Bauen ohne Müll

Trierer Architektin: "Wer nachhaltig baut, spart Geld"

Stand
Autor/in
Solveig Naber

Hanf als Baustoff? Die Pflanze ist eine Alternative zu klassischen Dämmstoffen. Nachhaltiges Bauen geht besser als viele glauben, sagt Petra Riegler-Floors von der Hochschule Trier.

Kaum jemand weiß, dass auf die Baubranche mehr als 50 Prozent der Abfallproduktion in Deutschland entfallen. Zugleich ist der Bau eines Hauses eine wahre CO2-Schleuder. 38 Prozent der CO2-Emissionen werden durch die Baubranche induziert, sagt Petra Riegler-Floors von der Hochschule Trier. Die Architektin fordert, dass schon bei der Planung von Gebäuden darauf geachtet wird, Häuser "kreislauffähig" zu machen.

Nachhaltiges Bauen mit natürlichen Baustoffen
Petra Riegler-Floors ist Professorin an der Hochschule Trier im Fachbereich Architektur mit Schwerpunkt zirkuläres Bauen. Sie ist eine der Autorinnen des 2018 erschienen "Altlas Recycling".

SWR Aktuell: Warum wird nachhaltiges Bauen bei der Planung von Gebäuden immer wichtiger?

Prof. Petra Riegler-Floors: Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist das ‚lineare‘ Konzept, Material bzw. Rohstoffe zu nehmen, sie zu verbrauchen und dann auf eine Deponie zu legen, begrenzt. Einfach weil die Rohstoffe knapp werden. Das merkt man deutlich daran, dass sich die Rohstoffpreise in den vergangen zwei Jahren exponentiell nach oben entwickelt haben.

"Klassische Baustoffe werden knapp und teuer.“

Bausand ist ein gutes Beispiel. Das ist durch das Wasser geformter Sand, der als Gesteinskörnung im Beton verwendet wird. Der ist so knapp, dass so verrückte Sachen gemacht werden wie die Strände abzubaggern. In Marokko sind bereits 50 Prozent der Strände abgebaggert. Inzwischen wird der Sand vom Meeresgrund gesaugt und das zerstört auch das Ökosystem an der Stelle.

Tourismus Am Mittelmeer verschwinden die Sandstrände – Bald nur noch Fels und Steine?

Im Mittelmeer gibt es kaum Gezeiten. Das verführt dazu, bis nah ans Wasser zu bauen. Doch Beton und Zement verhindern die natürliche Erneuerung der Strände. Mit viel Energie wird künstlich Sand aufgeschüttet. Doch das ist keine Dauerlösung.

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Zum andern das Thema Abfall. Ich nehme etwas, was eine Million Jahre gebraucht hat, um zu entstehen. Nehme den Sand, verbaue ihn für ein Gebäude. Der durchschnittliche Lebenszyklus eines Gebäudes ist 50 Jahre und dann lege ich es auf die Deponie. Vielleicht fällt ja den Nachkommen etwas dazu ein. Das ist ein vollkommen verrücktes Konzept. Mit dem Planen und Bauen haben wir einen enormen Einfluss, dieses Konzept zu durchbrechen.

SWR Aktuell: Architekten können also dazu beitragen, die Welt nachhaltiger zu machen?

Riegler-Floors: Auf jeden Fall. Gerade bei der Entscheidung, aus welchem Material baue ich. Wird es Beton, wo ich einerseits Sand und Kies verbrauche und eben viel CO2 freisetze für den Zement? Für eine Tonne Zement sind es knapp 600 Kilogramm CO2. Oder entscheide ich mich zum Beispiel für Holz als Werkstoff, wo ich für einen Kubikmeter 1.500 Kilogramm CO2 binde, weil Holz ein natürlicher Baustoff ist.

Mit meiner Planung und meiner Wahl des Werkstoffs habe ich einen ganz großen Hebel, auf den Klimawandel einzuwirken. Entweder positiv oder negativ.

Recycling von Häusern: Bauen ohne Müll

SWR Aktuell: Es geht Ihnen um Häuser, die am Ende nicht auf der Deponie landen. Ist das nur ein Ansatz für öffentliche Bauten oder ist es auch für den privaten Hausbau möglich?

Riegler-Floors: Für beides, definitiv. Am meisten aber für die privaten Häuser. Das Haus gehört ja mir, in guten wie auch in schlechten Tagen. Wenn ich es so konstruiere, dass es am Ende Sondermüll ist, also wenn es zum Beispiel Beton mit einem Wärmedämmung-Verbundsystem ist, was sich nicht trennen lässt. Das wird nachher sehr teuer, das zu entsorgen. Oder später für meine Kinder.

"Wenn ich ein Haus so konstruiere, dass es am Ende Sondermüll ist, wird es teuer."

Es wird auch zukünftig durch die EU-Taxonomie so sein, dass solche Gebäude auch nicht mehr gefördert werden. Es wird für diese Art des Bauens kein Geld mehr geben.

SWR Aktuell: Sie sagen, um klimafreundlicher zu bauen, müssen Häuser kreislauffähig werden. Was meinen Sie damit?

Riegler-Floors: Vereinfacht gesagt, gibt es zwei Kreisläufe. Zum einen den sogenannten biotischen Kreislauf. Zum Beispiel mit einem Baum, der gewachsen ist. Ich kann Vollholz-Produkte daraus gewinnen, aus denen ich das Tragwerk bauen kann. Ich kann daraus Dämmung machen, Holzspan-Dämmung, Holz-Werkstoff-Platten. Dann nutze ich das Haus und am Ende, wenn ich es dann rückbaue, kann es - einfach gesagt - auf den Kompost. Daraus wird wieder Erde, woraus etwas wächst. Der Kreislauf ist geschlossen.

Und es gibt einen Kreislauf auf der Material-Ebene. Das heißt, möglichst Materialien zu verwenden, die schon ein Leben hinter sich haben und sie lange im Kreislauf zu halten. Stahl oder Aluminium sind gut geeignet. Aluminium kann zu 97 Prozent aus altem Material bestehen. Da gibt es kaum Qualitätsverluste.

"Möglichst Materialien nehmen, die schon ein Leben hinter sich haben und im Kreislauf bleiben können."

Mineralische Materialien wie Beton oder Ziegel sind weniger geeignet. Die lassen sich sehr schlecht im Kreislauf führen. Man spricht zwar beim Beton oft vom Recycling-Beton. Aber das funktioniert nur wieder mit der Zugabe von Zement, damit der Beton eine gewisse Qualität bekommt. Und wir wissen, dass die Zementindustrie allein für acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Das ist nicht die Nachhaltigkeit, die wir brauchen.

Hausbestand nutzen statt abreißen

SWR Aktuell: Das alte Polizeipräsidium Trier wurde abgerissen. Jetzt werden die alten Bauteile aus Beton abtransportiert und sortiert. Ist das nicht der richtige Weg?

Riegler-Floors: In dem Fall hätte ich mir gewünscht, es wäre stehengeblieben. Das wäre das bessere Konzept gewesen. Wir sollten immer versuchen, mit unserem Bestand zu leben. Das sieht zwar immer gut aus, wenn wir hier recyceln. Aber schaut man sich genauer an, was damit passiert: Der recycelte Beton wird in der Regel für den Straßenunterbau verwendet oder ähnliches. Das ist ein "Down Cycling". Das ist kein wirklich geschlossener Kreislauf.

Deswegen meine ich, wir müssen unseren Bestand stehen lassen, auch wenn das nicht immer die schöne Jugendstil-Villa ist. Sondern auch diese Nachkriegsarchitektur, die keiner wirklich liebt und bei der die Umnutzung oft schwieriger ist.

SWR Aktuell: Welche Materialien sind denn neben Holz noch klimafreundlich und geeignet für den kreislauffähigen Hausbau?

Riegler-Floors: Stroh und Hanf sind gute Baustoffe. Sie brauchen zum Wachsen jeweils nur ein Jahr und sind quasi global verfügbar. Denn das Thema des nachhaltigen Bauens haben nicht nur wir, sondern das ist weltweit. Und Hanf ist zum Beispiel eine Pflanze, die sehr anspruchslos ist, die in ihrer Kultivierung eigentlich keine Pestizide braucht und wenig Wasser. Von daher wächst sie überall, wo es nicht friert oder zu heiß ist.

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SWR Aktuell: Ist der Bau eines "kreislauffähigen" Hauses teurer?

Riegler-Floors: Wir haben uns in einem Forschungsprojekt damit beschäftigt, weil das immer das erste Totschlagargument ist. Nach dem Motto: Finde ich alles super, aber wer soll das bezahlen?

Erstmal ist es wichtig, dass man nicht nur die Baukosten für das Errichten des Hauses im Blick hat. Sondern das Gebäude steht da ja auch noch eine ganze Weile. Ein Einfamilienhaus schon auch mal 100 Jahre, durchschnittlich sind es 50 Jahre. Und nicht alle verwendeten Materialien halten so lange.

Zum Beispiel ein Teppich als Bodenbelag. Klassischer Fall. Erst hätte man gerne einen tollen Eichen-Dielen-Belag. Der kostet aber 120 Euro für den Quadratmeter. Zu teuer. Erstmal. Am Ende wird es dann der Teppich, der irgendwie 35 Euro den Quadratmeter kostet. Der hat aber nur eine Lebensdauer von ungefähr zehn Jahren. Dann muss ich den aber noch entsorgen. Das kostet.

"Ein Einfamilienhaus steht schon auch mal 100 Jahre. Nicht alle Materialien halten so lange."

Ein neuer Teppich auch. Und wenn ich das dann mal 50 Jahre lang gemacht hat, stellt man schnell fest, dass ich dann nachher 220 Euro pro Quadratmeter für Teppiche investiert habe. Die Holzdielen kann ich nach Jahren sogar noch weiterverkaufen, wenn ich sie ausbaue.

Wir haben festgestellt, dass die recyclebaren Konstruktionen in Häusern nach 50 Jahren bis zu 30 Prozent günstiger waren.

SWR Aktuell: Stoßen Sie bei ihren Planungen von kreislauffähigen, nachhaltigen Häuser an Ihre Grenzen?

Riegler-Floors: Es gibt nicht die eine Lösung für alle Bauaufgaben. Dafür ist das Thema zu komplex. Ja, es ist schon mal ab und an nicht einfach. Aber es gibt ehrlich gesagt für fast alles Lösungen.

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