Der Trierer Bischof Stephan Ackermann spricht bei einem dpa-Interview.

Interview mit SWR-Kirchenexperte Pick

Was bleibt vom Missbrauchsbeauftragten Bischof Ackermann?

Stand
Autor/in
Andrea Meisberger
Andrea Meisberger: Multimediale Reporterin SWR Studio Trier

Nach zwölf Jahren hat der Trierer Bischof Stephan Ackermann als Missbrauchsbeauftragter der katholischen Kirche aufgehört. Ulrich Pick aus der SWR-Redaktion Religion blickt zurück und erklärt, was von Ackermann bleibt.

SWR Aktuell: Der Trierer Bischof Ackermann war zwölf Jahre im Amt als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Die Erwartungen an den damals noch jungen Trierer Bischof waren groß. Konnte er die überhaupt erfüllen?

Ulrich Pick: Man muss sich vor Augen führen, wie die Situation damals war. Stephan Ackermann war gerade neun Monate Bischof von Trier und neu in dieser Runde der Deutschen Bischofskonferenz. Er war Mitte 40. Ich glaube, als man ihm das Amt angedient hat, konnte er nicht Nein sagen.

"Man konnte damals zu dem Zeitpunkt noch nicht klar ausmachen, was da auf die ganze Bundesrepublik und die katholische Kirche zukommt."

Es war der Zeitpunkt, als der Jesuitenpater Klaus Mertes kundgemacht hatte, als Leiter des Berliner Canisius-Kollegs an der Jesuitenschule, dass an seiner Schule schwerer sexueller Missbrauch stattgefunden hat. Das war der Anfang. Niemand konnte ahnen, welche Wellen da noch über die katholische Kirche und ganz Deutschland hinweggehen würden. So gesehen kann man die Frage, ob die Ansprüche an ihn zu hoch waren, einfach gar nicht beantworten.

Bischof Ackermann scheitert an der Struktur der Kirche

SWR Aktuell: Wo lagen die größten Herausforderungen für Bischof Ackermann, als diese Welle der vielen Missbrauchsvorwürfe kam?

Ulrich Pick: Es gibt und gab zwei Konfliktpunkte. Das eine ist, dass die Bischöfe sich immer wieder mit neuen Forschungsergebnissen, mit neuen Fakten über Missbrauch, über Opfer, über den Umfang dieses sexuellen Missbrauchs konfrontiert gesehen haben. Das hörte ja nicht mehr auf. Was sich in unfassbar hohen Austrittszahlen in der katholischen Kirche widerspiegelt.

Das zweite ist, dass die Deutsche Bischofskonferenz alles andere als einig ist. Das sind 27 eigene Köpfe und jeder Kopf tickt anders. Man zieht nicht an einem Strang. Es gibt Lager und das macht die Lage sehr schwer.

"Bischof Ackermann hat von Anfang an versucht, alle Bischöfe mit ins Boot zu nehmen. Das ist wegen der ganzen Konstruktion und der Eigenwilligkeit einiger Amtsbrüder gescheitert."

SWR Aktuell: Bischof Ackermann stand zunehmend in der Kritik, die Aufarbeitung um den Missbrauch nicht zügig voranzubringen. Wo hat er Fehler gemacht?

Pick: Wir sollten erst einmal festhalten, dass Stephan Ackermann ganz wichtige Sachen auf den Weg gebracht hat. Er war entscheidend daran beteiligt, dass die sogenannte MHG-Studie der Deutschen Bistümer zum sexuellen Missbrauch 2018 herauskam.

"Er ist derjenige gewesen, der von Anfang an nichts unter den Teppich gekehrt hat. Er hat das Ganze als verheerend für das Ansehen der Kirche bezeichnet."

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Charakter Ackermanns wurde ihm zum Hindernis

Ackermann hat sich nie der Versuchung der Verharmlosung oder der Vertuschung hingegeben. Aber ihm ist einiges zum Hindernis geworden. Zum einen die Heterogenität der Bischofskonferenz und dass die Auswüchse des Missbrauchs in der Kirche immer größer wurden. Aber auch, so habe ich ihn erfahren, sein eigener Charakter. Ich habe Stephan Ackermann auch als sehr emotional erfahren, was ihm eine gewisse Sachlichkeit schwer gemacht hat.

"Er ist sozusagen über seine eigenen Füße gestolpert."

Beispielsweise hat er ja den Klarnamen einer Frau, die Opfer sexuellen Missbrauchs geworden ist, in einer Runde von circa 40 Leuten im Bistum Trier herausgegeben. Die Frau tritt normalerweise unter einem Pseudonym auf. Das hat er preisgegeben.

"Das ist natürlich ein schwerer Bruch. Das hätte er nicht machen dürfen."

Ein Kirchenrechtler hat ihn nun in Rom wegen des indirekten Bruchs des Beichtgeheimnisses verklagt. Das ist ein schwerwiegender Fall. Ich glaube jedoch nicht, dass da viel bei rauskommen wird.

SWR Aktuell: Wird sich jetzt durch den Rücktritt Ackermanns etwas ändern?

Ulrich Pick: Ich denke, es wird sich nicht viel ändern, dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Es bleibt eine ganz zentrale Frage mit Blick auf die Gesamtgesellschaft und insbesondere auf die Opfer: Wer übernimmt die Verantwortung für den sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche von 1945 bis heute?

"Das ist eine ganz schwierige Frage, die letztlich auch nicht endgültig beantwortet werden kann."

Katholische Kirche muss ihre Haltung zur Sexualität ändern

Aber Verantwortung ist immer im Zusammenhang mit Personen zu sehen. Und ich habe den Eindruck, dass die Öffentlichkeit gerne sehen würde, dass persönliche Konsequenzen gezogen werden. Nur Erzbischof Marx aus München und der Erzbischof aus Hamburg Heße haben ihr Amt zur Verfügung gestellt. Aber sie sind immer noch dort, weil der Papst das nicht angenommen hat. Ansonsten hat niemand von Rücktritt gesprochen. Das hinterlässt einen faden Geschmack bei den Opfern.

"Es wäre ein großer Schritt, wenn die Bischofskonferenz diese Frage öffentlich und intensiv diskutieren würde."

Die zweite wichtige Frage ist die der Macht der Sexualität. Denn solange die katholische Kirche weltweit die Schwere von Sexualität, ihrer Kraft, ihrer Möglichkeit auch süchtig zu machen, nicht diskutiert, wird man nur ganz schwer von dem Problem wegkommen.

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