50 Jahre bei der Idarer-Karneval-Gesellschaft

Karnevalist im Hunsrück: Vom Bühnenhelfer zum Karnevalspräsidenten

Stand
Autor/in
Jana Hausmann
Jana Hausmann ist multimediale Reporterin im SWR Studio Trier

Er hat sich für seine Auftritte eine Glatze rasiert und sich von der Decke abgeseilt. Nun kehrt Michael Thiel der Bühne den Rücken und blickt zurück auf 50 spannende Jahre als Karnevalist.

Michael Thiel sitzt in seinem orange-gestrichenen Arbeitszimmer. An der Wand über seinem Schreibtisch hängen zahlreiche Urkunden. Egal ob vom Landkreis Birkenfeld, der Stadt Idar-Oberstein oder den Rheinischen Karnevalskooperationen - sie alle würdigen sein langjähriges Engagement als Karnevalist. Und das ist ein Ehrenamt, das er seit 50 Jahren aus voller Überzeugung ausübt.

Der Anfang einer großen Leidenschaft

1972 trat der heute 66-Jährige der Idarer-Karneval-Gesellschaft bei. Er und drei seiner Freunde spielten Karten genau dort, wo sich der Verein zu seinen wöchentlichen Treffen zusammenfand. Thiel traf dabei auf die damals regional bekannten Karnevalsgrößen und lernte andere Aktive kennen.

Für ihn und seine Freunde war schnell klar, dass sie dazugehören wollten. Doch wie das so ist: Als Neuling ging es für Michael Thiel nicht direkt ins Rampenlicht. Erst mal musste er sich beweisen. "Man musste sich damals natürlich hochdienen, als Bütten- und Requisitenschieber", erzählt er lachend.

Ein ungewollter Auftritt

Bis zur Erfüllung des großen Traums, nämlich im Elferrat zu sitzen oder gar selbst auf der Bühne das Publikum zu begeistern, schien es noch weit. Doch der erste Beifall kam schneller als gedacht. "Damals war ich dafür zuständig, einen roten Teppich, der beim Elferratstisch lag, beim Gardetanz wegzuräumen und anschließend wieder auszurollen. Weil ich nicht mit dem Hintern zum Publikum stehen wollte, habe ich den so mit dem Fuß geschnickt, bin aufgetreten und lag auf der Bühne. Da waren Gelächter und Applaus groß, weil es so eine ungewollte Clownnummer war."

Ein Hunsrücker in unzähligen Rollen

Der erste geplante Auftritt folgte zwei Jahre später - eine Büttenrede als Zwiegespräch, das in dieser Form fast 40 Jahre fester Bestandteil des IKG-Programmes sein sollte. Doch Michael Thiel schlüpfte auch immer wieder in neue Figuren. Sei es als Travestie-Schönheit, die sich von der Decke auf die Bühne abseilt, Bruce Willis, Oberbürgermeister oder Hausmeister.

Wenn man Michael Thiel zuhört, wird schnell klar, dass vor allem das Texten für die Bütt seine Leidenschaft ist. Dinge, die passieren, in Reime zu fassen und für die Bütt aufzuarbeiten - da ist er in seinem Element.

"Es macht mir Spaß, das was lokal oder auch bundespolitisch passiert, in Reime zu fassen, zu glossieren und auch mal den mahnenden Finger zu heben. Das macht diese literarisch-politische Fastnacht aus."

Die Arbeit im Hintergrund als Grundlage

Genauso wichtig wie auf der Bühne zu stehen, war für Thiel die Arbeit im Hintergrund. Er selbst war 40 Jahre im Vorstand der IKG, als Kassierer, Vorsitzender und auch Präsident. Nebenbei engagierte er sich in Karnevalsverbänden, um die Vereine in den Kreisen Birkenfeld und Bad Kreuznach zu unterstützen und zu beraten.

Für ihn liegt es auf der Hand, dass ohne die, die im Hintergrund arbeiten, die Bühnenbilder bauen, Kostüme nähen oder die Technik bedienen, niemand auf der Bühne glänzen kann. Er selbst vergleicht das gerne mit einer Uhr, die nur mit Zeigern, Zifferblatt und Uhrwerk funktionieren kann.

"Die auf der Bühne sind Zeiger und Zifferblatt. Aber ohne die vielen Rädchen hintendran, ohne das Uhrwerk, würde die Uhr nicht funktionieren. Und genauso ist es beim Verein."

Verständnis für verschiedene Generationen

Damit die Teams auf und hinter der Bühne Hand in Hand arbeiten, muss man miteinander reden, rät Michael Thiel. Einer könne vom anderen profitieren. Das gelte auch für die Zusammenarbeit von Jung und Alt. Da habe es im Verein auch schon mal geknirscht. Das habe sich zum Glück gelegt. "In der Vereinsarbeit ist es heute wieder sehr schön. Heute zieht wirklich jeder an demselben Strang, damit wir gemeinsam was auf die Beine stellen, gemeinsam Erfolg haben".

Fester Bestandteil der IKG

Die Idarer-Karneval-Gesellschaft wird dieses Jahr 75 Jahre alt. 50 Jahre davon ist Michael Thiel dabei. Er hat Leute kommen und gehen sehen und erlebt, wie der Verein an Herausforderungen wie beispielsweise der Corona-Pandemie wachsen konnte. Die Programmbeiträge hätten sich in all den Jahrzehnten weiterentwickelt. Der Hunsrücker ist überzeugt: Das Programm an sich ist professioneller geworden.

Während man früher eher lockerer auf die Bühne ging, ist heute alles getaktet, so Thiel. Auch das Publikum habe sich verändert. Anders als heute ähnelte der Karneval einige Jahrzehnte zuvor eher einer edlen Kulturveranstaltung in Abendkleidern und mit feinstem Schmuck.

"Früher kamen die Damen in den Abendkleidern zur Veranstaltung. Da gab es nachmittags keinen Friseurtermin mehr in der Stadt, weil die Haare gestylt wurden. Und dann wurden die ganzen Juwelen angelegt."

Stimmung hat sich verändert

Heute käme ein Großteil der Besucherinnen und Besucher dagegen verkleidet zur Prunksitzung. Und das verändere auch die Atmosphäre im Saal. Zwar hätte das Publikum schon früher applaudiert und gelacht, insgesamt war die Stimmung aber eher gediegen, erinnert er sich. Heute dagegen sei die Stimmung auf den Prunksitzungen viel ausgelassener.

Rückzug aus dem Rampenlicht

Nach zwei Jahren Corona-Pause freut sich Michael Thiel nun darauf, auf der Bühne zu stehen und diese ausgelassene Stimmung hautnah mitzuerleben. Er wird sich dieses Jahr wieder in seiner Figur als Hausmeister präsentieren. Danach will er sich von der Bühne verabschieden - den Platz räumen für jüngere und mehr Zeit für die Enkel haben.

"Ich denke, 50 Jahre reichen und wir haben junge Leute, die das Talent haben und schöne Vorträge machen. Und die sollen auch einen Platz auf der Bühne haben."

50 Jahre und kein Auftritt ohne Lampenfieber

Das Lampenfieber und das Kribbeln im Bauch vor dem Auftritt habe er übrigens all die Jahre nicht verloren. Nur damit könne man schließlich einen guten Auftritt hinlegen. "Für mich war immer wichtig, dass die Leute nach der Sitzung oder nach dem Theater nach Hause gehen und sagen, ich wurde gut unterhalten. Wenn Sie das sagen konnten, dann haben wir alles richtig gemacht".

Seinen letzten Auftritt werde er nun in vollen Zügen genießen. Und auf seinen jahrzehntelangen Einsatz als Karnevalist blickt er nun zufrieden und stolz zurück.

"Das waren 50 tolle Jahre. Es war auch eine Schule fürs Leben und ich habe wirklich keinen Moment bereut."

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