl angekommen waren, war auch Betreuer Andreas Gelz überrascht von dem vielen Papier. "Das war schon eine ganze Menge an Unterlagen. Das musste ich mir selbst alles erst mal durchlesen", sagt Andreas.
Mit der Flut an Zetteln überfordert
Andreas unterstützte Patrick dabei all die Zettel auszubreiten. Danach half er ihm, sich einen Überblick zu verschaffen, in dem er ihm beispielsweise erklärte, was auf den Stimmzetteln geschrieben steht. All das natürlich ohne ihn zu beeinflussen.
Besonders herausfordernd für Patrick: die kleine Schrift, die Flut an Wahlunterlagen und die besonderen Falttechniken, die beachtet werden mussten. Das Ausfüllen schaffte er allein. Beim Falten bekam er Hilfe von Andreas. Nach rund einer halben Stunde hatten die beiden es dann geschafft. "Wenn ich Andreas nicht gehabt hätte, wäre ich untergegangen", erinnert sich Patrick.
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Patrick entschied sich bewusst für die Briefwahl
Nicht auszudenken, wie es abgelaufen wäre, wenn er sich gegen die Brief- und für eine Wahl vor Ort im Wahllokal entschieden hätte, meint Patrick. Er ist sich sicher: Die Situation vor Ort mit den vielen Zetteln in den Kabinen hätte ihn nur unter Druck gesetzt und überfordert. So zu wählen wäre nicht möglich gewesen.
Mit dieser Einschätzung sei er nicht allein. Viele seiner Freunde und Bekannten mit Beeinträchtigung ginge es ähnlich, weshalb auch sie sich für die Briefwahl entschieden hätten.
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Broschüre in leichter Sprache soll helfen
Das inklusive Medienteam "Tacheles" der Lebenshilfe Trier, hilft Menschen mit Beeinträchtigungen sich auf die Wahl vorzubereiten. Auch Patrick hat sich dort informiert. Mittlerweile gibt es auch eine Broschüre, die in leichter Sprache über die Kommunalwahlen aufklärt, sagt Lucas Blasius, Projektleiter des inklusiven Projekts der Lebenshilfe Trier. Denn damit habe es in der Vergangenheit immer wieder Probleme gegeben. Hintergrund ist, dass Kommunen und Städte die Wahlunterlagen nicht ohne weiteres in leichte Sprache übersetzten dürften.
Patrick ist jetzt erstmals auch Wahlhelfer
Für Patrick Loppnow ist das Thema Wahlen auch mit dem ausgefüllten Wahlzetteln nicht erledigt. Er hat sich in einer Schulung im Trierer Rathaus mittlerweile selbst zum Wahlhelfer ausbilden lassen. Dadurch kann er nun anderen Menschen mit Beeinträchtigung dabei helfen, ihre Stimme abzugeben.