Herausforderung für das Bildungssystem

Wie gelingt die Integration ukrainischer Kinder an den Schulen in RLP?

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Götz Kohlmann
Götz Kohlmann ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz
Klaus Welsch
Klaus Welsch ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz

Bald dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine eineinhalb Jahre. Tausende geflüchtete Kinder und Jugendliche hat Rheinland-Pfalz seither aufgenommen. Wie läuft es inzwischen mit ihrer Betreuung an den Schulen im Land?

Natürlich sei die Integration von mehr als 10.000 Schülerinnen und Schülern in ein bestehendes Bildungssystem nicht ohne Herausforderungen zu meistern, heißt es aus dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium.

Aus Rückmeldungen an das Ministerium und die Schulaufsichtsbehörde (ADD) wisse man, dass die Integrationsaufgabe die Schulgemeinschaften sehr beanspruche.

VBE: Die Integration verläuft in den allermeisten Fällen gut

Das bestätigt der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Rheinland-Pfalz. So würden zwar in den Schulen Sprachkurse angeboten, jedoch brauche es mindestens acht Schülerinnen und Schüler, damit man Anspruch auf eine Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache habe. Gerade die kleinen Schulen kämen häufig nicht auf die notwendige Anzahl an Schülerinnen und Schülern.

Grafik zur Aufnahme ukrainischer Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz
Grafik zur Aufnahme ukrainischer Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz seit Kriegsbeginn

Die Zahl der geflüchteten Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine stagniert laut Bildungsministerium seit etwa Ende April, sie pendle sich seither bei rund 10.650 Schülerinnen und Schülern ein. Nach Einschätzung des VBE stellten sich viele Menschen aus der Ukraine auf einen langen Verbleib in Deutschland ein und seien daher sehr bemüht. Die Integration verlaufe deshalb in den allermeisten Fällen gut.

Die Zahl der geflüchteten Schülerinnen und Schüler aus anderen Ländern steigt nach Ministeriumsangaben weiterhin leicht an, wobei sich der wöchentliche Anstieg zuletzt verringert habe. Nach Angaben des Schulportals der Robert Bosch Stiftung hatten - Stand Februar 2023 - alle geflüchteten Kinder in Rheinland-Pfalz einen Schulplatz bekommen, während in Deutschland insgesamt noch knapp 1.200 Kinder warteten.

Viele Schulen in Rheinland-Pfalz sehen ihre Kapazitäten inzwischen am Limit und fordern zusätzliche Unterstützung. Eine große Herausforderung für die Schulen, berichtete der Schulleiter einer Realschule plus in der Region Trier im vergangenen Februar, bestehe auch darin, dass die geflüchteten Schülerinnen und Schüler zum Teil traumatische Erlebnisse verkraften müssten. "Wir als Schule kommen da an die Grenzen unserer Möglichkeiten. Wir bräuchten da personelle und fachliche Unterstützung."

Unterstützung für Schüler und Lehrer durch Schulpsychologen

Das Bildungsministerium verwies damals darauf, dass jede Schule die Möglichkeit habe, den Schulpsychologischen Dienst zu kontaktieren. Aktuell heißt es aus dem Ministerium in diesem Zusammenhang, in einer neu gegründeten landesweiten Koordinationsgruppe würden von allen 14 Schulpsychologischen Beratungszentren Informationen zu den aktuellen Entwicklungen zusammengetragen und systematisch ausgewertet. Ziel sei es, "Beratungs- und Fortbildungsbedarfe aufzunehmen und je nach Bedarfslage landesweite sowie regionale Angebote für Schulen zu formulieren".

Laut einer Schulleiterbefragung für das Deutsche Schulbarometer sahen Ende des vergangenen Jahres 53 Prozent der befragten Schulleitungen in Deutschland keine Möglichkeiten mehr, weitere Geflüchtete aufzunehmen. 59 Prozent der Befragten sagten außerdem, dass ihre Schule keine ausreichende Förderung von Schülerinnen und Schülern mit wenigen oder keinen Deutschkenntnissen gewährleisten könne.

Aufnahme in die Klassen und Deutsch-Intensivkurse

In Rheinland-Pfalz werden die geflüchteten Schülerinnen und Schüler nach Angaben des Bildungsministeriums von Beginn an in bestehende Klassen aufgenommen. Sie erhalten Deutsch-Intensivkurse mit bis zu 20 Stunden Sprachförderung pro Woche. Dieses Sprachförderkonzept habe sich bereits seit dem Schuljahr 2015/2016 bewährt.

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Die Kinder und Jugendlichen können dabei im Klassen- oder Kursverbund an Sport, Musik oder Englisch teilnehmen, um ihre deutschen Mitschülerinnen und Mitschüler kennenzulernen. Das bedeutet, dass die Kinder in den Fächern, in denen sie auch ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen folgen können, gemeinsam mit ihren deutschsprachigen Klassenkameradinnen und Klassenkameraden unterrichtet werden. Je weiter ihr Lernfortschritt in der deutschen Sprache ist, desto weniger Sprachförderung haben sie pro Woche und desto mehr nehmen sie am regulären Unterricht mit ihrer Klasse teil.

Auch Herkunftssprache Ukrainisch wird in RLP-Schulen gelehrt

Ergänzend, heißt es aus dem Ministerium, sei in Rheinland-Pfalz mit Beginn des Schuljahres 2022/2023 Herkunftssprachenunterricht auf Ukrainisch eingeführt worden, um die Mehrsprachigkeit zu fördern. Dies geschieht in den Klassenstufen 1 bis 10. Der Unterricht umfasst in der Regel 3 bis 5 Wochenstunden und wird von muttersprachlichen Lehrkräften in staatlicher Verantwortung erteilt. Nach dem letzten Stand sind 19 Kurse für rund 170 Schülerinnen und Schüler im ukrainischen Herkunftssprachenunterricht eingerichtet. Je nach Entwicklung des Bedarfs könne die Kursanzahl angepasst werden, heißt es.

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Dem Bildungsministerium in Mainz zufolge sind viele der geflüchteten ukrainischen Schülerinnen und Schüler noch in Online-Lernangebote durch ihre bisherigen Lehrkräfte in der Ukraine eingebunden. Über eine Plattform könne Material für 18 Fächer abgerufen werden. Das Lernangebot werde von ukrainischer Seite weiter auf- und ausgebaut und biete den Schülerinnen und Schülern nach dem "erzwungenen Weggang" aus der Ukraine "ein Stück Heimat".

Doppelhaushalt 2023/2024 beinhaltet Finanzmittel für 520 weitere Vollzeit-Lehrkraft-Stellen

Das Bildungsministerium teilte dem SWR auf Anfrage weiter mit, bei der Einstellung von Lehrkräften seien die zusätzlich neu hinzugekommenen Schülerinnen und Schüler, also auch jene aus der Ukraine, berücksichtigt worden.

Im Doppelhaushalt 2023/2024 sei Vorsorge getroffen worden, um 520 weitere Vollzeit-Lehrkraft-Stellen nutzen zu können, nachdem im zu Ende gehenden Schuljahr 750 zusätzliche Planstellen finanziert wurden. Hier setzt auch der VBE an. Der Verband teilt auf SWR-Anfrage mit: "An vielen Stellen müssen wegen des Lehrkräftemangels bereits Studierende die Löcher stopfen. Das Land muss Deutsch als Zweitsprache in der Fläche anbieten, damit alle Geflüchteten die Möglichkeit haben, die Sprache zu erlernen. Aber auch hier steht der Personalmangel im Weg. Für die Zukunft müssen mehr Lehrkräfte zur Verfügung stehen, da das Thema Flucht uns weiterhin begleiten wird."

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