Die Europäische Union definiert seltene Krankheiten als Erkrankungen, von denen weniger als einer von zweitausend Menschen betroffen ist. Auch in Rheinland-Pfalz werden solche Patientinnen und Patienten behandelt. Wir werfen zusammen mit Prof. Dr. Oliver Tüscher vom "Zentrum für seltene Erkrankungen des Nervensystems" (ZSEN) in Mainz einen Blick auf diese Krankheiten.
Verein "Loudrare" erhebt Stimme Verein in Ludwigshafen will Betroffenen von seltenen Krankheiten helfen
Der 28. Februar ist "Tag der Seltenen Erkrankungen". Ein Verein in Ludwigshafen will nicht nur an diesem Tag die Aufmerksamkeit auf die Schwierigkeiten der Betroffenen lenken.
Was sind bekannte seltene Krankheiten?
Mukoviszidose (Zystische Fibrose): Laut Oliver Tüscher ist die Mukoviszidose eine der bekanntesten seltenen Krankheiten. Diese Erkrankung betrifft in Deutschland etwa 8.000 Menschen. Es handelt sich dabei um eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die sich in verschiedenen Symptomen äußert, darunter chronischer Husten, Atembeschwerden und Verdauungsprobleme.
Huntington-Krankheit: Die Huntington Krankheit ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die Veränderungen im Gehirn verursacht. Sie betrifft etwa eine Person von 10.000 bis 20.000 Menschen. Bei Patienten zeigen sich motorische Störungen, ein kognitiver Abbau (Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit) und verschiedene psychische Symptome (Aggressivität, Depressionen).
Morbus Gaucher: Wenn der Körper bestimmte Lipide (Fette) nicht abbauen kann, kann die Fehlfunktion eines Enzyms (Glucocerebrosidase) vorliegen. Die Ansammlung dieser Lipide in verschiedenen Organen und Geweben führt zum Beispiel zur Vergrößerung der Milz und Leber sowie zu Knochenbrüchen und Blutungen. Etwa eine Person von 40.000 bis 60.000 Menschen weltweit ist davon betroffen.
Medizin Seltene Krankheiten – wenig Forschung, insgesamt viele Betroffene
Schätzungen zufolge sind allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen von seltenen Krankheiten betroffen. Das Problem: Es gibt meist wenig Forschung und Therapiemöglichkeiten.
Kompetenzzentren in Rheinland-Pfalz
Es gibt mehrere Orte, an denen zu solchen Erkrankungen geforscht wird und wo diese auch behandelt werden. Oliver Tüscher stellt die Villa Metabolica, die von der Unimedizin Mainz unter Leitung von Prof. Dr. Julia Hennermann betrieben wird, in den Vordergrund. Das Zentrum ist auf lysosomale Speicherkrankheiten spezialisiert. Diese Erkrankungen betreffen den Stoffwechsel und führen zu einer Anhäufung von Abfallprodukten in den Zellen, was zu schweren gesundheitlichen Problemen führen kann.
Darüber hinaus ist in Mainz zum Beispiel das Zentrum für seltene Erkrankungen der Unimedizin auf X-chromosomale Gendefekte spezialisiert. Da Frauen zwei X-Chromosome haben, Männer hingegen nur eines, sind vor allem Männer betroffen. Zu den häufigsten Krankheiten gehört das "Prader-Willi-Syndrom" (äußert sich z.B. in fehlendem Hungergefühl) und das "Rett-Syndrom" (Probleme mit Sprache, beim Laufen und in der Feinmotorik).
Ein weiteres bedeutendes Zentrum dort ist das Huntington-Forschungs- und Behandlungszentrum (HFBZ), eine der wenigen spezialisierten Einrichtungen in Deutschland, die sich auf diese Krankheit konzentriert. Das Zentrum führt klinische Studien und Forschungsprojekte durch, um das Verständnis der Krankheit zu verbessern und neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Weitere Zentren in Mainz und RLP
Das Kompetenznetzwerk für seltene Erkrankungen (KINZ) wurde 2003 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ins Leben gerufen und besteht aus 27 universitären Einrichtungen und Krankenhäusern in Deutschland, dazu gehört auch die Universität Mainz.
Das Tuberöse Sklerose-Zentrum an der Kinderklinik Worms ist spezialisiert auf die Behandlung der auch Morbus Bourneville Pringle genannten Krankheit. Durch Genveränderungen können Tumore entstehen und Entwicklungsstörungen sowie Epilepsie auftreten. Worms ist für die Tuberöse Skelose eine der 23 Anlaufstellen in Deutschland.
Forschung und Bezahlung
In den letzten Jahren haben Fortschritte in der genetischen Forschung die Entwicklung neuer Therapien beschleunigt. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, medizinischem Personal, Patienten und gemeinnützigen Organisationen ist hier als wichtiger Faktor zu nennen. Durch Fortschritte in der Genomik und der DNA-Sequenzierung wurde zum Beispiel die Identifizierung von Genmutationen erleichtert.
Die Finanzierung von Behandlungen und Forschungen im Bereich seltener Krankheiten ist eine Herausforderung, da die Gruppe der Betroffenen vergleichsweise klein ist. Deswegen gibt es staatlich geförderte Forschungsprogramme, wie zum Beispiel durch die EU und das National Institute of Health (NIH) in den USA, die sogenannte Drittmittel zur Verfügung stellen. Außerdem erleichtern geänderte Zulassungsverfahren für Arzneimittel seltener Erkrankungen die Behandlung von Patientinnen und Patienten. Auch die forschende Pharmaindustrie treibt die Forschung in diesem Bereich voran.
Ehrenamtliche Arbeit
Der von Betroffenen gegründete Verein LOUDRARE aus Ludwigshafen hat die Awareness-Kampagne #wiedu ins Leben gerufen. Damit möchten die Ehrenamtlichen seltene Erkrankungen und die Menschen, die sie haben, in der Öffentlichkeit sichtbarer machen. Die Kampagne lädt zu Mitmach-Challenges ein, bietet einen sicheren Raum für Betroffene und unterstützt den Austausch und die Vernetzung untereinander.