Sanft plätschert die Lieser um einen Bogen unterhalb der Niederburg Manderscheid. Sportler hangeln sich darüber entlang einer Felswand des Manderscheider Klettersteigs. Wanderer genießen die Idylle. Sabine Kummer ist weder zum Klettern noch zum Wandern hier. Die Geologin vom Natur- und Geopark Vulkaneifel hat eine Mission.
Dafür ist sie mit Eimer, Schaufel, Gesteinshammer und Lupe bewaffnet. In Gummistiefeln stapft sie durch die flache Lieser und sucht ganz bestimmte Steine. Mit der kleinen Schaufel gräbt sie im Sediment und versucht, Steine, Sand und Wasser zu trennen: "Genau hier waren auch die Forscher mit einer Goldwaschpfanne unterwegs. Die würde uns jetzt helfen, aber die Schaufel tut's auch."
Dabei suchen wir gar kein Gold, sondern wertvolle Mineralien: nämlich Saphire. Ein einzelner der blauen Edelsteine kann bei einem Händler mehrere hunderttausend Euro einbringen. Und nun hat ein Team von Forschern der Universität Heidelberg herausgefunden, dass die Kristalle gerade in der Eifel besonders häufig vorkommen. Was auch für viele Einheimische eine Überraschung war.
Fachleute: Saphire waren in der Eifel unbekannt
Selbst Hans Stölben hat noch nie von den Eifel-Saphiren gehört. Und der 92-Jährige beschäftigt sich seit Jahren mit Steinen. Seit mehr als 30 Jahren betreibt er die Steinkiste in Manderscheid. Ein privates Museum mit geologischen Funden aus aller Welt. "Ich bin früher gerne gewandert mit den Kindern, und da haben wir Fossilien gesucht. Dabei ist die Leidenschaft für Steine entstanden", sagt Stölben.
Auch viele Exponate aus der Eifel stehen in seinen Vitrinen. Stölben hat die meisten davon vom Maarmuseum in Manderscheid bekommen. Einen Haüyn vom Laacher See zum Beispiel - ein blauer Kristall, der einem Saphir zum Verwechseln ähnlich sieht. "Über Edelsteine aus der Eifel sind schon ganze Bücher geschrieben worden", sagt Stölben: "Da wundert einen so ein Saphir dann vielleicht doch nicht so sehr."
Kristalle brauchen Zeit und Platz
Auch Sabine Kummer ist darüber nicht verwundert, die Geologin weiß schließlich gut, wie Kristalle in der Eifel entstanden sind. Um das zu zeigen, hat sie in der Lieser heute genau die Steine gefunden, nach denen sie gesucht hatte.
Sie hat sie in Haufen sortiert: "Der größte Haufen, davon kommen mit Abstand am meisten vor, das sind Steine aus dem Zeitalter des Devon. Die bilden in der Eifel das gesamte Grundgebirge. Ich bin aber auf unseren letzten Haufen ganz scharf." Darin befinden sich nämlich die vulkanischen Gesteine.
Kummer erkennt sie an der sehr porösen Oberfläche, runden Form und dass sie schwer sind. "Die Geologin in mir freut sich: Ich kann endlich den Hammer in die Hand nehmen und die Gesteine zertrümmern." Denn im Innern könnte sich ein kleiner Schatz verbergen, zumindest aus geologischer Sicht. Mit geübten Schlägen schafft Kummer eine glatte Bruchkante an dem Vulkangestein.
"Das, was hier so funkelt und glitzert, das sind Mineralien." Im braunen Gestein sind dunklere oder hellere Steinchen zu sehen, die teils halb durchsichtig und vor allem eins sind: mehreckig. "Alle Kristalle brauchen Zeit und Platz, um ihre typische Form auszubilden", erklärt die Geologin.
Steigt die vulkanische Magma schnell auf, wird an der Erdoberfläche zu Lava und erkaltet, dann bilden sich nur kleine Kristalle darin. Hat die Magma mehr Zeit unter der Erde, können die Mineralien größer auskristallisieren.
Fund der Edelsteine war "Zufallstreffer"
Obwohl also durchaus bekannt ist, dass es in der Eifel Kristalle gibt, waren die Heidelberger Forscher damals gar nicht auf der Suche nach Saphiren, als sie die Entdeckung gemacht haben, erzählt der Geologe Sebastian Schmidt. Sie hatten Schlamm und feinstes Sediment aus der Lieser und der Kyll untersucht und dabei unter dem Mikroskop die kleinen blauen und pinken Kristalle gesehen. "Das war ein Zufallstreffer", sagt Schmidt.
Danach haben sich die Wissenschaftler sofort in die Eifel aufgemacht, um weitere Proben zu ziehen. Mit Goldwaschpfannen haben sie die Flussbetten rund um Gerolstein, Manderscheid und Daun durchsiebt und dabei 223 Saphire gefunden. Dabei war Geduld gefragt, sagt Sebastian Schmidt: "Es braucht mehrere Kilogramm Sediment, um 20 bis 50 Saphire zu finden."
Eifeler Saphire sind zu klein, um etwas wert zu sein
Mit dem bloßen Auge sind sie übrigens nicht zu erkennen. Nicht mal ein Glitzern im Fluss ist zu sehen. Was die Suche noch schwieriger macht. Aber finanziell lohnt die sich ohnehin nicht. Saphire gehören zwar zu den teuersten Edelsteinen der Welt. Die Saphire aus der Eifel allerdings sind so gut wie gar nichts wert.
"Die sind nur wenige Millimeter groß und haben keine Schmuckqualität", sagt Schmidt. Beim Schleifen eines Edelsteins gehen laut Experten rund 80 Prozent eines Steins verloren. Solche kleinen Körnchen lassen sich daher nicht in Ringe oder Halsketten einarbeiten.
Ohnehin gibt es in der Wissenschaft keine "edlen Steine", sagt Geologin Sabine Kummer. Für sie sind auch Saphire Gestein. Es waren Schmuckindustrie und Wirtschaft, die irgendwann "schöne" Steine, die sich gut zu Schmuck verarbeiten ließen, als "Edelsteine" bezeichneten.
Bekanntester Edelstein aus der Eifel ist der Haüyn
Damit kennt man sich in Idar-Oberstein besonders gut aus. Schon seit Jahrhunderten werden in der Stadt im Hunsrück Edelsteine geschliffen und zu Schmuck verarbeitet. Steine aus der Eifel waren und sind da allerdings nur selten dabei, sagt Tom Stephan, Geschäftsführer der Deutschen Gemmologischen Gesellschaft. Durch den Vulkanismus sind dort zwar viele Kristalle entstanden. Doch sie kommen nicht in der Qualität und Größe vor, die sie für einen Schleifer interessant machen würden.
Eine Ausnahme ist der Haüyn, der nach Ansicht von Tom Stephan "das schönste Blau der Edelsteinwelt" bietet und der bekannteste Edelstein aus der Eifel ist. Richtig große Kristalle könnten einige tausend Euro einbringen.
Er ist allerdings so selten, dass sich ein Abbau im Steinbruch nicht lohnen würde. Ähnlich wie beim Saphir. "Für Sammler ist das mit den Saphiren toll", sagt Stephan: "Reich wird mit denen aber niemand." Mit den großen Steinen aus den Abbaugebieten in Sri Lanka oder Madaskar könnten die Eifeler Kristalle nicht konkurrieren.
Glitzernder Schatz unter dem Mikroskop
Aber schauen wir erst einmal selbst nach: Nachdem Geologin Sabine Kummer schon unter der Lupe kleine Kristalle im Vulkangestein gesehen hatte, nimmt sie jetzt das Mikroskop zur Hand. Unter dem Licht des Geräts glitzert es tatsächlich blau. Aber es ist kein Saphir. Sondern wahrscheinlich eine Hornblende. Auch grüner Olivin ist unterm Mikroskop zu sehen.
Diesen Anblick des Inneren der Steine kennt Geologin Kummer. Was sie sich bisher noch nie angesehen hat, ist das Sediment, das sie mit der kleinen Schaufel aus dem Fluss geholt hat: "Das ist wunderschön! Da sind so viele Kristalle drin, das hab ich gar nicht erwartet. Wow. Es glitzert und glänzt." Was auch daran liegt, dass die Probe noch nass ist. Dennoch: "Es ist, als ob ich auf einen Schatz gucken würde."
Auch Saphire sind durch Vulkanismus entstanden
Wir haben zwar einen Schatz gefunden, aber keine Saphire. Aber es hat ja auch immerhin tausende Jahre gebraucht, das Geheimnis um das blaue Wunder der Eifel zu lüften. Im Labor konnten die Heidelberger Forscher das Alter der Kristalle bestimmen und somit nachweisen, dass sie zur selben Zeit entstanden sind, wie der Vulkanismus. Zur Erinnerung: Der letzte Vulkanausbruch in der Eifel, am Ulmener Maar, ist 11.000 Jahre her.
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Dieser Ausbruch hat womöglich einige der Saphire an die Oberfläche befördert, die die Forscher jetzt in der Lieser gefunden haben. Entstanden sind die nämlich - auch das eine Erkenntnis aus der Studie - in einer Tiefe von fünf bis sieben Kilometern. Dort ist Magma ins Gestein eingedrungen und hat Korund mit Eisen und Titan zusammengeschmolzen.
In den großen Abbaugebieten in Asien und Afrika übrigens haben sich die Saphire auf anderem Wege gebildet: nämlich bei der Entstehung der großen Gebirge wie dem Himalaya. Der Druck und die Hitze, die dabei über Tausende von Jahren entstanden sind, formten die Kristalle.
Saphire lieber nicht auf eigene Faust suchen
Apropos Kristalle: Wir haben heute in Manderscheid viele interessante und schöne Mineralien gefunden, ein Saphir war aber nicht dabei. Wir können also keinen mit nach Hause nehmen - das sollten wir aber auch gar nicht, sagt Sabine Kummer: "Die Region Vulkaneifel ist anerkannt als UNESCO Global Geopark. Damit geht eine ethische Komponente einher: Wie haben hier besondere Fossilien und Mineralien, die es zu schützen und erhalten gilt."
Das heißt: Wenn viele Menschen sich einfach Fossilien oder Mineralien aus der Lieser mitnehmen, dann gebe es am Ende nicht mehr das, was die Region so einzigartig und besonders macht. Statt Saphire suchen, dann also doch lieber die Idylle der Lieser genießen, wie sie sanft um den Bogen unterhalb der Manderscheider Niederburg plätschert.