Manuel Seeger ist Dozent für Physische Geographie an der Universität Trier. Er forscht zu Oberflächenformung und Erosionsprozessen. Im SWR-Interview erklärt er, was die Felsstrukturen am Trierer Moselufer ausmacht und wieso es dort immer wieder zu einem Felssturz kommen kann.
SWR Aktuell: Im Volksmund spricht man vom "Roten Felsen". Mit was für einem Gestein haben wir es hier eigentlich zu tun?
Manuel Seeger: Bei den Felsen oberhalb der Weinlage Augenscheiner handelt es sich um Sandstein aus der Epoche des Buntsandstein. Den gibt es entlang der Mosel in Richtung Eifel überall. Er ist etwa 240 Millionen Jahre alt und damit um einiges jünger als der Schiefer auf der rechten Moselseite, der nochmal doppelt so alt ist.
Der darüberliegende Sandstein wurde über Jahrmillionen abgetragen, gleichzeitig hat sich die Mosel immer tiefer in die Landschaft eingebettet. So ist quasi die heutige Landschaft mit den hohen Felswänden auf der linken und den Schieferhängen auf der rechten Seite der Mosel entstanden. Der Sandstein ist eigentlich viel fester als der Schiefer.
SWR Aktuell: Wie genau konnte es dann zu diesem Felssturz am linken Trierer Moselufer kommen?
Manuel Seeger: Das liegt daran, dass wir hier eine sogenannte tektonische Störung haben. Das muss man sich vorstellen, wie ein schlechtes Fundament bei einem Haus. Im Lauf der Zeit entstehen Risse in den Wänden. Das ist bei dieser Felswand genauso. Dadurch kommt Bewegung rein. Hinzu kommt, dass der "Rote Fels" durch Verwitterung stark beansprucht ist.
In letzter Zeit hat es viel geregnet. Das heißt, es fließt viel Wasser durch die Risse im Gestein. Allerdings besteht der Fels aus verschiedenen Altersschichten, die das Wasser alle unterschiedlich gut aufnehmen. Wenn es dann zu so plötzlichen Kälteeinbrüchen kommt wie diese Woche und die Temperaturen nochmal auf unter Null Grad Celsius fallen, dann kann das sozusagen das letzte Reiskorn sein und der Fels kommt runter.
SWR Aktuell: Gibt es klar erkennbare Kennzeichen für einen drohenden Felsabsturz?
Manuel Seeger: Natürlich gibt es Warnhinweise. Man kann zum Beispiel die Tiefe der Bruchspalten untersuchen. Aber für eine dauerhafte Beobachtung ist das Felsareal auf der linken Moselseite viel zu groß. Das geht bei einzelnen Felsen.
An der Zugspitze beobachten Forscher beispielsweise einen Felsen, der jetzt durch das Auftauen des Permafrostbodens in Bewegung geraten ist. Da wird mit Sensoren gearbeitet, die alle paar Minuten Daten weiterleiten. Da lässt sich dann auch präziser sagen, ab wann und bei welcher Neigung der Fels möglicherweise abstürzen wird.
SWR Aktuell: Für den Roten Felsen lassen sich solche Vorhersagen also nicht treffen?
Manuel Seeger: Nein, wir können einschätzen, welche Bereiche einer Felsstruktur eine größere Gefährdung aufweisen und dann sagen, hier sollten wir vielleicht einen Zaun bauen. Aber wir können nicht sagen, nächste Woche kommt da ein Felsbrocken runter. Das kann morgen der Fall sein oder auch erst in fünf Jahren. Für den Felsen, gemessen an dessen Alter, ist das ohnehin keine wirklich lange Zeit und macht für ihn kaum einen Unterschied.
Fangnetz verhindert Schlimmeres Felsrutsch in Trier: Riesiger Brocken rollte auf Straße zu
Der Brocken löste sich aus den so genannten Roten Felsen am linken Trierer Moselufer und rollte dann einen Weinberg hinunter. Ein Fangnetz stoppte den Brocken.
SWR Aktuell: Witterungsverhältnisse üben großen Einfluss auf Felsstrukturen aus. Jetzt befinden wir uns aber mitten im Klimawandel. Sie sagten bereits, dass der Permafrost in den Alpen auftaut. Können sich veränderte klimatische Bedingungen auch auf Felsstrukturen an der Mosel auswirken?
Manuel Seeger: Ja, natürlich. Hier betrifft es keinen Permafrostboden, dafür aber andere Bereiche. Ein gutes Beispiel sind da Starkregen-Ereignisse. Wenn in kurzer Zeit sehr viel Wasser in die Risse in den Felsen fließt, kann das natürlich Auswirkungen haben. Aber auch wenn es im Winter weniger schneit und stattdessen mehr regnet, dringt schneller Wasser in den Felsen ein.
SWR Aktuell: Was können wir tun? Gibt es Präventionsmaßnahmen, um größere Schäden zu verhindern?
Manuel Seeger: Für einen Felssturz gibt es kaum präventive Maßnahmen, höchstens Sicherungsmaßnahmen. So kann man einen Felsen zum Beispiel mit Netzen verankern. Das ist aber schwieriger und teurer als einen Zaun zu bauen, wie wir ihn am Moselufer zum Glück schon haben. Die Zäune sind so elastisch gebaut, dass sie die Energie des herabstürzenden Felsen auffangen können.
Grundsätzlich muss man aber sagen, dass so ein Felssturz keine Seltenheit und ein vollkommen natürlicher Prozess ist. Die Felswand an der Mosel wurde durch solche Felsstürze überhaupt erst geprägt, sonst würde sie nicht so steil aufragen.